Zitate aus dem TAZ-Artikel, Juni 2021: https://taz.de/Militaerrabbiner-bei-der-Bundeswehr/!5719845/
Militärrabbiner bei der Bundeswehr: Mehr Rabbiner als Soldaten?
2021 treten die ersten Militärrabbiner ihren Dienst an. Für die Verteidigungsministerin gute PR – nur die jüdischen Soldaten hat niemand gefragt ... Die Bundeswehr hätte bei einem Verein anfragen können, der sowohl die Zahl der Juden in der Bundeswehr als auch ihre Bedürfnisse besser kennen dürfte, beim Bund jüdischer Soldaten. Doch daran bestand offenbar kein Interesse. Ehrenvorsitzender des Vereins ist Michael Fürst, er war der erste jüdische Bundeswehrsoldat überhaupt, war Fallschirmjäger und viele Jahre Reservist. Fragt man Fürst, wie viele aktive jüdische Soldaten in der Bundeswehr er kenne, zählt er am Telefon bis sechs. Sein Verein hat 15 bis 20 Mitglieder, die meisten längst nicht mehr im Dienst. „Wir vom Bund jüdischer Soldaten halten die Zahl 300 für weit überzogen“, sagt Fürst. Vielleicht gebe es 40 oder 50 jüdische Bundeswehrsoldaten, seriös könne man das aber nicht schätzen.
Siehe auch TWITTER: https://twitter.com/kerstenau/status/1406990642203475980
Rheinische Post, 19.06.2021, Stimme des Westens
Gott und die Welt | Ein Rabbi bei der Bundeswehr | Die jüdische Gemeinschaft sieht den Einsatz des neuen Seelsorgers auch kritisch.
Es ist zweifelsohne ein historisches Datum. Am Montag wird in einer Feierstunde der sächsische Landesrabbiner Zsolt Balla in Anwesenheit von Verteidigungsministerin, Zentralratspräsidenten und sächsischem Ministerpräsidenten sowie der christlichen Militärbischöfe in sein Amt als Militärbundesrabbiner eingeführt – der erste jüdische Militärseelsorger seit rund 100 Jahren. Weitere Militärrabbiner sollen folgen.
Natürlich ist das grundsätzlich zu begrüßen. Mein geschätzter Kollege Zsolt Balla wird sich dafür einsetzen, dass Juden auch in der Bundeswehr ihre Religion leben können, er wird allen Soldaten seelsorgerisch zur Seite stehen und sich gegen Antisemitismus einsetzen. Trotzdem gibt es innerhalb der jüdischen Gemeinschaft auch kritische Stimmen. Für Holocaust-Überlebende oder deren Familien ist es oft bis heute undenkbar, dass Juden in der Bundeswehr dienen. Es ist zwar richtig, dass die Bundeswehr nicht mehr in der Tradition der Wehrmacht steht, aber psychologisch sind noch lange nicht alle Wunden der Vergangenheit verheilt.
Die Frage ist auch, ob die Einführung der jüdischen Militärseelsorge eine Normalität in Deutschland zeichnet, die es so nicht gibt. Es gibt nur wenige jüdische Soldaten in der Bundeswehr. Klar, die Militärrabbiner können auch für nicht-jüdische Bundeswehrangehörige Seelsorge leisten, darüber hinaus am lebenskundlichen Unterricht mitwirken und, wie es Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, „ein klares Zeichen gegen Rechtsradikalismus, gegen Antisemitismus in der Bundeswehr“ setzen.
Ist das aber wirklich die Aufgabe von Rabbinern? Wir sind eigentlich keine Experten in staatskundlicher Bildung oder gegen Antisemitismus. Von daher scheint mir diese Entscheidung mehr symbolischer als wirksamer Natur. Um die Probleme der Demokratiefeindlichkeit und des Rassismus/Antisemitismus in der Bundeswehr anzugehen, die zweifelsohne bestehen, würde ich eher dafür plädieren, das budgetierte Geld für Fachleute zu nutzen, die sich ihrer annehmen.
Rabbi Jehoschua Ahrens ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz. Unser Kolumnist wechselt sich mit der Benediktinerin Philippa Rath, der evangelischen Pfarrerin Friederike Lambrich und dem Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide ab.