Martin Bock, "Religion als Lebensbewältigungsstrategie von Soldaten - Die Einstellung von Soldaten zu Glaube, Werten und Seelsorge und ihre Veränderung im Bosnieneinsatz der Bundeswehr" (Derselbe Text hier als pdf)

SOZIALWISSENSCHAFTLICHES INSTITUT DER BUNDESWEHR, Strausberg 2002. Die Verantwortung für den Inhalt liegt bei dem Autor. Copyright by SOWI 2002, Alle Rechte vorbehalten, ISSN 0342-2569, Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr, Prötzeler Chaussee 20, 15344 Strausberg, Tel.: 03341/58-1801, www.sowi-bundeswehr.de


Hier eine Kopie der beiden wichtigsten Absätze. Weiter unten der vollständige Text:


Zusammenfassung:

Das besondere Augenmerk vorliegender Studie gilt der Frage, ob und in welcher Weise sich der Auslandseinsatz von Bundeswehrsoldaten in Bosnien auf die persönliche Haltung, das Wertgefüge und die Einstellung zur Religion ausgewirkt hat.

Dies wurde mit Hilfe repräsentativer empirischer Befragungen erhoben, die sich an die 2 150 deutschen Soldaten, die im Sommer 1998 im Feldlager Rajlovac bei Sarajevo eingesetzt waren, richteten. Es wird deutlich, dass Soldaten im Auslandseinsatz in erheblichem Umfang mit existentiellen Fragen (Sinn des Lebens,  eigener Tod, meine Aufgabe in der Welt) konfrontiert werden. Bei vielen bewirkt dies größere Nachdenklichkeit und Sensibilität im Hinblick auf ihre Wertmaßstäbe und Religiosität. Auch hat dies zur Folge, dass es nahezu alle Soldaten begrüßen, dass sie im Einsatz von Pfarrern begleitet werden. Für die Militär- bzw. Soldatenseelsorge bedeutet das eine Bestätigung ihrer Arbeit, aber auch eine Herausforderung. Denn unter den Summary Bedingungen des Auslandseinsatzes nimmt die Offenheit für religiöse Themen zu und es werden Personengruppen dafür zugänglich, von denen man dies nicht erwartet. Aus diesem Grunde schließen sich an die Darstellung und Auswertung der sozialwissenschaftlichen Erhebungen konkrete Anregungen für die Arbeit der Militärseelsorge an.

Inhaltsverzeichnis

1
Einleitung 11

1.1
Auftrag und Ziel der Untersuchung
1.2
Militär-/Soldatenseelsorge
1.3
Beschreibung und Vergleich der Stichproben
1.4
Hypothesen
1.4.1
Hypothesen bezüglich Einstellung der Soldaten zur Militärseelsorge im Feldlager Rajlovac
1.4.2
Hypothesen bezüglich der Bedeutung von Religion als Lebensbewältigungsstrategie für die Soldaten im Feldlager Rajlovac
2
Die Einstellung der Soldaten zur Militär-/ Soldatenseelsorge im Feldlager Rajlovac

2.1
Welche religiösen Bindungen bestehen bei den Soldaten?
2.2
Wie bekannt sind die Militärpfarrer bei den Soldaten?
2.3
Was halten die Soldaten von der Militärseelsorge im Lager Rajlovac?
2.4
Was halten die Soldaten vom Umfang der Militärseelsorge?
2.5
Was halten die Soldaten von verschiedenen Tätigkeiten der Militärseelsorge?
2.6
Wie wird die Militär-/Soldatenseelsorge durch die Soldaten in Anspruch genommen?

3
Die Bedeutung von Religion als Lebensbewältigungsstrategie für die Soldaten im Feldlager Rajlovac

3.1
Wie beurteilen die Soldaten die Rolle der Religionen im Einsatzland?

3.2
Hat sich das Wertgefüge der Soldaten während des Einsatzes verändert?

3.3
Was bedeutet Gott für die Soldaten?

3.4
Hat der Glaube Auswirkungen auf die Politik?

3.5
Haben die Soldaten religiöse Deutungsmuster für den Bosnienkonflikt?

4
Zusammenfassung

5
Anregungen für die Arbeit der Militärseelsorge

Literatur

Der Autor


1 Einleitung

1.1 Auftrag und Ziel der Untersuchung
In dem Abschnitt über „Militärseelsorge im Auslandseinsatz“ soll untersucht werden, „ob und inwieweit es der Militärseelsorge gelingt, ihrer seelsorgerischen Aufgabe und ihrer Aufgabe zur Unterstützung der Soldaten bei der Konflikt- und Krisenbewältigung gerecht zu werden“. So heißt es im Auftrag zur Durchführung der Studie vom 14.01.1998.

Zutreffend wird hier differenziert zwischen der seelsorgerischen Aufgabe der Militärseelsorge und ihrer Aufgabe zur Unterstützung der Soldaten bei der Konflikt- und Krisenbewältigung. Der erstgenannte Bereich ist dabei umfassend zu sehen und respektiert die Tatsache, dass Militärseelsorge ihre Berechtigung in sich selbst besitzt, nämlich den Soldaten religiöse Praxis zu ermöglichen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Militärseelsorge auch dem militärischen Auftrag nützlich sein kann. Dies wäre der Fall, wenn sie die Soldaten im Auslandseinsatz in Bosnien bei der Bewältigung ihrer Krisen und Konflikte unterstützt. Letztgenannter Aufgabe widmen sich vornehmlich auch andere professionelle Helfer wie Ärzte, Psychiater und Psychologen. Die Militärpfarrer wirken in diesem Team mit. Sie tun dies jedoch nicht, weil ihnen der militärische Dienstherr diese Aufgabe zugedacht hätte, sondern weil es ihr aus dem Evangelium abgeleiteter Auftrag ist, den „Mühseligen und Beladenen“ beizustehen.

Bei der Konstruktion des Untersuchungsinstrumentariums wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass das Verhältnis des  Menschen zur Religion sehr facettenreich ist. Der quantitative Teil widmet dem Thema ein eigenes Kapitel im Fragebogen und ergänzt dieses durch zusätzliche Fragen, die an anderen Stellen eingestreut sind. In den qualitativen Interviews werden ebenfalls Militärseelsorge und die  Einstellung der Soldaten zum religiösen Komplex thematisiert.

Um nicht nur kirchensoziologische Feststellungen treffen, sondern auch Aussagen über Wertorientierung und deren mögliche Veränderung aufgrund der Erfahrungen des Bosnieneinsatzes machen zu können, wurde der mehrdimensional angelegte religionssoziologische Untersuchungsansatz von Charles Glock zugrunde gelegt,1 welcher auch in neueren religionssoziologischen Untersuchungen Anwendung findet.2 Dessen heuristisches Suchraster unterscheidet fünf Kerndimensionen von Religiosität:

1.
die rituelle Dimension (organisationssoziologische Gesichtspunkte, z.B. Häufigkeiten von religiösen Praxisformen);
2.
die ideologische Dimension (Struktur des Glaubens. Wie wird über Existenz und Natur eines göttlichen Wesens gedacht? Welche
Ziele werden dem göttlichen Willen gegebenenfalls unterstellt? Welche Rolle kommt dem Menschen dabei zu?);
3.
die intellektuelle Dimension (Wissen über eigene und fremde Religion/Religiosität; Bereitschaft, sich kritisch mit Religion/Religiosität auseinanderzusetzen);
4.
die sozialen Konsequenzen der Religiosität (religiös motiviertes Verhalten von Mensch zu Mensch) und
5.
das religiöse Erleben (Bedürfnis nach Sinnsuche, Bewältigung von Irrationalität, Erkenntnisfähigkeit hinsichtlich des Göttlichen, Empfinden von Zuversicht, Vertrauen und Geborgenheit gegenüber einer göttlichen Macht angesichts von Krisen und Konflikten).


1 In: Joachim Matthes, Kirche und Gesellschaft. Einführung in die Religionssoziologie II, Reinbek bei Hamburg 1968, S. 150ff.
2 Z. B. Heiner Barz, Jugend und Religion, 3 Bd., Opladen 1992ff.


1.2 Militär-/Soldatenseelsorge
Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche stellt der
Bundeswehr Seelsorger zur Verfügung, um den Soldaten auch unter
den Bedingungen des Dienstes in den Streitkräften die freie religiöse
Tätigkeit zu ermöglichen.3 Die Militärseelsorger sind den jeweiligen
militärischen Dienststellen und Kommandeuren auf Zusammenarbeit
zugeordnet, ihnen jedoch nicht militärisch unterstellt. Sie tragen weder
Uniform noch militärische Ränge, sondern sind Zivilisten und dienen
in der Regel als Bundesbeamte auf Zeit (zwischen 6 und 12 Jahre).
Die leitenden Militärgeistlichen hingegen sind Bundesbeamte auf
Lebenszeit. Mit Pfarrern, die im Nebenamt Militärseelsorge ausüben,
schließt der Staat Anstellungsverträge ab.

Die Militärseelsorge in der Bundeswehr stellt im internationalen Vergleich
einen Sonderfall dar. Anders als in den meisten Staaten befinden
sich die Militärpfarrer hier nicht in einem militärischen Unterstellungsverhältnis
und besitzen dadurch erheblichen Freiraum und
Unabhängigkeit innerhalb der militärischen Strukturen. Ungewöhnlich
ist auch, dass Fragen der organisatorischen Ausgestaltung der Militärseelsorge
in Deutschland auf erhebliches kirchliches und öffentliches
Interesse treffen, wie dies nach der Wiedervereinigung geschah.

3
Der religiöse Dienst in der deutschen Bundeswehr beruht in der Hauptsache
auf dem Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich vom

20. Juli 1933, auf Artikel 140 (Artikel 141 WRV) des Grundgesetzes für die Bundesrepublik
Deutschland vom 23. Mai 1949, auf dem Vertrag der Bundesrepublik
Deutschland mit der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Regelung der
evangelischen Militärseelsorge vom 22. Februar 1957, auf dem Gesetz über die
Militärseelsorge vom 26. Juli 1957 und auf den Päpstlichen Statuten für den
Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr
vom 23. November 1989. Darüber hinaus beschreiben militärische Zentrale
Dienstvorschriften wie „66/1 Militärseelsorge“ vom 28. August 1956 und „66/2
Lebenskundlicher Unterricht“ vom 5. November 1959 detailliert Aufbau und
Aufgaben der Militärseelsorge und deren Zusammenwirken mit militärischen
Stellen. Diese Texte sind abgedruckt in DOKUMENTATION MILITÄRSEELSORGE.

Hier entzündete sich eine breite und kontroverse Diskussion über die
Militärseelsorge in den neuen Ländern, die mehrere Jahre lang anhielt.
4

Eine hohe Sensibilität für die Problematik, wie ein religiöser Dienst in
Streitkräften auszugestalten ist, damit dessen Instrumentalisierung
vermieden und kirchliche Anliegen ausreichend gewahrt bleiben,
zeigte sich bereits nach dem 2. Weltkrieg, als eine bewusste Abkehr
von traditionellen Militärseelsorgestrukturen vollzogen wurde. Insbesondere
der evangelischen Kirche war daran gelegen gewesen, Militärseelsorge
deutlich in kirchlicher Verantwortung wahrzunehmen. So
wurde am 22. Februar 1957 der Vertrag der Bundesrepublik Deutschland
mit der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Regelung der
evangelischen Militärseelsorge abgeschlossen, der in weiten Teilen
auch für den katholischen Militärseelsorgezweig Anwendung findet.
Danach stehen die Militärpfarrer außerhalb der militärischen Hierarchie.
Auf der anderen Seite ist ihre Tätigkeit institutionell abgesichert,
so dass sie ausreichend Kompetenz zur Erfüllung ihrer Aufgabe
haben. Etwa 1 500 Soldaten einer Konfession werden durch einen
hauptamtlichen Militärseelsorger betreut.5

Während nach der Wiedervereinigung das bestehende Militärseelsorgemodell
von der katholischen Kirche auch für die östlichen Diözesen
übernommen wurde, empfanden die dortigen protestantischen Landeskirchen
dessen Distanz zu den staatlichen Einrichtungen als nicht
weitgehend genug. Nachdem in der EKD kein Konsens dahingehend
gefunden werden konnte, entweder den Militärseelsorgevertrag insgesamt
zu übernehmen oder diesen aufzukündigen, verständigte man

4 Der Verlauf dieser Diskussion wird nachgezeichnet in den EPD-Dokumentationen:
DOKUMENTION 24a/91, 25/92, 4/93, 47/94, 49a/94, 14/95, 14/96.
5 Zu den Rechtsgrundlagen der Militär-/Soldatenseelsorge: Blaschke/Oberhem


1985; Campenhausen 1983; DOKUMENTATION MILITÄRSEELSORGE;

Ennuschat 1996; MSV.

14


sich mit dem Staat auf eine regionale Zwischenlösung für den Bereich
der ostdeutschen protestantischen Landeskirchen.

Die 1996 in Kraft getretene „Rahmenvereinbarung über die evangelische
Seelsorge in der Bundeswehr in den neuen Bundesländern“ zwischen
dem Verteidigungsministerium und der EKD sieht vor, dass die
evangelischen Landeskirchen im Beitrittsgebiet befristet bis zum Jahre
2003 die Möglichkeit haben, die auf ihrem Territorium stationierten
Soldaten durch hauptamtliche Pfarrer, die im Dienste der EKD stehen,
betreuen zu lassen. Deren Gehälter und die sonstigen personellen und
sächlichen Kosten trägt der Verteidigungshaushalt.6

Erhebliche Auswirkungen auf die Militärseelsorge hatte auch die Erosion
der weltpolitischen Blöcke Ende der 80er und Anfang der 90er
Jahre des letzten Jahrhunderts. Dies führte zu einer Veränderung des
Aufgabenspektrums der Bundeswehr und in der Folge auch der Militärseelsorge.
In der jüngsten Vergangenheit hatten deutsche Militärpfarrer
die Soldaten auch bei Auslandseinsätzen wie in Kambodscha,
Somalia und auf dem Balkan zu begleiten. Das brachte es mit sich,
dass ihre Tätigkeits- und Angebotsschwerpunkte den jeweiligen
Erfordernissen angepasst wurden, je nachdem ob sie auf den Dienst
am Standort oder im Auslandseinsatz bezogen waren.7

Für einige gesellschaftliche Bereiche wie Krankenhäuser, Gefängnisse,
Polizei- und Bundesgrenzschutz und die Streitkräfte ist eine besondere
seelsorgliche Betreuung vorgesehen. So bestehen an den
Bundeswehrstandorten im In- und Ausland Dienststellen für Pfarrerinnen
und Pfarrer. Deren Tätigkeit unterscheidet sich zunächst nicht

6 Zur Militär-/Soldatenseelsorge in den neuen Ländern: DOKUMENTATION

24a/91; DOKUMENTATION 25/92; DOKUMENTATION 4/93; Graf 1991;

Klein/Zimmermann 1993; Martin 1997; MILITÄRSEELSORGE I-III; Rückert

1991; Scheffler 1993; SEELSORGE FÜR SOLDATEN; WARTEN IN GE


DULD.
7 Zur Militärseelsorge im Auslandseinsatz: Michaelis 1997.


wesentlich von der ihrer zivilen Amtschwestern und -brüder, nur dass
sie es hauptsächlich mit Soldaten zu tun haben und der Dienst auf die
Besonderheiten des militärischen Umfelds abgestimmt ist. Auch sie
bieten Gottesdienste, Andachten, Kasualien (Taufen, Konfirmationen,
Trauungen, Beerdigungen) und seelsorgliche Gespräche an. Daneben
führen sie Lebenskundlichen Unterricht, Arbeitsgemeinschaften für
Unteroffiziere und Offiziere sowie Rüstzeiten für die Soldaten und für
Soldatenfamilien durch. Im Lebenskundlichen Unterricht und in den
Arbeitsgemeinschaften für Unteroffiziere und Offiziere, die in den
militärischen Dienstplan eingestellt sind, befassen sich die Soldaten
unter Anleitung des Militär- bzw. Soldatenpfarrers mit allgemeinethischen
und berufsethischen Fragestellungen.8

Schon immer hatte es zu den Aufgaben der Militärpfarrer gehört, die
übende Truppe auch ins Ausland zu begleiten. Doch war dies nur ein
Vorgeschmack für Einsätze wie sie beispielsweise derzeit auf dem
Balkan von der Militärseelsorge zu erfüllen sind.

Anders als am Standort, wo Gottesdienste in der Regel in der Woche
durchgeführt werden, finden im Lager Rajlovac regelmäßige Gottesdienste
am Sonntagsvormittag statt. Ort der Veranstaltung ist eine
Abteilung des Betreuungszeltes OASE, das sich in der Trägerschaft
der Evangelischen und der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung
befindet. Die Gottesdienste werden von jeweils 100
bis 200 Teilnehmern besucht und meist vom evangelischen und vom
katholischen Pfarrer gemeinsam gestaltet. Dabei handelte es sich im
Zeitraum der vorliegenden Untersuchung nicht um ökumenische Gottesdienste
im herkömmlichen Sinne, sondern im Wechsel um katholische
Messfeiern mit Predigt des evangelischen Geistlichen oder um
evangelische Abendmahlsgottesdienste mit Predigt des katholischen
Pfarrers. Auf diese Weise konnte die jeweilige konfessionelle Identität

8 Blaschke/Oberhem 1985; KIRCHE UNTER DEN SOLDATEN.
16


bewahrt werden, ohne getrennte Gottesdienste anbieten zu müssen. In
die Gestaltung der Gottesdienste waren Chor und Instrumentalensemble
einbezogen, die sich aus den Soldaten der Lagergemeinde
gebildet hatten. Im Anschluss an die Gottesdienste gab es stets die
Möglichkeit, beim sog. Kirchenkaffee zusammenzubleiben, Kontakte
zu knüpfen und sich auszutauschen.

Darüber hinaus wurden Gottesdienste in LOGBEN, einer außerhalb
Sarajevos liegenden Versorgungs- und Instandsetzungseinrichtung,
angeboten. In der Betreuungseinrichtung des gepanzerten Einsatzverbandes
wurde der Versuch eines „Langschläfergottesdienstes“ am
Sonntagnachmittag unternommen, der jedoch nicht gut angenommen
wurde. Anlässlich eines Todesfalls fand in der OASE eine Trauerfeier
statt, bei der Gelegenheit bestand, von dem verstorbenen Kameraden
Abschied zu nehmen. Im Juli 1998 fand in der Kathedrale von Sarajevo
eine internationale Messe statt, an der Einheimische und in Bosnien
stationierte ausländische Soldaten teilnahmen. Auch hier wirkten
die beiden deutschen Militärpfarrer mit. Im Verlauf des Einsatzes des
fünften Kontingents kam es auch zu mehreren Taufen von Soldaten,
die durch Taufunterrichte vorbereitet und anschließend in Taufgottesdiensten
vollzogen wurden.

Anders als am Standort hatten die Pfarrer neben dem allmorgendlichen
Läuten der Glocke bei der OASE auch die Möglichkeit, über
die lagereigenen Medien auf sich aufmerksam zu machen. So strahlte
„Radio Andernach“ jeden Morgen das „Wort in den Tag“ eines Militärpfarrers
aus. Die wöchentlich erscheinende Lagerzeitung „Der
Keiler“ veröffentlichte regelmäßig die Kolumne „Wort zum Mittwoch“.


Im Erleben der Pfarrer nimmt die Inanspruchnahme durch Seelsorge
im Einsatz quantitativ zu und gewinnt auch qualitativ eine andere
Dimension als am Standort. Dies ist schon dadurch bedingt, dass der


Pfarrer ständig bei den Soldaten präsent und wie diese aus seinem
gewöhnlichen persönlichen Umfeld herausgenommen ist.

So lebt man im Feldlager über einen längeren Zeitraum auf verhältnismäßig
engem Raum miteinander. Eine Trennung von Dienst und
Nicht-Dienst lässt sich weder zeitlich noch räumlich realisieren. Abgesehen
davon, dass eine solche Lebensform besondere Belastungen
bewirkt, bietet sie Gelegenheit für vielfältige Kontakte. Da die Pfarrer
sich nicht zurückzogen, sondern häufig zu Fuß im Lager unterwegs
waren und auch abends die verschiedenen „Betreuungseinrichtungen“
(Gaststätten) aufsuchten, waren sie innerhalb kurzer Zeit bekannt und
hatten reichlich Gesprächschancen.

Neben diesen eher unverbindlichen Gesprächskontakten kam es auch
zu einer Reihe von intensiven Seelsorgegesprächen, die im Dienstzimmer
des Pfarrers geführt wurden und ihn längere Zeit, bisweilen
mehrere Tage lang in Anspruch nahmen. Als Themen wurden genannt:
Gefühl des Eingesperrtseins, Heimweh, Alkoholproblem,
schlechte Nachrichten aus der Heimat, Schwierigkeiten mit Kameraden
und Vorgesetzten. Nicht selten wurde der Pfarrer gebeten, für
den Betroffenen tätig zu werden, so dass er mit Vorgesetzten, Truppenpsychologen,
Rechtsberatern, Psychiatern und auch mit Stellen in
Deutschland Kontakt aufnahm.

Zu den regelmäßigen Aufgaben der Pfarrer gehörten auch Besuche
von dislozierten Einheiten, so z. B. der ELOKA-Einheiten in Filippovici,
sowie Krankenbesuche im Feldlazarett. Da das Feldlazarett in
Rajlovac auch Soldaten versorgte, die anderswo in Bosnien stationiert
waren, kamen auch die für sie zuständigen Pfarrer hierher und verbanden
dies mit einem Besuch der Amtsbrüder vor Ort. Daraus entwickelte
sich eine gegenseitige Seelsorge der Seelsorger, die häufig in
Anspruch genommen wurde.


Ab Mitte des Einsatzes registrierten die Pfarrer, dass bei den Soldaten
der Wunsch nach seelsorglichen Gesprächen zunahm, für die kein
konkretes Anliegen vorlag. Diesem Phänomen wird im weiteren Verlauf
der Untersuchung nachzugehen sein.

Ein besonderes Ereignis, bei dem die Pfarrer ganz erheblich in Anspruch
genommen wurden, war der Unfall eines gepanzerten Fahrzeugs,
bei dem ein Soldat zu Tode kam und drei verletzt wurden.
Hierbei kam es in Zusammenarbeit mit dem Truppenpsychologen und
dem Psychiater im Feldlazarett zu einer Vielzahl von Gesprächen mit
den Verletzten, mit den Kameraden des Toten, mit der Besatzung des
verunglückten Fahrzeugs und mit den militärisch Verantwortlichen.
Obwohl der Verstorbene selber keiner Konfession angehörte, wurde
für seine Kameraden eine Trauerandacht angeboten, in der sie von ihm
Abschied nehmen konnten.

Während bei der Arbeit am Standort die regelmäßige ethische Unterrichtung
der Soldaten im Rahmen ihrer Einheiten breiten Raum einnimmt,
tritt dies in dieser Form im Einsatz stark zurück. Abgesehen
von einer Ärztefortbildung zum Thema „Überbringen einer Todesnachricht“,
hatte die thematische Auseinandersetzung mit religiösen
und ethischen Fragen während des Einsatzes des fünften Kontingents
im Feldlager Rajlovac hauptsächlich seinen Ort im wöchentlich stattfindenden
ökumenischen Gesprächskreis und in den Rüstzeiten außerhalb
des Feldlagers.

Die Themen des ökumenischen Gesprächskreises kamen meist auf
Vorschlag der Teilnehmer zustande und waren unter anderem: „Immer
noch ein christliches Land? Was wird aus Deutschland angesichts von
entstehender Not und Werteverfall?“, „Was nehme ich mit? Was hat
mich gestört? Wie geht’s zu Hause weiter?“, „Schöpfungsglaube und
Naturwissenschaften“, „Gewalt und Macht und deren Ausübung“,
„Was werde/kann ich zu Hause erzählen von meinem Erleben?“,


„Sexualität und das 6. Gebot“, „Innere Mauern in Bosnien, innere
Mauern auch bei uns in Deutschland?“, „Ist der Krieg in Bosnien ein
Glaubenskrieg?“, „Panzer bringen Frieden für das Land, was bringt
Frieden für die Seelen?“, „Ehe und Familie heute“, „Wie motiviert
Religion politisches Handeln?“.

Rüstzeiten der Militärseelsorge fanden während der Dauer des fünften
Kontingents Mitte Mai, Mitte Juni und Mitte Juli 1998 statt. Sie wurden
von den beiden Pfarrern gemeinsam in Makarska und Dubrovnik
mit zwischen 50 und 70 Soldaten durchgeführt. Bei der ersten Rüstzeit
unter dem Thema „Alles neu macht der ... Einsatz? – Hilfe, wo bin ich
hier !?“ ging es um die eigene Befindlichkeit, um Anfangseindrücke
während des Auslandseinsatzes und dessen Sinnhaftigkeit. Bei der
zweiten Begegnung „In und mit Gegensätzen leben – mitten im Einsatz“
konnten sich die Soldaten mit ihren unerwarteten und widersprüchlichen
Erlebnissen auseinandersetzen, nachdem sie die Hälfte
der Zeit hinter sich hatten. In der Rüstzeit im Juli „Wir blicken zurück

– Wir sehen nach vorn“ bestand Gelegenheit, ein Resümee des Einsatzes
zu ziehen. Es wurde darüber nachgedacht, ob und gegebenenfalls
wie der Einsatz die eigene Person verändert hat und wie es zu Hause
weiter gehen wird.
Stärker als dies am Standort üblich ist, wurde im Einsatz die Beratung
durch die Militärpfarrer in Anspruch genommen. Sie nahmen nicht
nur an den regelmäßigen Lagebesprechungen und Stabstreffen teil,
sondern wurden auch in die Besprechungsrunden der Spieße und der
Feldjäger gebeten. Ebenso gehörten sie in die sog. Sozialrunde, in der
sich Truppenpsychologe, Rechtsberater, Betreuungsoffizier, G1 und
G3 trafen, um sich über Stimmung und emotionale Situation im Feldlager
auszutauschen.

Zusätzlich zu ihrer hohen Präsenz im Feldlager pflegten die Militärpfarrer
auch vielfältige Kontakte zu anderen Militärseelsorgeeinrich



tungen, zu internationalen Einrichtungen und Hilfsorganisationen und
zu sozialen und religiösen Institutionen im Einsatzland. So trafen sich
die im Einsatzland tätigen Militärgeistlichen der beteiligten Streitkräfte
einmal monatlich im Hauptquartier in Ilidza zu einem
„Chaplains’-Lunch“, zu dem der leitende amerikanische Militärpfarrer
einlud. Die deutschen Militärpfarrer aus Rajlovac hielten intensiven
Kontakt zur Sozialstation der Caritas in Sarajevo, die unter anderem
eine Suppenküche für Bedürftige unterhielt und dabei von der Küche
des Feldlazaretts unterstützt wurde. Ebenso arbeiteten sie mit den in
Sarajevo tätigen Jesuiten zusammen und förderten deren Einsatz für
Behinderte durch Sammlungen von Geldspenden und Kinderkleidung.
Mit der Aktion „Lachen helfen“ fanden sich engagierte Soldaten unter
dem Dach der Militärseelsorge zusammen und unterstützten vornehmlich
Kinder, die durch den Krieg Schaden genommen hatten und
in Not geraten waren. Es wurden Geld, Kleidung und Spielsachen für
die Kinder gesammelt und eine Benefizparty für ein Kinderheim veranstaltet.


Auch kam es bisweilen zu spontanen humanitären Einzelaktionen. So
traf eine Patrouille, an der einer der Militärpfarrer teilnahm, auf eine
mittellose und schwer kranke Frau, die ohne ärztliche Hilfe war. Es
konnte erreicht werden, dass sie durch das Feldlazarett medizinisch
versorgt wurde.

Die Gruppe CIMIC, die den Auftrag hat, im Einsatzland beim Aufbau
ziviler Strukturen und Organisationen behilflich zu sein, machte sich
die Kontakte der Militärseelsorge zu Nutze, indem sie diese beispielsweise
in die Verhandlungen mit dem katholischen Priester in
Filippovici einbezog.

Das dargestellte breite Spektrum an Aktivitäten der Militärseelsorge
im Feldlager Rajlovac darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese
Tätigkeiten lediglich von zwei Personen zu bewerkstelligen waren,


nämlich den beiden Militärpfarrern. Diese verfügten über keinerlei
festes Unterstützungspersonal, weder über Pfarrhelfer noch über
Schreibkräfte und Fahrer, die unter günstigen Bedingungen am Standort
zur Verfügung stehen. So müssen sich die Pfarrer beispielsweise
persönlich um die Instandsetzung von dienstlichem Gerät wie Pkw
und Notebook kümmern, Abrechnungen der Rüstzeiten vornehmen,
über sächliche und finanzielle Mittel Buch führen, bei Kontingentwechsel
Vollzähligkeitsüberprüfungen vornehmen, Protokolle fertigen,
Material verpacken und transportieren. Daneben haben sie den
gesamten regelmäßigen Bürodienst zu organisieren, wöchentliche
Berichte, tägliche „Worte in den Tag“ und Beiträge für die Lagerzeitung
selbst zu schreiben.

Nach den während des Einsatzes des fünften Kontingents bestehenden
militärischen Vorschriften war es nur mit Bewaffnung zulässig, das
Lager zu verlassen. Da die Pfarrer selbst nicht bewaffnet sind und
keinen Soldaten fest zugeordnet erhalten haben, mussten sie sich immer
wieder auf die Suche nach bewaffneter Begleitung begeben, die
gerade abkömmlich war. Dieser Umstand hat sich in der täglichen
Arbeit mehrfach als äußerst hinderlich erwiesen.

1.3 Beschreibung und Vergleich der Stichproben
Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung beruhen auf quantitativen
und qualitativen Erhebungen, deren Methodologie an anderer
Stelle des Berichts ausführlich dargestellt ist. Die quantitativen Erhebungen
geschahen mit Hilfe von standardisierten Fragebogen während
und nach Beendigung des Einsatzes in Bosnien. Für die Befragung
während des Einsatzes war aus der Grundgesamtheit von 2 150 Soldaten,
die im Sommer 1998 im Feldlager Rajlovac eingesetzt waren,
mittels eines Zufallsverfahrens eine Stichprobe von 380 Personen
gebildet worden. Aus methodischen Gründen war diese Stichprobe


disproportional nach Dienstgradgruppen geschichtet worden. Der
Rücklauf auswertbarer Fragebogen betrug 247, das sind 64 %.

Die Befragten waren aufgefordert worden, ihren Fragebogen mit
einem Kennwort zu versehen und dieses ebenfalls auf der Zweitbefragung
nach Beendigung des Einsatz zu verzeichnen. Dadurch sollte
eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse gewährleistet sein. Aus technischen
Gründen konnte sich die Zweitbefragung jedoch nicht an die
ursprünglich ausgewählte Stichprobe wenden, sondern wurde als
Totalerhebung der Grundgesamtheit durchgeführt. Der Rücklauf
betrug nunmehr 674 auswertbare Fragebogen. Die Zahl der mit Hilfe
der Kennwörter einander zuzuordnenden Fragebogen war jedoch so
gering, dass von diesem Verfahren Abstand genommen werden
musste.

Für den Vergleich der beiden Befragungen sind folgende Unterschiede
in der Zusammensetzung zu beachten:

Im Hinblick auf die Konfession hatten sich bei der ersten Befragung
gut 28 % als evangelisch und knapp 50 % als katholisch bezeichnet.
Knapp 22 % gehörten keiner und lediglich 0,4 % einer anderen
Glaubensgemeinschaft an. Für die Befragung nach dem Einsatz ist
eine leichte Zunahme bei den Evangelischen von gut 4 Prozentpunkten
auf gut 32 % zu verzeichnen und eine spürbare Abnahme bei den
Katholiken von knapp 7 Prozentpunkten auf 43 %. Der Anteil der
Konfessionslosen und derer, die einer anderen Glaubensgemeinschaft
angehören, ist annähernd gleich geblieben (Zunahme um knapp 2 %
bzw. knapp 1 %).

Die Soldaten wurden auch hinsichtlich ihrer religiösen Sozialisation
um Auskunft gebeten. Gefragt wurde, ob sie getauft, konfirmiert bzw.
gefirmt wurden, ob sie am Kindergottesdienst und an kirchlichen Kinder-
und Jugendgruppen teilgenommen haben und ob sie Ministranten


waren. Zudem wurde die Antwortmöglichkeit „ich hatte in meiner
Kindheit/Jugend keinen Kontakt zu Kirche und Religion“ angeboten.
Dabei zeigt die Teilnahme an kirchlichen Kinder- und Jugendgruppen
sowie am Kindergottesdienst einen engeren Kontakt zur Kirche an,
während Taufe, Konfirmation und Firmung für eine lockere volkskirchliche
Bindung stehen. Ministrant zu sein, bedeutet hingegen eine
verhältnismäßig enge Beziehung zur katholischen Kirche und zu ihrem
Gottesdienst.

Von den Befragten im Einsatz waren knapp 87 % getauft und gut
84 % konfirmiert bzw. gefirmt. Gut 2/3 hatten den Kindergottesdienst
besucht und gut 1/3 war in einer Kinder- oder Jugendgruppe aktiv
gewesen. Auf eine Tätigkeit als Ministrant blickten gut 26 % zurück.
Etwas mehr als 20 % gaben an, in Kindheit und Jugend keinen Kontakt
zu einer Kirche gehabt zu haben. Die Rückkehrerbefragung weist
annähernd gleiche Ergebnisse auf. Lediglich bei dem Item „Ministrant
gewesen“ ist eine merkliche Differenz zwischen den beiden Befragungen
zu verzeichnen. Dies erklärt sich daraus, dass sich dieses Item
lediglich auf Katholiken bezieht und diese bei der Zweitbefragung in
vergleichbarer Größenordnung schwächer vertreten waren.

Bei der Befragung im Einsatz stammten gut 35 % der auswertbaren
Fragebogen von den bis einschließlich 24-Jährigen, gut 38 % von den
25- bis 35-Jährigen, knapp 19 % von den 36- bis 45-Jährigen und
knapp 8 % von den über 45-Jährigen. Hingegen sind die Teilnehmer
der Rückkehrerbefragung im Schnitt älter als die der Erstbefragung.
So ist der Anteil derer, die jünger als 25 Jahre sind, bei der zweiten
Befragung um knapp 13 Prozentpunkte zurückgegangen, während die
Gruppe der 25- bis 35-Jährigen deutlich um knapp 8 Prozentpunkte,
die 36- bis 45-Jährigen um 2 und die über 45-Jährigen um knapp
3 Prozentpunkte zulegten.


Im Hinblick auf die regionale Herkunft der Befragten ist bei der
Rückkehrerbefragung der Anteil der auswertbaren Fragebogen von
Soldaten aus den neuen Bundesländern um knapp 7 Prozentpunkte
angestiegen und von Soldaten aus den alten Bundesländern entsprechend
gesunken. Bei der Befragung im Einsatz stammten gut 19 %
aus den neuen und knapp 81 % aus den alten Bundesländern. An der
Rückkehrerbefragung waren gut 26 % aus den neuen und knapp 74 %
aus den alten Bundesländern beteiligt. Die 8 bzw. 4 befragten Soldaten,
die aus dem Ausland stammten, wurden wegen ihrer verhältnismäßig
geringen Zahl hier nicht berücksichtigt.

Bei der Befragung im Einsatz stammten auswertbare Fragebogen von
Soldaten, von denen knapp 32 % Hauptschulabschluss, knapp 33 %
Realschulabschluss, knapp 21 % Abitur und gut 13 % Hochschulabschluss
besaßen. Bei der zweiten Befragung nahm der Anteil der
Realschulabsolventen mit 9 Prozentpunkten deutlich auf knapp 42 %
zu, während Hauptschulabsolventen um knapp 5 Prozentpunkte auf
gut 27 % und Abiturienten um gut 4 Prozentpunkte auf knapp 17 %
abfielen. Hingegen blieb der Anteil der Soldaten mit Hochschulabschluss
nahezu konstant (Zuwachs um 0,5 Prozentpunkte auf knapp
14 %).

Im Hinblick auf die Dienstgradgruppen haben sich zwischen den beiden
Befragungen die stärksten Unterschiede eingestellt. Bei der
Befragung im Einsatz stammten auswertbare Fragebogen zu gut 35 %
aus den Reihen der Mannschaften, zu knapp 12 % von den Unteroffizieren
ohne Portepee, zu knapp 25 % von den Unteroffizieren mit
Portepee, zu gut 18 % von den Offizieren und zu gut 10 % von den
Stabsoffizieren. Bei der Rückkehrerbefragung fielen die Mannschaftsdienstgrade
um gut 14 Prozentpunkte auf gut 21 % und die Offiziere
um gut 6 Prozentpunkte auf 12 % zurück, während die Unteroffiziere
ohne Portepee um gut 6 Prozentpunkte auf 18 % und die Unteroffiziere
mit Portepee um gut 14 Prozentpunkte auf knapp 39 % zulegten.


Der Anteil der Stabsoffiziere lag bei beiden Befragungen annähernd
gleich hoch bei ca. 10 %.

Nach dem Kriterium des militärischen Status betrachtet wuchs bei der
Zweitbefragung der Anteil von Zeit-und von Berufssoldaten, während
der der Freiwillig zusätzlich Wehrdienst Leistenden (FWDL) und der
Reservisten abnahm. Bei der Befragung im Einsatz betrug der Anteil
der FWDL gut 8 %, der Zeitsoldaten gut 52 %, der Berufssoldaten
knapp 32 % und der Reservisten knapp 8 %. Bei der Rückkehrerbefragung
sank der Anteil der FWDL9 um knapp 6 Prozentpunkte auf
knapp 3 %, der Anteil der Zeitsoldaten stieg um gut 5 Prozentpunkte
auf knapp 58 %, der Anteil der Berufssoldaten wuchs um gut 2 Prozentpunkte
auf 34 %, während sich der Anteil der Reservisten um
knapp 3 Prozentpunkte auf 5 % verringerte. Diese Tendenz dürfte
schon allein dem Umstand geschuldet sein, dass die für die Rückkehrer
vorgesehenen Befragungsunterlagen die Zeit-und Berufssoldaten
besser erreicht haben dürften als FWDL und Reservisten, die zum Teil
schon wieder aus dem aktiven Dienst der Bundeswehr ausgeschieden
waren.

1.4 Hypothesen
Grundlage der Hypothesenbildung sind zwei Umfragen: Die demoskopische
Untersuchung zum Thema „Was glauben die Deutschen?“,
deren empirische Daten im Auftrag von DS-DAS SONNTAGSBLATT
durch das EMNID-Institut, Bielefeld, mittels einer telefoni


9
Der zahlenmäßige Anteil dieser Gruppe ist sehr gering (N=20 für die Befragten
im Einsatz, N=17 für die Rückkehrer), so dass statistische Aussagen nur unter
Vorbehalt gemacht werden können.

26


schen Befragung in der Zeit vom 02. Mai bis zum 07. Mai 1997 erhoben
wurde.10 Der Gegenstand dieser Untersuchung war die Einstellung
zu Kirche und Religiosität im Allgemeinen. Die Bevölkerungsumfrage,
die das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (SOWI)
im Jahre 1997 durchführen ließ, beinhaltet demgegenüber ganz gezielt
Fragen bezüglich der Einstellung zur Militärseelsorge.11

1.4.1 Hypothesen bezüglich Einstellung der Soldaten zur Militärseelsorge
im Feldlager Rajlovac
Nach den Resultaten der EMNID-Untersuchung von 1997 beurteilen
es gut 81 % der bundesdeutschen Bevölkerung als positiv, dass es die
Kirche gibt. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt die Bevölkerungsumfrage
des SOWI von 1997: Insgesamt bewerten es gut 81 %
der Befragten als positiv, dass in der Bundeswehr ein Militär-bzw.

10
Grundgesamtheit der Untersuchung ist die erwachsene Bevölkerung der Bundesrepublik
Deutschland im Alter von 14 und mehr Jahren. Nach einem Zufallsverfahren
wurden Haushalte ausgewählt, in denen mit der Person ein Interview
durchgeführt wurde, die als erste im Jahr Geburtstag hat und 14 Jahre und älter ist.
Die vorgelegte Auswertung basiert auf 1 594 Interviews für West- und 405 für
Ostdeutschland. Die Interviews wurden über 420 sample points des ADM-Master-
Samples und damit über alle Bundesländer und Ortsgrößenklassen gestreut. Die
bei Random-Stichproben üblicherweise auftretenden strukturellen Abweichungen(Über-bzw. Unterrepräsentation bestimmter sozio-demographischer Gruppen)
wurden durch faktorielle Gewichtung ausgeglichen. Die Untersuchungsergebnisse
sind repräsentativ und können im Rahmen der statistischen Fehlertoleranzen auf
die Grundgesamtheit verallgemeinert werden. Weitere Ausführungen zur methodischen
Anlage der Untersuchung in WAS GLAUBEN DIE DEUTSCHEN: M1.

11
Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (SOWI) führt seit 1994
jährlich Bevölkerungsumfragen durch. Dabei geht es um die Haltung der Deutschen
zu Fragen von Sicherheitspolitik, Verteidigungspolitik und Bundeswehr.
Die Befragungen geschehen auf der Grundlage von im SOWI entwickelten Fragebogen
durch das Markt- und Meinungsforschungsinstitut INRA Deutschland
GmbH. Die Stichprobe umfasste im Jahre 1997 2 572 zufällig ausgewählte Personen,
die die deutsche Wohnbevölkerung ab 16 Jahren repräsentieren. Näheres zu
den Bevölkerungsumfragen des SOWI: Spangenberg 1998.


Soldatenseelsorgedienst vorhanden ist, in dem besondere Pfarrer für
die Betreuung der Soldaten eingesetzt werden.12

In der Bevölkerungsumfrage des SOWI wurde danach differenziert, in
welcher Beziehung die Befragten zur Bundeswehr stehen, und untersucht,
ob ein Zusammenhang zwischen der Einstellung zur Militärseelsorge
und der persönlichen Nähe zur Institution Bundeswehr
besteht. Dabei wurden drei Gruppen unterschieden.

Die erste Gruppe (direkter Kontakt) setzt sich aus denjenigen zusammen,
die selbst Wehrdienst leisten oder geleistet haben bzw. Zeit-oder
Berufssoldat sind oder waren. Zur zweiten Gruppe (indirekter Kontakt)
zählen diejenigen, die nähere Verwandte oder Freunde besitzen,
die in der Bundeswehr Dienst tun oder getan haben. Die dritte Gruppe
besitzt nicht die genannte direkte oder indirekte Nähe zur Bundeswehr.
Sie wird unter der Überschrift „kein Kontakt“ gefasst.

Die größte Zustimmung (knapp 84 %) erfährt Militärseelsorge bei
denjenigen, die indirekten Kontakt zur Bundeswehr haben, während
die entsprechenden Werte für die Befragten ohne Kontakt und mit
direktem Kontakt zur Bundeswehr fast gleich mit knapp 81 % bzw.
mit gut 80 % leicht darunter liegen. Nicht zutreffend ist die allgemeine
Annahme, dass die Befürwortung von Militärseelsorge zunimmt, je
intensiver der Kontakt zur Bundeswehr ist und somit auch die Gelegenheit,
Militärseelsorge persönlich zu erfahren.

Diese Erkenntnis ist für die Hypothesenbildung insofern von Bedeutung,
als es sich bei den Befragten im Bosnieneinsatz um Personen mit

12
Diese gleichstarke positive Bewertung sowohl von Kirche als auch von Militärseelsorge
lässt sich nuancieren. Während die Befürworter von Kirche nahezu
gleich stark für „stimme sehr zu“ und „stimme eher zu“ votieren (42 % bzw. gut
39 %), wird der Militärseelsorge die Bewertung „sehr gut“ deutlich seltener gegeben
als „eher gut“ (knapp 29 % bzw. knapp 53 %).

28


direkter Nähe zur Bundeswehr handelt. Es gilt jedoch zu berücksichtigen,
dass die besondere Situation im Einsatz, die bei vielen Soldaten
durch erhebliche Einschränkungen der persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten
und durch Trennung von der Familie und sonstigen
Bezugspersonen gekennzeichnet ist, eine größere Empfänglichkeit für
die Betreuungsangebote der Militärseelsorge bewirkt. Somit ist zu
vermuten, dass die Einstellung der Soldaten im Feldlager Rajlovac zur
dortigen Militärseelsorge positiver ausfällt als die der Befragten mit
direktem Kontakt zur Bundeswehr in der Bevölkerungsumfrage des
SOWI von 1997.

Bezogen auf Teilgruppen der befragten Soldaten im Bosnieneinsatz
wird davon ausgegangen, dass die Zustimmung zur Militärseelsorge
bei römisch-katholischen Befragten wesentlich höher ausfällt als bei
evangelischen. Während in früheren Jahren bei Katholiken eine
erheblich engere Bindung an die institutionalisierte Kirche bestand als
bei Protestanten,13 ist hier inzwischen eine Nivellierung eingetreten.14
Mit einer vorauszusetzenden größeren Kirchennähe der Katholiken
kann die Hypothese somit nicht begründet werden. Allerdings erschütterte
die mehrere Jahre andauernde und bisweilen sehr emotional
geführte öffentliche Debatte über Militärseelsorge nahezu ausschließlich
die evangelische Kirche und berührte die katholische kaum. Bei

13
In einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahre
1967 entschieden sich zugunsten der Aussage „Ich bin gläubiges Mitglied meiner
Kirche und stehe zu ihrer Lehre.“ 52 % der Katholiken und lediglich 28 % der
Protestanten. Die entgegengesetzte Aussage „Ich fühle mich als Christ, aber die
Kirche bedeutet mir nicht viel.“ wurde von 42 % der Protestanten und von 27 %
der Katholiken bejaht (Schmidtchen 1973: 264f.).

14
Dreißig Jahre nach der Repräsentativumfrage des IfD ergab die EMNID-
Untersuchung von 1997 nahezu eine Übereinstimmung bei Evangelischen und
Katholiken in der Haltung zur Kirche. Der Aussage „Auf die Fragen, die mich
wirklich bewegen, haben die Kirchen keine Antwort.“ stimmen zwar knapp 59 %
der Evangelischen und knapp 56 % der Katholiken zu. Trotzdem ist die grundsätzliche
Haltung der Angehörigen beider Konfessionen zur Existenz von Kirche
(„Ich finde es gut, dass es die Kirche gibt.“) überaus positiv. Mit einem leichten
Vorsprung bejahten die Protestanten diese Aussage zu knapp 90 % vor den Katholiken
mit knapp 88 % (WAS GLAUBEN DIE DEUTSCHEN: 86).


denjenigen, die einer anderen oder keiner Religionsgemeinschaft angehören,
dürfte die Sympathie für Militärseelsorge erheblich geringer
ausfallen als bei Kirchenmitgliedern, da das Recht, Militär-bzw.
Soldatenpfarrer einzusetzen, nur den beiden Volkskirchen zusteht. Es
ist davon auszugehen, dass die konfessionsgebundenen Soldaten zwar
voraussetzen, dass die Militärpfarrer für ihre religiöse Betreuung da
sind, sie in der Regel aber nicht eifersüchtig darüber wachen, dass sie
nicht auch Außenstehenden zugute kommt. Hingegen ist nicht anzunehmen,
dass Soldaten, die keiner Kirche oder einer anderen Religionsgemeinschaft
angehören, die Militärseelsorge als eine für sie
bestimmte Einrichtung ansehen.

Auch ist zu vermuten, dass die Einstellung zur Militärseelsorge in
Ostdeutschland deutlich negativer ausfällt als in Westdeutschland.
Dies entspräche der Haltung in der Bevölkerung zur Kirche.15 Ebenso
dürften sich die atheistische Beeinflussung, die über Jahrzehnte zur
Staatsdoktrin der DDR gehörte, und die vehemente staatliche Diffamierung
der westdeutschen Militärseelsorge auf diese Weise auswirken.
Auch gehört ein erheblich geringerer Anteil der Bevölkerung in
den neuen Bundesländern zu einer Religionsgemeinschaft, als dies in
den alten Bundesländern der Fall ist (knapp 31 % bzw. knapp 91 %).16
Weiterhin kam die Kritik am westdeutschen Militärseelsorge-Modell
zwar nicht ausschließlich, aber doch vornehmlich aus den ostdeutschen
Landeskirchen.17

15
Der Aussage „Ich finde es gut, dass es die Kirche gibt.“ stimmten in der EMNID-
Befragung aus dem Jahre 1997 84,1 % der Westdeutschen und 69,4 % der Ostdeutschen
zu (WAS GLAUBEN DIE DEUTSCHEN: 85). Vgl. auch Engelhardt u. a. 1997:
264f.

16
Die EMNID-Befragung aus dem Jahre 1997 nennt folgende Zahlen für die Religionsbzw.
Konfessionszugehörigkeit in West- bzw. Ostdeutschland: evangelisch 43, 9 %
bzw. 26,5 %, katholisch 43,1 % bzw. 3,7 %, andere 3,3 % bzw. 0,6 %, keine 9,2 %
bzw. 69,2 % (WAS GLAUBEN DIE DEUTSCHEN: 113).

17
Zur westdeutschen Kritik an der Militärseelsorge: Martin 1989; Martin 1997; Müller-
Kent 1990. Zur ostdeutschen Kritik an der Militärseelsorge: DOKUMENTATION24a/91; DOKUMENTATION 25/92; DOKUMENTATION 4/93; MILITÄRSEELSORGE
I-III; SEELSORGE FÜR SOLDATEN.


Im Hinblick auf das Lebensalter wird angenommen, dass die positive
Einstellung zur Militärseelsorge mit zunehmendem Alter wächst, weil
im Allgemeinen die Nähe zu Kirche und Religion mit zunehmendem
Alter größer wird.18

In der Regel wird davon ausgegangen, dass mit zunehmendem Bildungsgrad
die Distanz zu Kirche und Religion wächst.19 Folglich wird
auch die Einstellung zur Militärseelsorge umso zurückhaltender ausfallen,
je höher der Bildungsgrad der Befragten ist.

Zusätzlich zu Konfession, Alter und regionale Herkunft wurde in die
Erhebungen im Auslandseinsatz das militärspezifische Differenzierungskriterium
Dienstgradgruppe aufgenommen.

Bei den Dienstgradgruppen wurde unterschieden nach Mannschaften,
Unteroffizieren ohne und mit Portepee, Offizieren und Stabsoffizieren.
Es wird angenommen, dass mit steigendem Dienstgrad die Zu


18
Diese Tendenz belegt ebenfalls deutlich die EMNID-Untersuchung aus dem Jahre
1997. Der Aussage „Ich finde es gut, dass es die Kirche gibt.“ stimmten nach Lebensalter
zu: 14–29 Jahre 73,2 %, 30–39 Jahre 74,7 %, 40–49 Jahre 84,2 %, 50–59 Jahre
84,4 %, 60 Jahre und älter 88,4 %. (WAS GLAUBEN DIE DEUTSCHEN: 85). Zum
Thema Jugend und Religion wurde im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen
Jugend in der Bundesrepublik Deutschland (aej) der umfangreiche Forschungsbericht
„Jugend und Religion“ vorgelegt (Barz 1992a, 1992b, 1993). Bezüglich der
Evangelischen in Westdeutschland wird in der dritten EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft
aus dem Jahre 1992 festgestellt: „Blickt man auf die Antwortverteilung
zur kirchlichen Verbundenheit in Westdeutschland, so tritt die geringere Kirchenbindung
der Jüngeren hier sehr viel deutlicher hervor, sie belegen die klar ‚positiv‘ konnotierten
Verbundenheitsgrade mit Abstand weniger und die ‚negativen‘ entsprechend
stärker als die älteren Evangelischen. So fühlen sie sich nur zu 23 % sehr bzw. ziemlich,
aber zu 39 % kaum bzw. gar nicht mit der Kirche verbunden, während sich beiden Älteren demgegenüber ein Verhältnis vom 51 % zu 17 % ergibt.“ (Engelhardt u. a.
1997: 273). Vgl. auch Hild 1974; Jörns 1997: 40ff.; Schmidtchen 1973a; Schmidtchen
1973b; Schmidtchen 1979: 34ff.

19
Dies wird deutlich belegt in der EMNID-Befragung aus dem Jahre 1997. Der
Aussage „Ich finde es gut, dass es die Kirche gibt.“ stimmten zu: Befragte mit
Volksschulbildung ohne Lehre 89,1 %, Befragte mit Volksschulbildung mit Lehre
82,2 %, Befragte mit mittlerem Bildungsabschluss 79,9 % und Befragte mit Abitur
oder Universitätsbildung 74,5 % (WAS GLAUBEN DIE DEUTSCHEN: 85).
Vgl. dazu auch Hild 1994: 202; Engelhardt u. a. 1997: 293f.


stimmung zur Militärseelsorge zunimmt. Dafür können verschiedene
Gründe angeführt werden. Die Zugehörigkeit zu einer höheren
Dienstgradgruppe bedingt in der Regel ein höheres Dienst-und
Lebensalter und längere Zugehörigkeit zur Institution Bundeswehr.
Zusätzlich zu der oben dargelegten Annahme, dass mit höherem Alter
auch die Befürwortung von Militärseelsorge tendenziell steigt, dürften
gerade Unteroffiziere m.P. und Offiziere, die Verantwortung für eine
Vielzahl von Menschen tragen, die Unterstützung der Militärseelsorge
begrüßen. Es ist jedoch mit der Intervention einer gegenläufigen
Tendenz zu rechnen, da ein höherer Dienstgrad in der Regel auch mit
einem höheren Bildungsniveau verbunden ist. Wie oben dargelegt
wächst mit steigendem Dienstgrad die Distanz zu Kirche und Religion.
Falls sich die konkurrierenden Einflüsse nicht in ihrer Wirkung
aufheben sollten, ist mit einer leichten Tendenz dahin gehend zu rechnen,
dass mit höherem Dienstgrad die Zustimmung zur Militärseelsorge
wächst, weil diese einen positiven Einfluss auf die Menschenführung
mit sich bringt.

1.4.2 Hypothesen bezüglich der Bedeutung von Religion als Lebensbewältigungsstrategie
für die Soldaten im Feldlager Rajlovac
Die Hypothesenbildung im Hinblick auf die Frage nach der Bedeutung
von Religion als Lebensbewältigungsstrategie für die Soldaten
im Feldlager Rajlovac bezieht sich auf das Item „Ich möchte mit Hilfe
des Glaubens ein sinnvolles Leben führen.“ aus der EMNID-
Befragung von 1997.

Diese Aussage geht über die rituelle, die ideologische und die intellektuelle
Dimension des Glaubens im Sinne von Charles Glock hinaus
und umfasst am ehesten das religiös motivierte Verhalten von Mensch
zu Mensch („soziale Konsequenzen der Religiosität“) und das Bedürfnis
nach Sinnsuche, die Bewältigung von Irrationalität und das Emp



finden von Zuversicht, Vertrauen und Geborgenheit gegenüber einer
göttlichen Macht angesichts von Krisen und Konflikten („religiöses
Erleben“).

In der EMNID-Untersuchung von 1997 bejahen gut 52 % der Befragten
die Aussage: „Ich möchte mit Hilfe des Glaubens ein sinnvolles
Leben führen.“ Es ist zu vermuten, dass auch die Einstellung der befragten
Soldaten im Feldlager Rajlovac zu einem vergleichbaren Ergebnis
kommt und dass aufgrund der längeren Erfahrungen im Einsatz,
aber auch des zeitlichen Abstandes dazu, die zweite Befragung
dies noch deutlicher zum Ausdruck bringt als die erste.


Tabelle 1: Ich möchte mit Hilfe des Glaubens ein sinnvolles Leben
führen

ja nein keine Angabe
total 52,2 46,1 1,8
evangelisch 58,8 39,8 1,4
katholisch 65,2 32,9 1,9
andere Konfession 73,0 24,0 3,0
keine 16,0 82,4 1,6
14–29 40,0 58,7 1,3
30–39 44,9 54,4 0,7
40–49 50,3 47,0 2,6
50–59 59,4 39,4 1,2
60+ 64,1 33,2 2,8
West 57,9 40,3 1,8
Ost 29,6 68,9 1,5
Volksschule 63,0 34,1 2,8
mittl. Abschluss 48,8 49,2 1,9
Abi, Uni 42,4 56,5 1,1

Quelle: WAS GLAUBEN DIE DEUTSCHEN (eigene Berechnungen, Angaben
in %)

Im Hinblick auf die religiöse Orientierung zeigt die EMNID-
Untersuchung, dass die stärkste Bejahung bei den Befragten vorhanden
ist, die zwar religiös gebunden sind, aber nicht einer der beiden
großen Kirchen angehören (73 %). Ihnen folgen die Katholiken mit
gut 65 % und die Evangelischen mit knapp 59 %. Die Konfessionslosen
kommen lediglich auf 16 %, sie lehnen hingegen die Aussage, mit
Hilfe des Glaubens ein sinnvolles Leben führen zu wollen zu gut 82 %
ab.


Dieses Ergebnis dürfte in der Tendenz auch bei den Soldaten im
Bosnieneinsatz zu erwarten sein. Es ist durchaus plausibel, dass diejenigen,
die einer Religionsgemeinschaft angehören, Religion stärker als
Lebensbewältigungsstrategie in Anspruch nehmen, als dies bei Konfessionslosen
der Fall ist.

In der EMNID-Untersuchung von 1997 wurde nicht erhoben, wie
ausgeprägt die religiöse Sozialisation der Befragten war. Es ist jedoch
davon auszugehen, dass Religion als Lebensbewältigungsstrategie um
so eher eine Rolle spielt, je stärker der Betreffende in seiner Kindheit
durch Religion geprägt wurde.

In der EMNID-Untersuchung „Was glauben die Deutschen“ nimmt
die Zustimmung zu der Aussage „Ich möchte mit Hilfe des Glaubens
ein sinnvolles Leben führen.“ mit zunehmendem Alter deutlich zu.
Die 14- bis 29-Jährigen bejahen diesen Satz zu 40 %, knapp 59 lehnen
ihn ab. Die 30- bis 39-Jährigen stimmen ihm mit knapp 45 % zu und
lehnen ihn mit gut 54 % ab. Bei den 40- bis 49-Jährigen vollzieht sich
eine Wende. Dort ist die Zustimmung mit gut 50 % stärker als die
Ablehnung mit 47 %. Noch deutlicher stimmen die 50- bis 59-Jährigen
mit gut 59 % zu und lehnen mit gut 39 % ab, gefolgt von den
über 60-Jährigen mit gut 64 % Zustimmung und gut 33 % Ablehnung.

Analog dürfte auch bei den Soldaten im Bosnieneinsatz die Bedeutung
von Religion als Lebensbewältigungsstrategie mit zunehmendem
Lebensalter steigen.

In der EMNID-Untersuchung tritt ein deutliches Gefälle zwischen
Befragten aus Ost-und Westdeutschland in der Einstellung zur Aussage
„Ich möchte mit Hilfe des Glaubens ein sinnvolles Leben führen.“
zu Tage. Während die Befragten aus den alten Bundesländern
dieser Aussage zu knapp 58 % zustimmen, trifft sie in den neuen
Bundesländern auf überwiegende Ablehnung (knapp 69 %). Folglich


dürfte Religion als Hilfe zur Lebensbewältigung bei den ostdeutschen
Soldaten im Bosnieneinsatz eine erheblich geringere Rolle spielen als
bei ihren westdeutschen Kameraden.

Auch hinsichtlich der formalen Bildung der Befragten zeigt sich ein
deutliches Gefälle im Antwortverhalten. Die EMNID-Untersuchung
von 1997 differenziert zwischen Volksschule ohne Lehre, Volksschule
mit Lehre, mittlerem Abschluss und Abitur bzw. Universitätsabschluss.
Befragte, die einen Volksschulabschluss ohne Lehre besitzen,
stimmen der Aussage „Ich möchte mit Hilfe des Glaubens ein
sinnvolles Leben führen.“ zu 63 % zu. Die Zustimmung bei Volksschulabschluss
mit Lehre beträgt gut 55 %, bei mittlerem Abschluss
knapp 49 % (Ablehnung ebenso hoch) und bei Befragten mit Abitur
bzw. Universitätsabschluss nur noch gut 42 % (Ablehnung knapp
56 %). Also dürfte auch bei den Soldaten im Bosnieneinsatz die
Bedeutung von Religion als Lebensbewältigungsstrategie in der Tendenz
abnehmen je höher der formale Bildungsabschluss der Befragten
ist.

Bezüglich des militärspezifischen Differenzierungskriteriums Dienstgradgruppe
liegen in der EMNID-Untersuchung von 1997 für die
Aussage „Ich möchte mit Hilfe des Glaubens ein sinnvolles Leben
führen.“ keine Ergebnisse vor. Jedoch wird vermutet, dass sich mit
steigendem Dienstgrad die Zustimmung zu diesem Satz tendenziell
kaum verändert. Die Zugehörigkeit zu einer höheren Dienstgradgruppe
bedingt in der Regel ein höheres Dienst- und Lebensalter,
längere Zugehörigkeit zur Institution Bundeswehr und in vielen Fällen
auch eine höhere formelle Bildung. Wie die vorhergehenden Ausführungen
zeigen, nimmt mit höherem Lebensalter die Zustimmung zu
dem Satz „Ich möchte mit Hilfe des Glaubens ein sinnvolles Leben
führen.“ zwar zu. Dies dürfte jedoch dadurch ausgeglichen werden,
dass mit steigendem Bildungsgrad die Zustimmung wiederum ab



nimmt. Religion als Hilfe zur Lebensbewältigung wird somit in allen
Dienstgradgruppen eine ähnlich große Rolle spielen.

2
Die Einstellung der Soldaten zur Militär-/Soldatenseelsorge
im Feldlager Rajlovac

2.1
Welche religiösen Bindungen bestehen bei den Soldaten?
Um die Voraussetzungen beschreiben zu können, unter denen die
Militär-/Soldatenseelsorge im Feldlager Rajlovac arbeitete, wurden
von den Befragten Angaben über Religionszugehörigkeit und religiöse
Sozialisation erhoben.

Gut drei Viertel der Teilnehmer beider Befragungen gehörten einer
der großen Kirchen an. In der Befragung während des Einsatzes waren
etwa die Hälfte katholisch, nicht ganz 30 % evangelisch und gut 20 %
konfessionell nicht gebunden.

Bei der Rückkehrerbefragung verschoben sich die konfessionellen
Anteile: Die Zahl der Evangelischen ist hier um gut 4 Prozentpunkte
höher und beträgt gut 32 %, die der Katholiken sank um knapp
7 Prozentpunkte auf 43 %, die der Konfessionslosen stieg um knapp
2 Prozentpunkte auf gut 23 %.


Abb. 1: Konfession
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %
)


60
50
40
30
20
10
0

Einsatz
Rückkehrer
evang. kath. keine andere


Einsatz
%
Rückkehrer
%
Einsatz
N
Rückkehrer
N
evangelisch 28,2 32,3 66 218
katholisch 49,6 43,0 116 290
keine 21,8 23,4 51 158
andere 0,4 1,2 1 8
Summe N 234 674

Die Soldaten wurden auch hinsichtlich ihrer religiösen Sozialisation
um Auskunft gebeten. Gefragt wurde, ob sie getauft, konfirmiert bzw.
gefirmt wurden, ob sie am Kindergottesdienst und an kirchlichen Kinder-
und Jugendgruppen teilgenommen haben und ob sie Ministranten
waren. Zudem wurde die Antwortmöglichkeit „ich hatte in meiner
Kindheit/Jugend keinen Kontakt zu Kirche und Religion“ angeboten.


Dabei zeigt die Teilnahme an kirchlichen Kinder- und Jugendgruppen
sowie am Kindergottesdienst einen engeren Kontakt zur Kirche an,
während Taufe, Konfirmation und Firmung für eine lockere volkskirchliche
Bindung stehen. Ministrant zu sein, bedeutet hingegen eine
verhältnismäßig enge Beziehung zur katholischen Kirche und zu
ihrem Gottesdienst.

Bei der Befragung im Einsatz gaben knapp 87 % der befragten Soldaten
an, getauft zu sein, gut 84 % waren konfirmiert bzw. gefirmt.
Gut 2/3 der Befragten haben den Kindergottesdienst besucht und gut
1/3 war in einer Kinder- oder Jugendgruppe aktiv gewesen. Auf eine
Tätigkeit als Ministrant blicken gut 26 % zurück. Etwas mehr als
20 % hatten in Kindheit und Jugend keinen Kontakt zu einer Kirche
gehabt.20

Die Rückkehrerbefragung zeigt im Wesentlichen das gleiche Bild.
Lediglich der Anteil derjenigen, die Ministrant gewesen sind, ist um
gut 5 Prozentpunkte gesunken. Dies ist die unmittelbare Auswirkung
davon, dass der Anteil der Katholiken bei der zweiten Befragung um
7 Prozentpunkte zurückgegangen war.

20
Da die Zahl der Nichtgetauften lediglich gut 13 % und der Nichtkonfirmierten
bzw. Nichtgefirmten knapp 16 % beträgt, kann man den Schluss ziehen, dass von
manchen der Befragten die Teilnahme an den volkskirchlichen Veranstaltungen
Taufe, Konfirmation und Firmung so wenig intensiv erlebt wurde, dass sie dies
nicht als „Kontakt“ zur Kirche deklarieren.


Abb. 2: Religiöse Sozialisation
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %
)


0
20
40
60
80
100
Einsatz
Rückkehrer
getauft
Kinder-Minis-konfor-Kinder-, keinen
gottes-trant miert Jugend-Kontakt
dienst gewesen bzw. gruppe gehabt
besucht gefirmt

Einsatz
%
Rückkehrer
%
Einsatz
N
Rückkehrer
N
getauft 86,7 87,5 202 579
Kindergottesdienst besucht
67,4 67,0 153 423
Ministrant gewesen 26,2 21,1 56 123
konfirmiert bzw. gefirmt 84,3 82,2 193 530
Kinder-, Jugendgruppe 35,9 35,5 80 216
keinen Kontakt gehabt 20,3 20,8 44 120


2.2 Wie bekannt sind die Militärpfarrer bei den Soldaten?
In Frage VII/5 wurde erhoben, bei welcher Gelegenheit die Befragten
einem Militär- bzw. Soldatenpfarrer begegnet sind. Die Antwortvorgaben
lauteten: „eher zufällig“, „durch seelsorgliche ‚Öffentlichkeitsarbeit‘
(Keiler, Radio Andernach)“, „durch Veranstaltungen der
Pfarrer“, „im persönlichen Gespräch“, „durch die Teilnahme der Pfarrer
an dienstlichen Gesprächsrunden“, „bei sozialen Aufgaben, die der
Pfarrer wahrnimmt“, „gar nicht“ und „anderes“. Bei der Rückkehrerbefragung
wurde die Kategorie „Gottesdienst“ zusätzlich aufgenommen.


Aus den Antworten geht hervor, dass die Militärpfarrer den meisten
Soldaten im Feldlager persönlich bekannt sind. In der ersten Befragung
gaben knapp 17 % der Befragten an, dass sie noch keinem der
Pfarrer begegnet waren. Die Rückkehrerbefragung weist nur noch gut
12 % der Befragten aus, die während ihres Einsatzes keine Begegnung
mit den Pfarrern hatten. Dieser Anteil ist somit um gut 4 Prozentpunkte
zurückgegangen.

Dieses Ergebnis ist nicht verwunderlich, da die Pfarrer zusammen mit
den Soldaten in dem umgrenzten Bereich des Feldlagers über längere
Zeit zusammenlebten und äußerlich als solche erkennbar waren. Zudem
waren die Pfarrer bestrebt, möglichst häufig in Erscheinung zu
treten und für die Soldaten ansprechbar zu sein. Die zusätzliche Zeit,
die nach der ersten Befragung bis zum Ende des Einsatzes zur Verfügung
stand, brachte es mit sich, dass sich der Bekanntheitsgrad der
Pfarrer erhöhte.

Die Begegnungen geschahen in den meisten Fällen zufällig, ohne dass
es eines besonderen Anlasses bedurfte. Dies geht übereinstimmend
aus beiden Befragungen hervor (Befragung im Einsatz: knapp 42 %;
Rückkehrerbefragung: gut 41 %).


Abb. 3: Bei welcher Gelegenheit sind Sie einem Militär- bzw. Soldatenpfarrer
begegnet? (in %)
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer

0 10 20 30 40 50
Einsatz
Rückkehrer
eher zufällig
Gottesdienst
persönliches Gespräch
„Öffentlichkeitsarbeit“
Veranstaltungen der Pfarrer
gar nicht
soziale Aufgaben
anderes
dienstl. Gesprächsrunden
Einsatz Rückkehrer Einsatz Rückkehrer
% % N N
41,8 41,1 100 281
[7,1] 32,8 [17] 224
18,4 27,7 44 189
10,5 20,9 25 143
21,8 19,8 52 135
16,7 12,3 40 84
7,9 11,1 19 76
13,4 9,8 32 67
3,3 6,4 8 44

1 eher zufällig
Gottesdienst
4 pers. Gespräch
2 „Öffentlichkeitsarbeit“
3 Veranstaltungen
der Pfarrer
7 gar nicht
6 soz. Aufgaben
8 anderes
5 dienstliche Gesprächsrunden



Am zweithäufigsten (fast 22 %) wurden in der ersten Befragung Veranstaltungen,
die die Pfarrer durchführten, genannt. Unter der Rubrik
„anderes“ nannte eine erhebliche Zahl von Befragten (gut 7 %) ausdrücklich
die Gottesdienste als Ort der Begegnung mit den Militärpfarrern.
Aus diesem Grunde wurde in der Rückkehrerbefragung die
Kategorie „Gottesdienst“ zusätzlich angeführt. Sie erreicht mit knapp
33 % den zweithöchsten Wert bei dieser Frage in der Rückkehrerbefragung.


An dritter Stelle der Häufigkeiten folgt in beiden Befragungen das
Item „im persönlichen Gespräch“. Bei der Befragung im Einsatz
kreuzten es gut 18 % an, bei der Rückkehrerbefragung knapp 28 %. Es
ist somit ein Zuwachs von mehr als 9 Prozentpunkten zu verzeichnen.
Die Gesprächskontakte der Soldaten mit den Militärpfarrern haben
somit in der zweiten Hälfte des Einsatzes noch kräftig zugenommen.

Nahezu verdoppelt hat sich der Anteil derer, die den Militär- bzw.
Soldatenpfarrern durch deren „seelsorgliche ‚Öffentlichkeitsarbeit‘
(Keiler, Radio Andernach)“ begegnet sind. Bei der Befragung während
des Einsatzes gaben lediglich knapp 11 % an, diese Beiträge in
Presse und Rundfunk des Lagers wahrgenommen zu haben. Bei der
Rückkehrerbefragung waren es immerhin knapp 21 %.

Ein leichter Rückgang ist beim Item „durch Veranstaltungen der Pfarrer“
zu verzeichnen (Einsatzbefragung: knapp 22 %; Rückkehrerbefragung:
knapp 20 %). Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei der
Rückkehrerbefragung zusätzlich das Item Gottesdienst angeboten
wurde. Gleiches gilt für die Abnahme der Rubrik „anderes“. Bei der
Befragung im Einsatz erfolgte hier 17 mal (gut 7 %) die Nennung
„Gottesdienst“.

Zwar mit steigender Tendenz, jedoch am wenigsten häufig, wurden
die Items „soziale Aufgaben“ (EB: knapp 8 %; RB: gut 11 %) und


„dienstliche Gesprächsrunden“ (EB: gut 3 %; RB: gut 6 %) als Gelegenheiten
genannt, bei denen die Befragten einem Militär- bzw. Soldatenpfarrer
begegnet waren. Das zeigt, dass die vorhandenen sozialen
Aktivitäten den meisten Soldaten entweder überhaupt nicht, oder zumindest
nicht als Sache, die maßgeblich auf die Initiative der Militärpfarrer
zurückgehen, ins Bewusstsein getreten sind. An dieser Stelle
könnte die Militärseelsorge deutlicher gegenüber den Soldaten in
Erscheinung treten und auch um deren soziales Engagement werben.

Etwas anderes gilt für die Beteiligung der Pfarrer an dienstlichen
Gesprächsrunden. Hier kann deren Außenwirkung nur verhältnismäßig
gering sein, da sich diese Veranstaltungen lediglich an einen
begrenzten Teilnehmerkreis richten, der hier Kontakt zu den Militärpfarrern
bekommen kann.

2.3
Was halten die Soldaten von der Militärseelsorge im Lager
Rajlovac?
Die Befragten waren aufgefordert worden, sich zu der Aussage im
Fragebogen „Im Feldlager Rajlovac gibt es einen Militär- bzw. Soldatenseelsorgedienst,
in dem besondere Pfarrer für die Betreuung der
Soldaten eingesetzt werden.“ zu äußern. In der ersten Befragung gaben
knapp 89 % an, dass sie dies gut fänden, eine verschwindend geringe
Zahl von weniger als 1 % kreuzte „nicht gut“ an, immerhin
knapp 11 % waren sich unschlüssig („weiß nicht“), was sie von der
Militärseelsorge zu halten hätten. Bei der Rückkehrerbefragung ist
eine Verschiebung zwischen den Bewertungen „gut“ (Abnahme um
knapp 7 Prozentpunkte auf knapp 82 %) und „weiß nicht“ (Zunahme
um knapp 6 Prozentpunkte auf knapp 17 %) zu registrieren. Die Werte
für „nicht gut“ sind hingegen nahezu gleich geblieben.


Abb. 4: Einstellung zur Militärseelsorge im Lager Rajlovac
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %)

100
80
60
40
20
0

Einsatz
Rückkehrer
gut nicht gut weiß nicht


Militärseelsorge im Lager Rajlovac finde ich ...

Einsatz
%
Rückkehrer
%
Einsatz
N
Rückkehrer
N
gut 88,5 81,6 208 540
nicht gut 0,9 2,0 2 13
weiß nicht 10,6 16,5 25 109
Summe N 235 662

Während bei der Erstbefragung bezüglich der Befürwortung von
Militärseelsorge im Lager Rajlovac kein Unterschied im Antwortverhalten
von Kirchenmitgliedern und von Soldaten, die keiner Religionsgemeinschaft
angehören, festzustellen war, zeigt sich bei der
Rückkehrerbefragung ein deutlicher Zusammenhang zwischen Befür



wortung von Militärseelsorge im Lager Rajlovac und Konfessionszugehörigkeit.
Evangelische und Katholiken äußern sich zwar etwas
schwächer aber auf ähnlichem Niveau wie bei der Befragung im Einsatz
positiv zur Militärseelsorge (gut 82 % bzw. knapp 88 %). Um
knapp 19 Prozentpunkte niedriger liegt jedoch die Befürwortung
durch die Konfessionslosen (gut 69 %). Die wesentlichen Zuwächse
gehen zugunsten der Kategorie „weiß nicht“, die bei den Katholiken
nahezu konstant bleibt, bei den Evangelischen um gut 5 Prozentpunkte
auf 16 % zulegt und bei den Konfessionslosen um 15 Prozentpunkte
auf knapp 29 % wächst.21

Tabelle 2: Den Militär-/Soldatenseelsorgedienst im Feldlager Rajlovac
finde ich ... (nach Konfession)

evangelisch katholisch keine Religionsgemeinschaft
EB
N
%
RB
N
%
EB
N
%
RB
N
%
EB
N
%
RB
N
%
gut 56
86,2
174
82,1
101
89,4
246
87,5
45
88,2
106
69,3
nicht gut 2
3,1
4
1,9
0
0
3
1,1
0
0
6
3,9
weiß
nicht
7
10,8
34
16,0
12
10,6
32
11,4
6
11,8
41
26,8

EB=Einsatzbefragung; RB=Rückkehrerbefragung

21
Bei der statistischen Überprüfung der Kreuzvergleiche wird lediglich hinsichtlich
der Rückkehrerbefragung die Abhängigkeit der Variable „Einstellung zur Militärseelsorge“
von der Religionszugehörigkeit der Befragten bestätigt. Der dazugehörige
Chi-Quadrat-Test weist die Nullhypothese deutlich zurück (ChiSquare/
Pearson: Value 24,144, df 6, Significance ,000 [!]). Bezogen auf die Befragung
im Einsatz kann die Nullhypothese nicht verworfen werden (ChiSquare/
Pearson: Value 5,29468, df 6, Significance ,50661), die beobachteten Häufigkeiten
können nicht mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit als zufällig interpretiert
werden.

46


Ähnliches lässt sich im Hinblick auf die regionale Herkunft der
Befragten aussagen. In der ersten Befragung war die positive Haltung
zur Militärseelsorge bei den Soldaten aus den neuen Bundesländern
nur unwesentlich geringer ausgeprägt als bei Soldaten, die aus dem
Westen stammen (86 % bzw. 89 %). Bei der Rückkehrerbefragung
zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Befürwortung von
Militärseelsorge im Lager Rajlovac und regionaler Herkunft. Befragte
aus den neuen Ländern befürworten die Militärseelsorge mit knapp
75 % deutlich schwächer als bei der Befragung im Einsatz. Während
bei der Befragung im Einsatz sich keiner ablehnend äußerte, stimmen
bei der zweiten Befragung gut 3 % mit „nicht gut“. Der stärkste Zuwachs
von knapp 8 Prozentpunkten fällt an die Kategorie „weiß nicht“
(knapp 22 %).22

22
Wie bei der statistischen Überprüfung der Kreuzvergleiche „Einstellung zur Militärseelsorge“
und Konfession wird auch hier lediglich hinsichtlich der Rückkehrerbefragung
die Abhängigkeit der Variable „Einstellung zur Militärseelsorge“
von der regionalen Herkunft der Befragten bestätigt. Der dazugehörige Chi-
Quadrat-Test weist die Nullhypothese zurück (Chi-Square/Pearson: Value 7,848,
df 4, Significance ,097). Bezogen auf die Befragung im Einsatz kann die Nullhypothese
ebenfalls nicht verworfen werden (Chi-Square/Pearson: Value 1,18710,
df 4, Significance ,88022), die beobachteten Häufigkeiten können nicht mit hinreichend
großer Wahrscheinlichkeit als zufällig interpretiert werden.


Tabelle 3: Den Militär-/Soldatenseelsorgedienst im Feldlager Rajlovac
finde ich ... (nach regionaler Herkunft)

neue Bundesländer alte Bundesländer
EB
N
%
RB
N
%
EB
N
%
RB
N
%
gut 37
86,0
109
74,7
161
89,0
418
83,9
nicht gut 0
0
5
3,4
2
1,1
8
1,6
weiß nicht 6
14,0
32
21,9
18
9,9
72
14,5

EB=Einsatzbefragung; RB=Rückkehrerbefragung

Die Befragten aus den alten Bundesländern befürworten die Militärseelsorge
im Lager Rajlovac mit knapp 84 % zwar deutlich stärker als
ihre Kameraden aus den neuen Ländern. Jedoch fällt auch hier das
Ergebnis der Rückkehrerbefragung für die Kategorie „gut“ um 5 Prozentpunkte
ab, während „weiß nicht“ ebenso stark zulegt.23

23
Wie bei der statistischen Überprüfung der Kreuzvergleiche „Einstellung zur Militärseelsorge“
und Konfession wird auch hier lediglich hinsichtlich der Rückkehrerbefragung
die Abhängigkeit der Variable „Einstellung zur Militärseelsorge“
von der regionalen Herkunft der Befragten bestätigt. Der dazugehörige Chi-
Quadrat-Test weist die Nullhypothese zurück (Chi-Square/Pearson: Value 7,848,
df 4, Significance ,097). Bezogen auf die Befragung im Einsatz kann die Nullhypothese
jedoch nicht verworfen werden (Chi-Square/Pearson: Value 1,18710,
df 4, Significance ,88022), so dass es sich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit um
ein zufälliges Ergebnis handelt, welches keine Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit
zulässt.

48


Tabelle 4: Den Militär-/Soldatenseelsorgedienst im Feldlager Rajlovac
finde ich ... (nach Dienstgradgruppe)

Mannschaften
Unteroff.
o.P.
Unteroff.
m.P. Offiziere Stabsoffiziere
EB RB EB RB EB RB EB RB EB RB
N N N N N N N N N N
% % % % % % % % % %
gut 73
90,1
104
74,8
23
82,1
85
71,4
50
87,7
217
83,9
38
88,4
73
89,0
22
95,7
59
95,2
nicht
gut
0
0
4
2,9
1
1,1
4
3,4
0
0
5
1,9
1
2,3
0
0
0
0
0
0
weiß 8 31 4 30 7 35 4 9 1 3
nicht 9,9 22,3 14,3 25,2 12,3 13,6 9,3 11,0 4,3 4,8

EB=Einsatzbefragung; RB=Rückkehrerbefragung

Anders als angenommen zeigt sich hinsichtlich der Dienstgradgruppen
die deutliche Tendenz, dass mit steigendem Dienstgrad die Zustimmung
zur Militär-/Soldatenseelsorge im Feldlager Rajlovac wächst.24
Die Akzeptanz durch Mannschaften und Unteroffiziere ohne Portepee
ist verhältnismäßig niedrig bei knapp 75 % bzw. gut 71 %. Bei den
Unteroffizieren mit Portepee liegt sie bereits bei gut 84 % und bei den
Offizieren bei 89 %. Bei den Stabsoffizieren erreicht die positive Einstellung
zur Militärseelsorge einen Spitzenwert von gut 95 %. Der
Grund für diesen Trend, dass Unteroffiziere mit Portepee, Offiziere
und Stabsoffiziere durch die Militärseelsorge entgegen der hypothetischen
Annahme besonders angesprochen werden, mag darin liegen,
dass diese Gruppe die meiste Unterstützung bei der Bewältigung ihrer
Aufgaben der Menschenführung im Auslandseinsatz durch die Militärpfarrer
erfährt. Dem wird im weiteren Verlauf der Untersuchung
nachzugehen sein. Auf jeden Fall stellt dies auch einen Hinweis für

24
Diese Aussage trifft für beide Befragungen zu, jedoch ist die Einsatzbefragung
auch in diesem Fall statistisch nicht zuverlässig.


die Arbeit der Militär-/Soldatenseelsorge dar, besonderes Augenmerk
auf die Gruppe der Mannschaften und Unteroffizieren ohne Portepee
zu richten.

Während in Frage VII/4 die Meinung der Soldaten zur Militärseelsorge
im Feldlager Rajlovac im Allgemeinen erhoben wurde, geht in der
Erhebung während des Einsatzes25 Frage VII/7 „Ich nenne Ihnen verschiedene
Aussagen zur Militärseelsorge im Lager Rajlovac. Wie ist
Ihre persönliche Einstellung zu diesen Aussagen?“ auf vier besondere
Aspekte ein.

Dies ist zum einen die persönliche Haltung zu der Tatsache, dass sich
zwei Pfarrer im Lager befinden. Hinzugefügt wird ausdrücklich – und
dies ist die Modifizierung zur Fragestellung aus VII/4 –, dass es bei
der Beantwortung nicht darauf ankomme, ob man selbst den Dienst
der Pfarrer in Anspruch nehme.

Der zweite Gesichtspunkt zielt darauf ab, wem der Dienst der Militärpfarrer
zu gelten habe, allen Soldaten oder nur den konfessionell gebundenen.


Hintergrund der dritten Antwortformulierung ist der Umstand, dass
jeweils ein Pfarrer der beiden großen Konfessionen im Feldlager
Rajlovac vorhanden war. Erwarten die Soldaten eine stärkere konfessionelle
Profilierung der Pfarrer? Sollten die Unterschiede zwischen
evangelischem und katholischem Pfarrer und deren Arbeit deutlicher
spürbar sein?

Beim vierten Item sollten die Befragten zum „Öffentlichkeitsanspruch“
der Militärseelsorge Stellung beziehen. Die Formulierung
„Die Pfarrer sollten nur in Ausnahmesituationen (z. B. wenn ein Sol


25
Diese Fragestellung wurde in der Rückkehrerbefragung nicht wiederholt. Aus
diesem Grunde ist keine vergleichende Betrachtung möglich.

50


dat verletzt oder getötet wird) in Erscheinung treten.“ beschreibt das
Gegenteil der jetzigen Praxis. Derzeit ziehen sich die Pfarrer weder
auf den religiösen Bereich im engeren Sinne noch auf Ausnahmesituationen
zurück. Ihnen ist daran gelegen, möglichst breit bekannt zu
werden und möglichst vielen ihre unterschiedlichen Dienste anzubieten.


Dem ersten Item „ich persönlich finde es gut, dass Pfarrer im Lager
sind (unabhängig davon, ob ich ihren Dienst in Anspruch nehme oder
nicht)“ stimmen fast 96 % der Befragten zu. Dies bedeutet einen Zuwachs
gegenüber der allgemeineren Formulierung in VII/4 um etwa
7 Prozentpunkte. Grund für diesen Anstieg dürfte der Zusatz sein, dass
die Bejahung nicht die tatsächliche Inanspruchnahme der Pfarrer
durch die eigene Person impliziere.


Abb. 5: Persönliche Einstellung zur Militärseelsorge im Lager
Rajlovac, abgesehen von eigener Inanspruchnahme (in %)

0
20
40
60
80
100
stimme zu
stimme nicht zu
weiß nicht
gut, dass Pfarrer konfessionur
in Aus-
Pfarrer im für alle nelle Unnahme-
Lager Soldaten terschiede situationen
da

stimme zu stimme
nicht zu
weiß
nicht N
a gut, dass Pfarrer
im Lager 95,7 1,3 3,0 230
b Pfarrer für alle
Soldaten da 94,3 2,6 3,1 228
c konfessionelle
Unterschiede 3,1 86,7 10,2 225
d nur in Ausnahmesituationen
2,7 90,3 7,1 226


Ganz überwiegend (zu gut 94 %) sind die Befragten der Auffassung,
„die Pfarrer sollten für alle Soldaten da sein, unabhängig davon, welcher
Glaubensrichtung man angehört oder ob man überhaupt religiös
ist“. Nur jeweils knapp 3 % stimmen nicht zu bzw. sind unschlüssig
(„weiß nicht“). Die gegensätzliche Auffassung, dass sich die Pfarrer
auf die Soldaten der eigenen Konfession oder nur die religiös gebundenen
beschränken sollten, findet in diesem Antwortverhalten keinen
Rückhalt.

Der Aussage „Die Unterschiede zwischen evangelischem und katholischem
Pfarrer müssten deutlicher herausgestellt werden.“ stimmt nur
ein verschwindend kleiner Teil der Befragten von etwas mehr als 3 %
zu. Knapp 87 % lehnen die Aussage ab. Beachtlich ist hier der verhältnismäßig
große Anteil von Unschlüssigen („weiß nicht“) mit gut
10 %. Bei letzteren dürfte es sich um Soldaten handeln, die mit dem
Anliegen konfessioneller Profilierung seitens der Militärpfarrer wenig
anzufangen wissen.

Auch dem Item „Die Pfarrer sollten nur in Ausnahmesituationen (z. B.
wenn ein Soldat verletzt oder getötet wird) in Erscheinung treten.“
wird lediglich von wenigen (knapp 3 %) zugestimmt. Gut 90 % lehnen
diese Auffassung ab und gut 7 % der Befragten sind indifferent („weiß
nicht“). Dieses Ergebnis bestätigt die derzeitige Praxis der Militärseelsorge,
den Soldaten möglichst umfassend und uneingeschränkt zur
Verfügung zu stehen.

Betrachtet man die Einstellung zur Militärseelsorge im Lager Rajlovac
im Hinblick auf die Konfession der Befragten, so ist erkennbar, dass
sich die Ergebnisse bei Katholiken und Evangelischen zunächst kaum
unterscheiden. Lediglich bei der Frage, ob die Pfarrer im Hintergrund
bleiben und sich nur für den Einsatz in Ausnahmesituationen zur Verfügung
halten sollten, liegen evangelische und katholische Befragte


um fast 10 Prozentpunkte auseinander. Letztere verneinen diese Forderung
mit gut 95 %, die Evangelischen lediglich mit knapp 86 %.
Nicht bestätigt wurde die Erwartung, dass die katholischen Befragten
eine konfessionelle Profilierung der Pfarrer stärker befürworten als
ihre evangelischen Kameraden.

Auch die Befragten, die keiner Religionsgemeinschaft angehören,
zeigen eine bemerkenswert positive Einstellung zur Militärseelsorge.
Mit jeweils 88 % begrüßen sie es, dass Militärpfarrer im Lager sind,
und befürworten, dass die Pfarrer für alle Soldaten – und nicht nur für
die konfessionell gebundenen – da sein sollen. Im Hinblick auf eine
Beschränkung des Einsatzes der Pfarrer nur auf Ausnahmesituationen
votieren die konfessionslosen Soldaten ähnlich wie die evangelischen,
sie lehnen diese Vorstellung zu 84 % ab.

Bei der Frage, ob eine stärkere konfessionelle Profilierung der Pfarrer
gewünscht sei, tut sich eine erhebliche Diskrepanz zwischen konfessionell
gebundenen und konfessionslosen Befragten auf. Während die
ersten mit knapp 91 % eine ablehnende Haltung einnahmen, sind dies
bei der zweiten Gruppe fast 20 Prozentpunkte weniger (gut 71 %).
Allerdings befürworten lediglich 2 % der Konfessionslosen (Evangelische:
knapp 5 %; Katholiken: knapp 3 %) eine stärkere Herausstellung
des Unterschieds zwischen evangelischem und katholischem Pfarrer.
Sie entschieden sich jedoch zu knapp 27 % für „weiß nicht“. Dies
macht deutlich, dass für die konfessionslosen Befragten die unterschiedliche
Kirchenzugehörigkeit der Pfarrer von untergeordneter
Bedeutung ist, sie jedoch keinesfalls für eine stärkere Profilierung
konfessioneller Differenzen plädieren.


Tabelle 5: Einstellung zur Militärseelsorge im Lager Rajlovac abgesehen
von eigener Inanspruchnahme (nach Konfession,
in %)

e (N=63) k (N=108) o (N=50)
gut, dass Pfarrer im Lager
96,8 98,2 88,2
Pfarrer für alle Soldaten
da 95,2 96,4 88,0
keine konfessionellen
Unterschiede 90,5 90,7 71,4
nicht nur in Ausnahmesituationen
85,7 95,4 84,0

e=evangelisch; k=katholisch; o=ohne Konfession

Knapp 91 % der Befragten aus den neuen Bundesländern und knapp
97 % von denen, die in den alten Bundesländern aufgewachsen sind,
finden es gut, dass zwei Pfarrer im Lager sind. Damit ist die positive
Resonanz bei den ostdeutschen Soldaten auf hohem Niveau lediglich
um 6 Prozentpunkte schwächer als bei den westdeutschen, während in
der Bevölkerungsumfrage die Schere zwischen ost-und westdeutschen
Befragten um knapp 17 Prozentpunkte auseinander klaffte.
Allerdings trifft auch hier die schon häufiger gemachte Beobachtung
zu, dass die Befragten aus den neuen Bundesländern eher unentschlossen
als ablehnend sind (gut 7 % „weiß nicht“; gut 2 % „stimme nicht
zu“). Während in der Bevölkerungsumfrage 68 % der Befragten aus
den neuen Ländern Militärseelsorge positiv bewerteten, steigt dieser
Wert bei den Soldaten im Einsatz, die aus den neuen Ländern stammen,
um 23 Prozentpunkte an. Auch im Hinblick auf die alten Länder
gibt es einen vergleichbaren Anstieg. Dort beträgt der Unterschied
zwischen dem Ergebnis der Bevölkerungsumfrage und der Umfrage
im Auslandseinsatz 12 Prozentpunkte. Je intensiver jemand also selbst


Kontakt zur Militärseelsorge bekommen hat, desto eher ist mit einer
positiven Einstellung zu ihr zu rechnen.

Bei den Aussagen „Die Pfarrer sollten für alle Soldaten da sein, unabhängig
davon, welcher Glaubensrichtung man angehört oder ob man
überhaupt religiös ist.“ und „Die Pfarrer sollten nicht nur in Ausnahmesituationen
(z. B. wenn ein Soldat verletzt oder getötet wird) in
Erscheinung treten.“ ist kaum ein Unterschied zwischen ost- und
westdeutschen Befragten zu verzeichnen. Im ersten Fall stimmten
knapp 93 % der ostdeutschen und gut 94 % der westdeutschen Befragten
zu, im zweiten Fall gut 88 % der ostdeutschen und knapp 91 %
der westdeutschen.

Die deutlichste Diskrepanz findet sich gegenüber der Formulierung
„Die Unterschiede zwischen evangelischem und katholischem Pfarrer
müssten deutlicher herausgestellt werden.“ Diese wird von knapp
91 % der Befragten aus den alten und nur von knapp 74 % der Befragten
aus den neuen Bundesländern abgelehnt. Zustimmend votieren
jedoch nur jeweils gut 2 %. Knapp 24 % der Ostdeutschen wählen
„weiß nicht“, da ihnen das Anliegen konfessioneller Profilierung der
Militärpfarrer fremd ist.


Tabelle 6: Einstellung zur Militärseelsorge im Lager Rajlovac abgesehen
von eigener Inanspruchnahme (nach regionaler Herkunft,
in %)

nL (N=42) aL (N=173)
gut, dass Pfarrer im Lager 90,5 96,6
Pfarrer für alle Soldaten da 92,9 94,3
keine konfessionellen Unterschiede 73,8 90,7
nicht nur in Ausnahmesituationen 88,1 90,8

nL=neue Länder; aL=alte Länder

Gut 92 % der Befragten aus den Mannschaften, 100 % der Unteroffiziere
ohne Portepee, knapp 95 % der Unteroffiziere mit Portepee,
knapp 97 % der Offiziere und 100 % der Stabsoffiziere begrüßen es,
dass zwei Pfarrer im Lager sind. Damit wird die Annahme bestätigt,
dass mit steigendem Dienstgrad die Akzeptanz der Militärseelsorge
bei den Soldaten im Einsatz zunimmt. Einzig die Unteroffiziere ohne
Portepee fallen aus dem Rahmen. Von ihnen war eine weniger starke
Akzeptanz von Militärseelsorge angenommen worden.

Ähnlich fällt das Ergebnis bei dem Item „Die Pfarrer sollten für alle
Soldaten da sein, unabhängig davon, welcher Glaubensrichtung man
angehört oder ob man überhaupt religiös ist.“ aus. Knapp 91 % der
Befragten aus den Mannschaften, gut 96 % der Unteroffiziere ohne
Portepee, gut 93 % der Unteroffiziere mit Portepee, knapp 98 % der
Offiziere und sämtliche Befragten aus den Reihen der Stabsoffiziere
stimmen diesem Satz zu. Die Befürwortung einer Militärseelsorge, die
sich ohne konfessionelle Vorbehalte an alle Soldaten wendet, nimmt
auf sehr hohem Niveau mit steigendem Dienstgrad noch zu. Für die
Unteroffiziere ohne Portepee gilt das zuvor Gesagte entsprechend.


Die Meinungen zu der Aussage „Die Unterschiede zwischen evangelischem
und katholischem Pfarrer müssten deutlicher herausgestellt
werden.“ liegen auch unter dem Gesichtspunkt der Dienstgradgruppen
stärker auseinander, als dies bei den ersten beiden Items der Fall ist.
Der Satz wird auf etwas niedrigerem Niveau von den Befragten aus
den Mannschaften zu knapp 74 % abgelehnt, von den Unteroffizieren
ohne Portepee zu knapp 85 %, von den Unteroffizieren mit Portepee
zu knapp 95 %, von den Offizieren zu knapp 93 % und von den
Stabsoffizieren zu 100 %. Mit steigendem Dienstgrad sinkt somit die
Auffassung, dass die Pfarrer die konfessionellen Differenzen deutlicher
zutage treten lassen sollten.

Der Satz „Die Pfarrer sollten nur in Ausnahmesituationen (z. B. wenn
ein Soldat verletzt oder getötet wird) in Erscheinung treten.“ findet
ebenfalls nur geringe Zustimmung. Gut 84 % der Befragten aus den
Mannschaften lehnen diese Forderung ab. Bei den Unteroffizieren
ohne Portepee sind es wiederum 100 %, bei den Unteroffizieren mit
Portepee knapp 90 %, bei den Offizieren knapp 93 % und bei den
Stabsoffizieren knapp 96 %. Somit sinkt auch in diesem Fall mit steigendem
Dienstgrad die Neigung, die Tätigkeit der Militärpfarrer auf
Ausnahmesituationen zu beschränken, wobei sich auch hier die Unteroffiziere
ohne Portepee durch ein sehr deutliches positives Votum
abheben.

Hatte sich in der Bevölkerungsumfrage die Tendenz aufzeigen lassen,
dass mit steigendem Bildungsgrad die Akzeptanz der Militärseelsorge
abnimmt, so trifft dies bei den Soldaten im Bosnieneinsatz der Bundeswehr
nicht zu. Hier nimmt die Befürwortung der Soldaten- bzw.
Militärseelsorge mit steigendem Bildungsgrad der Befragten zu (mit
Hauptschulabschluss: gut 94 % [N=70]; mit Realschulabschluss: gut
93 % [N=75]; mit Abitur: knapp 98 % [N=47]; mit Hochschulabschluss:
100 % [N=29]).


Der Grund dafür ist, dass bei den Befragten mit Abitur oder Fachabitur
der Anteil der Offiziere und Stabsoffiziere knapp 44 % beträgt und
ausschließlich Offiziere und Stabsoffiziere Hochschul-bzw. Fachhochschulausbildung
besitzen. Diese Dienstgradgruppen stehen der
Soldaten-bzw. Militärseelsorge im Auslandseinsatz in Bosnien außerordentlich
positiv gegenüber, weil sie die Tätigkeit der Militärpfarrer
als Unterstützung und persönliche Entlastung in ihrer Vorgesetztenfunktion
und für den Umgang mit den ihnen anvertrauten Menschen
empfinden.

Tabelle 7: Einstellung zur Militärseelsorge im Lager Rajlovac abge


sehen von eigener Inanspruchnahme (nach Dienstgrad


gruppe, in %)

M
(N=76)
UoP
(N=26)
UmP
(N=57)
O
(N=43)
S
(N=22)
gut, dass Pfarrer im
Lager 92,3 100 94,8 97,7 100
Pfarrer für alle Soldaten
da 90,9 96,2 93,1 97,7 100
keine konfessionellen
Unterschiede 73,7 84,6 94,7 92,9 100
nicht nur in Ausnahmesituationen
84,2 100 89,5 93,0 95,5

M=Mannschaften; UoP=Unteroffiziere ohne Portepee; UmP=Unteroffiziere
mit Portepee; O=Offiziere; S=Stabsoffiziere


2.4 Was halten die Soldaten vom Umfang der Militärseelsorge?
Mit der Frage „Die deutsche Militär- bzw. Soldatenseelsorge besteht
im Feldlager Rajlovac derzeit aus zwei Pfarren. Wie stehen Sie dazu?“
sollte in Erfahrung gebracht werden, wie die Befragten den Umfang
der Militärseelsorge vor Ort beurteilten. Erhoben wurde die Einstellung
zu den Items:

-„Ich finde, dass dies ausreichend ist.“
-„Ich finde, dass mehr Pfarrer hier sein sollten, damit sie mehr
Zeit für die Soldaten haben.“
-„Ich finde, dass auch Pfarrhelfer vor Ort sein sollten.“
-„Ich finde, dass den Soldaten mehr Gelegenheit gegeben werden
sollte, sich an der Arbeit der Militär- bzw. Soldatenseelsorge zu
beteiligen.“
-„Ich finde, dass es auch für Soldaten, die einer anderen oder keiner
Religion angehören, vergleichbare Angebote wie Militärbzw.
Soldatenseelsorge geben sollte.“

In beiden Befragungen ist die ganz überwiegende Zahl von gut 88 %
der Befragten der Auffassung, dass die vorhandenen zwei Pfarrer ausreichend
seien. Somit ist die große Mehrheit der befragten Soldaten
mit dem Umfang der Betreuung durch die Militärpfarrer zufrieden.
Lediglich ein Anteil von jeweils gut 17 % wünscht den Einsatz von
mehr Pfarrern.

Hingegen ist der Ruf nach Pfarrhelfern stärker ausgeprägt. In der
Einsatzbefragung hielten gut 31 % auch Pfarrhelfer im Lager Rajlovac
für notwendig. Diese Zahl stieg bei der Rückkehrerbefragung um
knapp 10 Prozentpunkte auf 41 %.


In der Rückkehrerbefragung wird der Wunsch, dass auch Pfarrhelfer
im Einsatz dabei sein sollten, am stärksten von Soldaten artikuliert,
die zu den Dienstgradgruppen der Unteroffiziere mit Portepee und zu
den Stabsoffizieren zu rechnen sind.

Die Beteiligung von Pfarrhelfern an der Militärseelsorge im Auslandseinsatz
wünschen gut 51 % der Stabsoffiziere, knapp 50 % der
Unteroffiziere mit Portepee, 36 % der Offiziere, gut 31 % der Unteroffiziere
ohne Portepee und gut 29 % der Mannschaften. Der Anteil der
evangelischen Befragten, die auch von Pfarrhelfern betreut werden
wollen, beträgt gut 48 %, der katholischen gut 39 % und derjenigen
ohne Konfessionszugehörigkeit knapp 32 %.26

In der Einsatzbefragung waren gut drei Viertel der Befragten der Meinung,
dass Militärseelsorge nicht nur auf die Mitglieder der großen
Kirchen beschränkt sein sollte, sondern befürworteten, dass es auch
für die, die einer anderen oder keiner Religion angehören, vergleichbare
Angebote geben sollte. Dieser Anteil nahm in der Rückkehrerbefragung
noch um gut 5 Prozentpunkte zu und beträgt dort 81 %. Am
stärksten fordern dies die davon in erster Linie Betroffenen, nämlich
die Konfessionslosen mit 84 %. Ihnen folgen dicht die Katholiken mit
gut 82 % und die Evangelischen mit knapp 78 %.27

26
Auch die Abhängigkeit der Variable „Ich finde, dass auch Pfarrhelfer vor Ort seinsollten.“ von der Konfession der Befragten wird bei der statistischen Überprüfung
des Kreuzvergleichs bestätigt. Der dazugehörige Chi-Quadrat-Test weist die
Nullhypothese zurück (Chi-Square/Pearson: Value 16,286, df 6, Significance
,012). Hingegen ist keine Signifikanz bezüglich einer Abhängigkeit der Variable
„Ich finde, dass auch Pfarrhelfer vor Ort sein sollten.“ von der regionalen Herkunft
(Ost/West) und vom Schulabschluss der Befragten festzustellen.

27
Die Variablen „Ich finde, dass es auch für Soldaten, die einer anderen oder keiner
Religion angehören, vergleichbare Angebote wie Militär- bzw. Soldatenseelsorge
geben sollte.“ und Konfessionszugehörigkeit sind jedoch nicht im statistischen
Sinne signifikant voneinander abhängig. Durch den dazugehörigen Chi-Quadrat-
Test wird die Nullhypothese nicht zurückgewiesen (Chi-Square/Pearson: Value
10,573, df 6, Significance ,102).


Abb. 6: Persönliche Einstellung zum Umfang der Militärseelseelsorge
im Lager Rajlovac
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %)

0
20
40
60
80
100
Einsatz
Rückkehrer
zwei Pfarrer
sind ausreimehr
Pfarrer
Pfarrhelfer
notwendig
stärkere
Beteiligung
vergleichbare
Angechend
notwender
Soldabote
dig ten

Einsatz
%
Rückkehrer
%
Einsatz
N
Rückkehrer
N
a zwei Pfarrer sind ausreichend
88,5 88,4 201 490
b mehr Pfarrer notwendig 17,6 17,1 38 77
c Pfarrhelfer notwendig 31,3 41,0 68 185
d stärkere Beteiligung der
Soldaten 43,5 44,2 90 176
e vergleichbare Angebote 75,6 81,0 158 363


Stärkere Partizipationsmöglichkeiten bei der Militärseelsorge wünscht
in beiden Befragungen knapp die Hälfte der Befragten (EB: knapp
44 %; RB: gut 44 %).

Dieses Anliegen besteht vergleichsweise am ausgeprägtesten bei
Befragten, die stark religiös sozialisiert sind (EB: knapp 51 %; RB:
gut 51 %), der evangelischen Kirche angehören (beide Befragungen
50 %) und einen Mannschaftsdienstgrad (EB: knapp 46 %; RB: 50 %)
oder den eines Unteroffiziers mit Portepee (EB: 50 %; RB: gut 51 %)
bekleiden28. Es überrascht, dass in der Rückkehrerbefragung der
Wunsch nach Beteiligung an der Arbeit der Militärseelsorge bei den
Befragten, die in den neuen Bundesländern aufgewachsen sind, um
gut 11 Prozentpunkte zugenommen hat und nunmehr mit gut 45 %
ebenso stark ausgeprägt ist wie bei ihren Kameraden aus den alten
Ländern mit knapp 44 %.29

28
Die Abhängigkeit der Variable „Ich finde, dass den Soldaten mehr Gelegenheit
gegeben werden sollte, sich an der Arbeit der Militär- bzw. Soldatenseelsorge zu
beteiligen.“ vom Dienstgrad der Teilnehmer der Rückkehrerbefragung wird beider statistischen Überprüfung des Kreuzvergleichs bestätigt. Der dazugehörige
Chi-Quadrat-Test weist die Nullhypothese zurück (Chi-Square/Pearson: Value
16,994, df 8, Significance ,030). Entsprechendes gilt für die Befragung im Einsatz.
Das Ergebnis der Befragung im Einsatz muss aufgrund der statistischenÜberprüfung relativiert werden. Durch den dazugehörigen Chi-Quadrat-Test wird
die Nullhypothese nicht zurückgewiesen (Chi-Square/Pearson: Value 3,349, df 4,
Significance, 501), so dass es sich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit um ein zufälliges
Ergebnis handelt, welches keine Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit
zulässt.

29
Die Abhängigkeit der Variable „Ich finde, dass den Soldaten mehr Gelegenheit
gegeben werden sollte, sich an der Arbeit der Militär- bzw. Soldatenseelsorge zu
beteiligen.“ von der regionalen Herkunft der Teilnehmer der Rückkehrerbefragung
wird bei der statistischen Überprüfung des Kreuzvergleichs bestätigt. Der
dazugehörige Chi-Quadrat-Test weist die Nullhypothese zurück (Chi-Square/
Pearson: Value 9,637, df 4, Significance ,047). Das Ergebnis der Befragung im
Einsatz, bei der die Teilnehmer aus den neuen Bundesländern in erheblich geringerem
Umfang (gut 34%) den Wunsch nach einer Partizipation an der Arbeit der
Militär-/Soldatenseelsorge äußerten als ihre Kameraden aus dem Westen (gut45%), hält der statistischen Überprüfung nicht stand. Durch den dazugehörigen
Chi-Quadrat-Test wird die Nullhypothese nicht zurückgewiesen (Chi-Square/
Pearson: Value 1,678, df 2, Significance ,432), so dass es sich mit erheblicher
Wahrscheinlichkeit um ein zufälliges Ergebnis handelt, welches keine Rückschlüsse
auf die Grundgesamtheit zulässt.


Bemerkenswert ist jedoch ein erhebliches Interesse von kirchenfernen
Befragten, sich selber stärker in die Arbeit der Militärseelsorge einbringen
zu können. Dies äußert jeweils etwa ein Drittel der Soldaten,
die keiner Kirche angehören (EB: knapp 33%; RB: knapp 35%). Hier
ist ein erhebliches Potential an Menschen vorhanden, die zwar der
Kirche fern stehen, sich aber trotzdem gegenüber der Militär-/
Soldatenseelsorge als aufgeschlossen zeigen und sich bei ihr sogar
aktiv beteiligen möchten.

2.5
Was halten die Soldaten von verschiedenen Tätigkeiten der
Militärseelsorge?
Mit Frage VII/6 sollte festgestellt werden, was die Befragten „von
verschiedenen Tätigkeiten der Militär-bzw. Soldatenseelsorger hier
im Einsatz halten“. Gefragt wurde nach den Einstellungen zu den
Items:

-„sie sollten möglichst häufig ansprechbar sein“,

-„sie wenden sich bewusst an die Öffentlichkeit“,

-„sie führen religiöse Veranstaltungen durch“,

-„sie bieten Gelegenheit zum persönlichen Gespräch an“,

-„sie nehmen an dienstlichen Gesprächsrunden teil“,

-„sie begleiten die Soldaten bisweilen auch im besonderen Einsatz“,


-„sie nehmen soziale Aufgaben wahr“,

-„die OASE wird von den Arbeitsgemeinschaften evangelischer
bzw. katholischer Soldaten getragen“.

Die verschiedenen Tätigkeiten der Militärpfarrer im Einsatz werden
von den befragten Soldaten überwiegend sehr positiv bewertet. Die
Zustimmung lag bei der Einsatzbefragung im Bereich von knapp 50 %
64


bis gut 90 %, mit einem Mittelwert von ca. 76 %. Bei der Rückkehrerbefragung
rangierten die positiven Einschätzungen zwischen knapp
60 % und gut 89 %, der Mittelwert stieg auf knapp 78 %. Die ablehnenden
Stimmen sind gering. Sie betragen in der Einsatzbefragung im
Mittel 8 % und streuen zwischen knapp 1 % und knapp 24 %. In der
Rückkehrerbefragung liegen sie im Mittel ähnlich niedrig bei knapp
9 %, streuen jedoch nur zwischen 2 % und 15 %. Die unentschiedenen
Voten („weiß nicht“) betrugen in der Einsatzbefragung im Mittel gut
16 % und bewegten sich zwischen knapp 8 % und knapp 28 %. In der
Rückkehrerbefragung sanken sie auf knapp 14 % und lagen zwischen
9 % und knapp 21 %.

Am positivsten bewertet werden das persönliche Gespräch (EB: gut
90 %; RB: gut 89 %), die gute Ansprechbarkeit der Militärpfarrer
(EB: gut 88 %; RB: 88 %), religiöse Veranstaltungen (EB: knapp
85 %; RB: gut 82 %), soziale Aufgaben (EB: knapp 85 %; RB: gut
86 %) und die Betreuungseinrichtung „Oase“ (EB: gut 83 %; RB:
81 %).


Abb. 7: Bewertung „gut“ von verschiedenen Tätigkeiten der Militärbzw.
Soldatenpfarrer
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer
(in %)

0
20
40
60
80
100
Einsatz
Rückkehrer
häufigansprechbarreligiöse
VeranstaltungenpersönlichesGesprächdstl.
Gesprächsrundenim
besonderenEinsatz
anÖffentlichkeit
wendensoziale AufgabenOASE
Einsatz Rückkeh-Einsatz Rückkeh%
rer % N rer N
häufig ansprechbar 88,3 88,0 197 563
an Öffentlichkeit wen60,6
66,5 134 419
den
religiöse Veranstal84,8
82,3 190 520
tungen
persönliches Gespräch 90,3 89,2 204 571
dienstliche Gesprächs49,8
59,5 109 375
runden
im besonderen Einsatz 64,4 68,5 143 435
soziale Aufgaben 84,5 86,3 186 553
OASE 83,3 81,0 185 515
Durchschnitt 75,8 77,7


Hingegen finden die Teilnahme der Militärpfarrer an dienstlichen
Gesprächsrunden (EB: knapp 24 %; RB: 20 %), ihre Beteiligung an
besonderen militärischen Einsätzen (EB: gut 13 %; RB: knapp 15 %)
und auch die Öffentlichkeitsarbeit der Militärseelsorge (EB: 12 %;
RB: gut 15 %) die höchsten ablehnenden Werte. Diese Tätigkeiten der
Seelsorger werden zudem von den Befragten in erheblichem Umfang
mit Unentschiedenheit quittiert („weiß nicht“ EB: zwischen knapp
22 % und knapp 28 %; RB: zwischen knapp 17 % und knapp 21 %).
Dies zeigt, dass eine nicht geringe Anzahl der Befragten hierzu eine
zumindest distanzierte Haltung einnimmt, wenn auch die Einstellung
überwiegend zustimmend ist: „sie wenden sich bewusst an die Öffentlichkeit“
(EB: knapp 61 %; RB: knapp 67 %), „sie begleiten die
Soldaten bisweilen auch im besonderen Einsatz“ (EB: gut 64 %; RB:
knapp 69 %), „sie nehmen an dienstlichen Gesprächsrunden teil“ (EB:
knapp 50 %; RB: knapp 60 %).

Bei den letztgenannten Items lassen sich zwischen Einsatzbefragung
und Rückkehrerbefragung die deutlichsten Veränderungen feststellen.
Um fast 10 Prozentpunkte wuchs die Zustimmung zu „sie nehmen an
dienstlichen Gesprächsrunden teil“, während die Ablehnung um knapp
4 Prozentpunkte und die unentschlossene Haltung um 6 Prozentpunkte
abnahmen.

In den beiden weiteren Fällen sind die Veränderungen darauf zurückzuführen,
dass bei der Rückkehrerbefragung eine deutlichere Positionierung
stattfand und weniger mit „weiß nicht“ geantwortet wurde als
bei der Einsatzbefragung.

Bei „sie wenden sich bewusst an die Öffentlichkeit“ ist sowohl ein
Anstieg der positiven (über 6 Prozentpunkte) als auch der negativen
(über 3 Prozentpunkte) Bewertung zu registrieren. Dafür sank die
indifferente Haltung um etwa 10 Prozentpunkte.


Um gut 4 Prozentpunkte stieg die positive und um knapp 2 Prozentpunkte
die negative Bewertung von „sie begleiten die Soldaten bisweilen
auch im besonderen Einsatz“, während sich 5 Prozentpunkte
weniger für „weiß nicht“ entschieden.

2.6
Wie wird die Militär-/Soldatenseelsorge durch die Soldaten in
Anspruch genommen?
Um festzustellen, in welchem Umfang die Militärpfarrer in konkreten
Situationen als Gesprächspartner in Anspruch genommen wurden,
waren sie in den Antwortvorschlägen verschiedener Fragen aufgeführt.


In der ersten Befragung hatten bereits 29 % angegeben, dass sie während
des Einsatzes psychisch belastende Situationen erlebt hätten.
Dieser Anteil stieg in der Rückkehrerbefragung sogar auf gut 52 %.
Drei Fragen geben Aufschluss darüber, wem sich die Befragten anvertraut
hatten: „Mit wem sprechen Sie über Ihre persönlichen Ängste
und Gefühle?“ bzw. „Mit wem hatten Sie während des Einsatzes in
Bosnien über Ihre persönlichen Ängste und Gefühle gesprochen?“
(Einsatzbefragung: V/7; Rückkehrerbefragung: V/15), „Hatten Sie
während Ihres Einsatzes familiäre Probleme?“. (Einsatzbefragung:
IV/21; Rückkehrerbefragung: IV/26) und „Haben Sie nach Ihrer
Rückkehr aus dem Einsatz über Ihre persönlichen Eindrücke und Gefühle
im Einsatzland gesprochen?“ (Rückkehrerbefragung: V/9)“.

Als mögliche Gesprächspartner bei persönlichen Ängsten und Gefühlen
wurden zur Auswahl gestellt:

-mit dem Militärgeistlichen,

-mit Ärzten,

-mit dem Truppenpsychologen,


-ich muss damit alleine fertig werden,

-mit meiner Frau/Freundin bzw. meinem Mann/Freund,

-mit meinem Vorgesetzten,

-mit Kameraden.

Außerdem bestand die Möglichkeit, Ergänzungen vorzunehmen, und
die Auskunft zu verweigern („möchte ich nicht sagen“).

Kameraden (knapp 55 %) sowie Frau/Freundin bzw. Mann/Freund
(gut 46 %) waren bei der Einsatzbefragung mit Abstand die bevorzugten
Anlaufstellen, wenn sich die befragten Soldaten über persönliche
Ängste und Gefühle aussprechen wollen. Mit erheblichem Ab-
stand folgten die Vorgesetzten, denen sich knapp 7 % anvertrauen
würden.

So gut wie keine Rolle als Gesprächspartner spielten in diesem
Zusammenhang erstaunlicherweise die professionellen Helfer Militärpfarrer
(gut 1 %), Truppenpsychologen (gut 1 %) und Ärzte (weniger
als 1 %). Knapp 23 % der Befragten äußerten, dass sie allein mit persönlichen
Krisensituationen fertig werden müssten. Nicht äußern
wollten sich knapp 3 % der Befragten. Ergänzungen nahmen gut 9 %
vor und nannten in der Hauptsache Eltern, Verwandte, Freunde und
Bekannte.

Die Rückkehrerbefragung brachte insbesondere in der Spitzengruppe
einige bemerkenswerte Veränderungen. Die Kameraden steigen als
bevorzugte Gesprächspartner nochmals um 10 Prozentpunkte und
liegen nunmehr bei gut 64 %. Hingegen verlieren die Partner
(Frau/Freundin bzw. Mann/Freund) in dieser Bedeutung um
12 Prozentpunkte und kommen nur noch auf knapp 35 %. Bei den
professionellen Helfern haben sich kaum Veränderungen ergeben.
Truppenpsychologen und Ärzte sind in dieser Hinsicht mit einem


Anteil von jeweils etwa 1 % ohne Bedeutung. Lediglich die Militärpfarrer
verzeichnen eine Steigerung von 3 Prozentpunkten und liegen
jetzt immerhin bei bescheidenen 4 %. Immerhin meinen erheblich
weniger (Rückgang um 8 Prozentpunkte auf knapp 15 %), dass sie mit
ihren Ängsten und persönlichen Problemen allein fertig werden
müssten.

Abb. 8: Gesprächspartner bei persönlichen Ängsten und Gefühlen
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %)

0 20 40 60
EB RB
Militärpfarrer
Ärzte
Truppenpsychologen
allein
Partner/in
Vorgesetzte
Kameraden
möchte nicht sagen
andere

EB % RB % EB N RB N
1 Militärpfarrer 1,3 3,9 3 26
2 Ärzte 0,4 0,8 1 5
3 Truppenpsychologen 1,3 1,2 3 8
4 allein 22,6 15,3 54 101
5 Partner/in 46,4 36,1 111 238
6 Vorgesetzte 6,7 9,4 16 62
7 Kameraden 54,8 66,7 131 440
8 möchte nicht sagen 2,5 4,7 6 31
9 andere 9,2 7,3 22 48

Dass die Partner erheblich an Bedeutung als Gesprächspartner für
Probleme der Soldaten im Einsatz verloren haben, deckt sich mit deren
Aussagen in den Interviews. Dort heißt es, dass daheim Berichte
aus dem Auslandseinsatz anfangs noch mit Interesse aufgenommen
wurden. Mit der Zeit jedoch habe das Interesse nachgelassen und sie
seien mit diesem Thema sogar auf eine abwehrende Haltung gestoßen.
Manche Soldaten erklärten sich eine solche Reaktion damit, dass die
Zurückgebliebenen daheim genügend eigene Probleme hätten, für die
sie zum Teil den Einsatz verantwortlich machten.

Die Frage „Hatten Sie während Ihres Einsatzes familiäre Probleme?“
wurde in der ersten Befragung von gut 16 % und in der Rückkehrerbefragung
von 22 % der Teilnehmer bejaht. Diesen galt die weiterführende
Frage, an wen sie sich dabei gewandt hatten. Zur Auswahl gestellt
wurde:

-Kameraden,

-Truppenpsychologen,
-Militärpfarrer,

-„Chef“,


-„Spieß“,
-Vertrauensperson,

-Arzt,

-Angehörige (nur Einsatzbefragung),

-niemand,

-will ich nicht beantworten,

-sonstige.

Von den 38 befragten Soldaten, die während des Einsatzes familiäre
Probleme hatten, wandten sich 17 (knapp 45 %) an Kameraden, 8 (gut
21 %) an den „Chef“, 6 (knapp 16 %) an den „Spieß“ und 5 (gut
13 %) an Angehörige. Auch hier spielen die professionellen Helfer
Truppenpsychologe (zwei Nennungen) und Arzt (eine Nennung) nahezu
keine Rolle. Überhaupt nicht genannt wurden die Militärpfarrer.
11 (knapp 29 %) der Befragten hatten niemanden in Anspruch genommen,
einer mochte die Frage nicht beantworten und 8 (gut 21 %)
trugen unter „sonstige“ eigene Ansprechpartner wie Geschwister und
Freunde ein.

Bei der Rückkehrerbefragung gaben immerhin 150 Soldaten an, dass
sie während des Einsatzes familiäre Probleme gehabt hätten. Das entspricht
einem Anteil von 22 % der Stichprobe und bedeutet einen
Zuwachs von knapp 6 Prozentpunkten gegenüber der ersten Befragung.
Wichtigste Gesprächspartner bei familiären Problemen sind
auch für die Teilnehmer der Rückkehrerbefragung die Kameraden. Sie
wurden von gut 55 % genannt. Das entspricht einer Steigerung von
knapp 11 Prozentpunkten.

Zurückgegangen ist hingegen in diesem Zusammenhang die Bedeutung
von Vorgesetzten. Mit dem „Chef“ hätten 18 % der Befragten bei
familiären Problemen gesprochen, das ist ein Rückgang um gut 3 Prozentpunkte.
Dem „Spieß“ hätten sich 10 % anvertraut, das entspricht
einem Rückgang von knapp 6 Prozentpunkten. Zugelegt haben um


4 Prozentpunkte die Vertrauenspersonen, die von knapp 7 % in Anspruch
genommen wurden.

Ebenfalls erhöht haben sich die Zahlen im Hinblick auf die Truppenpsychologen
und Militärpfarrer, während die der Ärzte annähernd
konstant geblieben sind. Die Truppenpsychologen wurden von gut
9 % der betroffenen Befragten konsultiert, das bedeutet einen Zuwachs
um 4 Prozentpunkte. Der Anteil, der auf die Militärpfarrer entfiel,
steigerte sich von 0 % auf gut 7 %.

Abb. 9: Gesprächspartner bei familiären Problemen
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %)

60
50
40
30
20
10
0

KameradenTruppenpsychologen

Militärpfarrer
„Chef“
„Spieß“
Vertrauensperson
Arzt


Angehörigeniemandwill ich nicht beantwortensonstige


Einsatz
Rückkehrer

Einsatz
%
Rückkehrer
%
Einsatz
N
Rückkehrer
N
1 Kameraden 44,7 55,3 17 83
2 Truppenpsycho
logen 5,3 9,3 2 14
3 Militärpfarrer 0 7,3 0 11
4 „Chef“ 21,1 18,0 8 27
5 „Spieß“ 15,8 10,0 6 15
6 Vertrauensperson 2,6 6,6 1 10
7 Arzt 2,6 2,0 1 3
8 Angehörige 13,2 5
9 niemand 28,9 22,0 11 33
10 will ich nicht beantworten
2,6 4,7 1 7
11 sonstige 21,1 13,3 8 20

Bei den Rückkehrern äußerten 22 % (knapp 7 Prozentpunkte Rückgang),
dass sie mit niemandem gesprochen hätten, gut 13 % (knapp
8 Prozentpunkte weniger) nannten sonstige Gesprächspartner, insbesondere
Freunde, Partnerinnen und Partner.

Die in der Rückkehrerbefragung neu hinzu gekommene Frage „Haben
Sie nach Ihrer Rückkehr aus dem Einsatz über Ihre persönlichen
Eindrücke und Gefühle im Einsatzland gesprochen?“ (V/9) wurde von
knapp 93 % der Befragten bejaht. Diesen galt die weiterführende
Frage, mit wem dies geschehen sei. Zur Auswahl gestellt wurden:

-Militärgeistliche,

-Ärzte,

-Truppenpsychologen,


-ich muss damit alleine fertig werden,

-Partnerin/Partner,

-Vorgesetzte,

-Kameraden,

-andere.

Als Gesprächsgegenüber nach dem Einsatz stehen an erster Stelle
Partnerinnen und Partner mit einem Anteil von gut 73 % noch vor den
Kameraden mit 68 %. Dieses Ergebnis ist insofern erstaunlich, als
während des Einsatzes gegenüber den eigenen Partnern eine gewisse
Entfremdung festzustellen war und die Soldaten eher mit Kameraden
als mit ihnen über Ängste und Gefühle sprechen konnten. Nachdem
der Einsatz abgeschlossen ist, besteht diese Sperre nicht mehr und die
Soldaten können sich mit ihren Partnern darüber austauschen, wie es
ihnen dort ergangen ist.

Während gegenüber der Frage „Mit wem hatten Sie während des Einsatzes
in Bosnien über Ihre persönlichen Ängste und Gefühle gesprochen?“
ein Zuwachs um gut 38 Prozentpunkte im Hinblick auf die
Inanspruchnahme von Partnerinnen und Partnern als Gesprächspartner
zu verzeichnen ist, nimmt die Zahl bezogen auf die Kameraden nur
wenig zu (knapp 4 Prozentpunkte). Spürbar stärker sprechen die Soldaten
mit ihren Vorgesetzten nach dem Einsatz zu dieser Thematik
(Zuwachs um gut 18 Prozentpunkte auf gut 27 %). Ähnlich stark werden
nun auch „andere“, d. h. in der Hauptsache Familienangehörige,
Freunde und Bekannte in das, was die Soldaten im Einsatz bewegt hat,
einbezogen (knapp 29 %; Zuwachs gut 22 Prozentpunkte). Die Zahl
derer, die meinen, allein damit fertig werden zu müssen, bzw. die
nichts dazu sagen möchten, hat sich jeweils nahezu halbiert von gut
4 % auf knapp 2 % bzw. von knapp 15 % auf gut 7 %. In etwa gleich


geblieben sind die Werte, die die professionellen Helfer Ärzte (gut
1 %), Truppenpsychologen (knapp 1 %) und Militärpfarrer (knapp
2 %) betreffen.

Abb. 10: Gesprächspartner über persönliche Eindrücke und Gefühle
im Einsatzland nach dem Einsatz (in %)

0 20 40 60 80
RB
Militärpfarrer
Ärzte
Truppenpsychologen
allein
Partner/in
Vorgesetzte
Kameraden
möchte nicht sagen
andere

RB % RB N
1 Militärpfarrer 1,8 12
2 Ärzte 1,3 9
3 Truppenpsychologen 0,7 5
4 allein 7,3 50
5 Partner/in 67,6 462
6 Vorgesetzte 25,3 173
7 Kameraden 62,8 429
8 möchte nicht sagen 1,8 12
9 andere 26,4 180

Die oben ausgeführten Ergebnisse zeigen auf der einen Seite, dass die
Tätigkeit der Militärseelsorge und insbesondere die Möglichkeit des
persönlichen Gesprächs mit den Pfarrern äußerst positiv bewertet
wird, und dass über ein Viertel (knapp 28 %) der Teilnehmer der
Rückkehrerbefragung mit den Militärpfarrern selbst solche persönlichen
Gespräche geführt haben.

Auf der anderen Seite jedoch werden die Seelsorger dort, wo nach
konkreten Konfliktsituationen gefragt wurde, nicht als Gesprächspartner
genannt. Dieses Schicksal teilen sie mit den übrigen professionellen
Helfern wie Ärzten und Truppenpsychologen. Ein Anteil von
knapp 4 % der Befragten, die in persönlichen Krisenfällen einen
Militärpfarrer in Anspruch nehmen, ist zudem vergleichsweise beachtlich.
Denn hochgerechnet bedeutet dies pro Pfarrer etwa drei intensive
Seelsorgefälle pro Woche. Eine derartige Frequentierung eines
Pfarrers würde – zumindest für protestantische Verhältnisse – am
Standort oder in einer Kirchengemeinde als ungewöhnlich gelten.

Trotzdem wird im Verlauf der Untersuchung dem aufgezeigten Paradoxon
weiter nachzugehen sein. Das folgende Kapitel, das von der


Rolle der Religion als Lebensbewältigungsstrategie handelt, mag
weitere Aufschlüsse hierzu bringen. Denn dort geht es unter anderem
darum, welche Situationen die Soldaten mit Gott in Verbindung bringen.


3
Die Bedeutung von Religion als Lebensbewältigungsstrategie
für die Soldaten im Feldlager Rajlovac

3.1
Wie beurteilen die Soldaten die Rolle der Religionen im
Einsatzland?
Anknüpfend an die gängige Vorstellung, der Balkankonflikt sei zumindest
teilweise auch ein Religionskrieg, wurde in Frage VI/9 der
Einsatzbefragung nach der Einstellung zu Religion und Religiosität
gefragt: „In Bosnien gehören die verfeindeten Lager meist unterschiedlichen
Religionen an. Was meinen Sie dazu?“

Es ist nötig zu wissen, welches Bild von Religion bei den Befragten
vorhanden ist, um einschätzen zu können, welche Bedingungen die
Militärseelsorge für ihre Arbeit vorfindet, ob und an welchen Stellen
bei den Soldaten Veränderungen der wertmäßigen Orientierung zu
verzeichnen sind.

Neben „weiß nicht“ und einer offenen Kategorie werden acht Aussagen
angeboten, zu denen Mehrfachnennungen möglich sind.

In Item 1 „Religionen tragen die Wurzeln von Hass und Fanatismus in
sich, die zum Krieg führen können“ wird zunächst die antireligiöse
Haltung vorgegeben, dass Religionen mit Verblendung und geistiger
Enge verbunden seien und ihnen somit eine Tendenz zu Unfriede und
Krieg innewohne.


Dem entgegengesetzt lautet die zweite Antwortmöglichkeit: „die eigentliche
Botschaft der Religionen ist Toleranz und Menschlichkeit“.
Sie behauptet, dass die verfeindeten Lager zwar äußerlich unterschiedlichen
Religionen angehören mögen, die eigentliche Botschaft
der Religionen jedoch der Geist der Versöhnung sei.

Die dritte Formulierung: „die Religion wird als Begründung für Krieg
und Gewalt nur vorgeschoben; die tatsächlichen Ursachen liegen anderswo“
zielt auf die Problematik ab, dass religiöse Bindungen zur
ideologischen Verschleierung politischer Ziele missbraucht werden
können.

Mit der vierten Antwortvorgabe „die Unterschiedlichkeit der Religionen
ist nur Ausdruck verschiedener Kulturen und Geisteshaltungen“
wird eine kulturästhetische Sichtweise von Religion angeführt, die die
Vielfalt der Religionen als eigentlich überflüssiges, wenn nicht sogar
im Verlauf der menschlichen Geistesentwicklung aufzuhebendes Phänomen
begreift.

Item 5 „es gäbe keinen Balkankonflikt, wenn es nur eine Religion
gäbe“ reduziert diesen Krieg auf seine religiöse Komponente und entspricht
damit der Auffassung, dass es sich um einen reinen Religionskrieg
handele.

In eine ähnliche Richtung zielt Vorgabe 6: „die Menschen wären tole-
ranter, wenn sie wüssten, dass es nur einen gemeinsamen Gott gibt“.
Hier wird die fehlende Friedfertigkeit mit religiöser Unwissenheit
erklärt, wie es theologische Aufklärung und deutscher Idealismus im

18. Jahrhundert populär gemacht haben.
Dass Religionen nicht zwangsläufig trennen, sondern auch verbindend
sein können behauptet die siebte Antwortformulierung: „jeder kann
auch in den Kultstätten anderer Religionen zu seinem Gott beten“.


An diejenigen, die sich mit der religiösen Problematik des Balkankonflikts
noch nicht befasst haben, aber diese Fragestellung nicht von sich
weisen wollen, richtet sich die Antwortmöglichkeit 8, dass sie darüber
noch weiter nachdenken wollen.

Die Frage wurde von nahezu allen Befragten bearbeitet, lediglich zwei
äußerten sich hierzu nicht. Es waren Mehrfachnennungen zugelassen,
so dass insgesamt 473 Antworten abgegeben wurden.

Knapp 20 % aller Antworten entfallen auf das erste Item „Religionen
tragen die Wurzeln von Hass und Fanatismus in sich, die zum Krieg
führen können“. Überdurchschnittlich häufig stammten diese von
Befragten ohne religiöse Sozialisation und ohne Zugehörigkeit zu
einer Religionsgemeinschaft (jeweils knapp 25 %) sowie von Teilnehmern
aus den neuen Bundesländern (gut 23 %). Mit zunehmendem
Bildungsgrad nimmt diese Auffassung ab (mit Hauptschulabschluss
gut 22 %, mit Realschulabschluss knapp 21 %, mit Abitur knapp
18 %, mit Hochschulabschluss gut 15 %).

Das zweite Item „die eigentliche Botschaft der Religionen ist Toleranz
und Menschlichkeit“ hat einen Anteil von knapp 14 % der Antworten.
Auch in diesem Fall liegt die Zustimmung von Befragten, die keiner
Religionsgemeinschaft angehören und aus den neuen Bundesländern
stammen, mit knapp 10 % bzw. gut 8 % deutlich darunter.

Die dritte Auffassung „die Religion wird als Begründung für Krieg
und Gewalt nur vorgeschoben; die tatsächlichen Ursachen liegen anderswo“
wird von gut 28 % der Antworten bestätigt und erreicht damit
die stärkste Ausprägung. Auffallend oft (gut 39 %) entschieden sich
Befragte im Alter zwischen 36 und 45 Jahren dafür. Während das Item
von Teilnehmern aus den neuen Bundesländern unterdurchschnittlich
häufig gewählt wird (gut 24 %), ist ein solcher Unterschied hinsicht



lich der Konfessionszugehörigkeit und des Schulabschlusses nicht
festzustellen.

Die kulturästhetische Sichtweise von der Unterschiedlichkeit der
Religionen als Ausdruck verschiedener Kulturen und Geisteshaltungen
(Item 4) findet in knapp 16 % der Antworten Zustimmung. Mit
zunehmendem Bildungsgrad nimmt diese Auffassung zu (mit Hauptschulabschluss
gut 12 %, mit Realschulabschluss gut 14 %, mit Abitur
und mit Hochschulabschluss knapp 21 %.

Als einen reinen Religionskrieg: „es gäbe keinen Balkankonflikt,
wenn es nur eine Religion gäbe“ (Item 5) wollen nur 8 % der Antworten
die Auseinandersetzung in Südosteuropa verstanden wissen.
Bei protestantischen Befragten ist diese Auffassung verbreiteter
(knapp 11 %) als bei katholischen (knapp 6 %) und bei denen, die
keiner Kirche angehören (knapp 10 %). Knapp 13 % der Antworten
von Befragten aus den neuen Bundesländern (aus alten Bundesländer
gut 6 %) bestätigen diese Meinung.

Die aufklärerische These (Item 6) „die Menschen wären toleranter,
wenn sie wüssten, dass es nur einen gemeinsamen Gott gibt“ teilen die
Befragten lediglich in 4 % ihrer Antworten.

Knapp 8 % der Antworten bejahen die Sichtweise von Item 7, dass
„jeder ... auch in den Kultstätten anderer Religionen zu seinem Gott
beten“ könne. Bei katholischen Befragten ist diese Auffassung häufiger
anzutreffen (knapp 11 %) als bei protestantischen (4 %) und bei
denen, die keiner Kirche angehören (knapp 5 %).

Auf Item 8 „ich bin erst hier in Bosnien auf diese Fragestellung gestoßen
und muss noch weiter darüber nachdenken“ kommt lediglich ein
Anteil von gut 1 % der Antworten. Noch geringer fallen mit knapp
1 % die Ergänzungen in dem offenen Item 10 ins Gewicht.


Am häufigsten wurde die Meinung geäußert, dass Religion als
Begründung für Krieg und Gewalt nur vorgeschoben wird und die
tatsächlichen Ursachen anderswo liegen. An zweiter Stelle steht
jedoch die Auffassung, dass Religionen die Wurzeln von Hass und
Fanatismus in sich tragen, die zum Kriege führen können.

Den Religionen wird somit eher eine negative Rolle zugesprochen,
indem sie als Ursache von Intoleranz gesehen werden. Bestenfalls
billigt man ihnen zu, dass sie selbst für fremde Ziele instrumentalisiert
werden.

Die an die theologische Aufklärung anknüpfenden Aussagen, dass
jeder auch in den Kultstätten anderer Religionen zu seinem Gott beten
könne und dass die Menschen toleranter wären, wenn sie wüssten,
dass es nur einen gemeinsamen Gott gibt, finden hingegen nur wenig
Resonanz.

3.2
Hat sich das Wertgefüge der Soldaten während des Einsatzes
verändert?
Um zu erfahren, ob und in welcher Weise sich der Auslandseinsatz
auf die persönliche Haltung und das Wertgefüge der Soldaten auswirkt,
wurde in der Einsatzbefragung um folgende Auskunft gebeten:
„Jeder von uns hat einen Maßstab, der für ihn wichtig ist. Wir möchten
gern von Ihnen wissen, ob sich dieser Maßstab im Hinblick auf
folgende Aussagen bei ihnen während des Bosnien-Aufenthalts geändert
hat.“ (Frage I/8)

Dabei sollten die Befragten mitteilen, ob die nachfolgend genannten
Items für sie wichtiger geworden, unwichtiger geworden oder gleich
geblieben sind:

-genug Selbstvertrauen haben,


-bei Schicksalsschlägen den Mut nicht sinken lassen, nicht verzweifeln,
-sich für andere Länder verantwortlich fühlen,
-immer eine befriedigende Aufgabe haben,
-im Dienst eingeschliffene Gewohnheiten kritisch hinterfragen,
-sich durchsetzen, auch wenn man dabei hart sein muss,
-an etwas glauben, einen Halt haben,
-auch unter erschwerten Bedingungen das Leben genießen,
-in sich ruhen, inneren Frieden haben,
-Menschen helfen, die in Not geraten.

Aus den Antworten der befragten Soldaten geht hervor, dass sich am
Repertoire der inneren Maßstäbe erhebliche Veränderungen vollzogen
haben. Durchschnittlich ist in fast jedem zweiten Fall Bewegung eingetreten.
Nur in knapp 51 % aller Fälle blieben die Maßstäbe unverändert.
Insgesamt erhielten sie bei weitaus mehr Befragten ein stärkeres
Gewicht (gut 42 %), als dass sie unwichtiger wurden (gut 7 %).

Jeder der vorgegebenen Maßstäbe hat in der persönlichen Beurteilung
durch die Befragten an Bedeutung zugenommen. Dies geschah in
einer Bandbreite von 54 % bis knapp 30 %:

-auch unter erschwerten Bedingungen das Leben genießen (54 %),
-im Dienst eingeschliffene Gewohnheiten kritisch hinterfragen (gut

49 %),
-an etwas glauben, einen Halt haben (knapp 47 %),
-sich durchsetzen, auch wenn man dabei hart sein muss (knapp

45 %),
-in sich ruhen, inneren Frieden haben (knapp 44 %),


-Menschen helfen, die in Not geraten (knapp 43 %),
-bei Schicksalsschlägen den Mut nicht sinken lassen, nicht verzweifeln
(gut 40 %),
-genug Selbstvertrauen haben (knapp 40 %),
-immer eine befriedigende Aufgabe haben (knapp 35 %),
-sich für andere Länder verantwortlich fühlen (knapp 30 %).

Abb. 11: Veränderte Maßstäbe (in %)

0 20 40 60
wichtiger unwichtiger gleich
Selbstvertrauen
Mut nicht sinken lassen
internationale Verantwortung
befriedigende Aufgabe
Gewohnheiten hinterfragen
Durchsetzungsvermögen
an etwas glauben
Leben genießen
innerer Friede
Menschen helfen

wichtiger
unwichtiger
gleich wichtiger
unwichtiger
gleich
% % % N N N
a Selbstvertrauen
36,9 3,8 59,3 87 9 140
b Mut nicht sin-
ken lassen 40,2 4,3 55,6 94 10 130
c internationale
Verantwortung 29,9 11,5 58,5 70 27 137
d befriedigende
Aufgabe 34,6 11,1 54,3 81 26 127
e Gewohnheiten
hinterfragen 49,4 7,3 43,3 115 17 101
f Durchsetzungsvermögen
44,9 6,4 48,7 105 15 114
g an etwas
glauben 46,6 4,7 48,7 109 11 114
h Leben genießen
54,0 9,8 36,2 127 23 85
i innerer Friede 43,6 8,1 48,3 102 19 113
j Menschen
helfen 42,6 5,1 52,3 100 12 123
Durchschnitt 42,27 7,21 50,52

Ganz besonders lernten die Befragten die Fähigkeit zu schätzen, unter
den sehr eingeschränkten äußeren Bedingungen des Einsatzes, Lebensfreude
zu entfalten („auch unter erschwerten Bedingungen das
Leben genießen“) und im dienstlichen Alltag Offenheit für die sich
ständig verändernden Verhältnisse zu bekommen („im Dienst eingeschliffene
Gewohnheiten kritisch hinterfragen“).


An der Spitze der unwichtig gewordenen Maßstäbe stehen zum einen
der Gesichtspunkt, mit dem Bosnieneinsatz internationale Verantwortung
wahrzunehmen („sich für andere Länder verantwortlich fühlen“
mit knapp 12 %) und zum anderen der Wunsch nach Arbeitszufriedenheit
(„immer eine befriedigende Aufgabe haben“ mit gut
11 %). Hier dürfte die Enttäuschung darüber eine Rolle spielen, dass
der militärische Einsatz zwar die Kämpfe beendet hat, aber es zu keiner
Annäherung der Konfliktparteien gekommen ist.

Auch haben sich manche den Dienst im Auslandseinsatz abwechslungsreicher
und interessanter vorgestellt, als dies tatsächlich der Fall
ist.

Am wenigsten verändert hat sich bei den Befragten der Maßstab „genug
Selbstvertrauen haben“. Dieser blieb in gut 59 % der Fälle unverändert.
Überwiegend konstant blieben ebenfalls die Werte für „sich
für andere Länder verantwortlich fühlen“ mit knapp 59 %, „bei
Schicksalsschlägen den Mut nicht sinken lassen, nicht verzweifeln“
mit knapp 56 %, „immer eine befriedigende Aufgabe haben“ mit
knapp 53 % und „Menschen helfen, die in Not geraten“ mit knapp
52 %.

In die Befragung der Rückkehrer war die Fragestellung aufgenommen
worden: „Ich habe mich durch meine Einsatzerfahrung bedingt öfter
als vorher mit folgenden Themen befasst: Mit 1. dem allgemeinen
Sinn des Lebens, 2. dem eigenen Tod, 3. Glaubensfragen, 4. meiner
Aufgabe in dieser Welt, 5. anderen Themen.“ (Frage V/5) Es konnten
hierbei Mehrfachnennungen abgeben werden.

Aus dem Antwortverhalten geht hervor, dass der Auslandseinsatz die
Soldaten in erheblichem Umfang mit existentiellen Problemen konfrontiert
hat. Von insgesamt 683 Befragten haben 528 (gut 77 %) die-
se Frage bearbeitet und mindestens ein solches Thema benannt, mit


dem sie sich öfter als zuvor auseinandergesetzt haben. Die wichtigste
Rolle spielt dabei die Frage nach dem Sinn des Lebens, die bei knapp
48 % der gültigen Fälle gewählt wurde. Es folgen die Themen „eigener
Tod“ mit knapp 42 %, „meine Aufgabe in der Welt“ mit knapp
38 % und „Glaubensfragen“ mit 21 %. Gut 24 % ergänzten die Themenliste.
Am häufigsten wurden „Familie“, „Sinn des Einsatzes“ und
„Sinnlosigkeit der Auseinandersetzungen auf dem Balkan“ hinzugefügt.


Abb. 12: Ich habe mich vorher öfter befasst mit den Themen ...
(in %)

0
10
20
30
40
50
60
Sinn eigener Glaubensmeine
andere
des Tod fragen Aufgabe
Lebens in der
Welt


% N
Sinn des Lebens 47,7 252
eigener Tod 41,5 219
Glaubensfragen 21,0 111
meine Aufgabe in der Welt 37,5 198
andere 24,4 129

Auffallend ist, dass sich immerhin gut 16 % der Befragten, die in
Kindheit und Jugend keinen Kontakt zu Kirche und Religion hatten,
häufiger als zuvor mit Glaubensfragen beschäftigt haben. Für jeden
zweiten aus diesem Personenkreis ist die Frage nach dem eigenen Tod
häufiger als zuvor virulent geworden, bei den Befragten, die eine religiöse
Sozialisation durchlaufen haben, ist dieser Anteil um 8 Prozentpunkte
geringer. Umgekehrt beschäftigten sich über 40 % der religiös
Sozialisierten öfter als vorher mit der eigenen Aufgabe in dieser Welt.
Das sind 12 Prozentpunkte mehr als bei denjenigen ohne Kontakt zu
Kirche und Religion in Kindheit und Jugend. Im Hinblick auf die Frage
nach dem allgemeinen Sinn des Lebens ist kein unterschiedliches
Antwortverhalten in Abhängigkeit von der religiösen Sozialisation der
Befragten festzustellen.

Im Konfessionsvergleich ist zunächst einmal festzustellen, dass die
Befragten, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, sich am wenigsten
häufiger als zuvor mit den in der Frage genannten existentiellen
Themen befasst haben. In den Bereichen „allgemeiner Sinn des
Lebens“, „eigener Tod“ und „meine Aufgabe in dieser Welt“ liegen
die katholischen Befragten vor den evangelischen. Lediglich das
Thema „Glaubensfragen“ wurde am häufigsten von evangelischen
Befragten benannt (gut 25 %) gefolgt im Abstand von gut
5 Prozentpunkten von den Katholiken (20 %). Bemerkenswert ist,


dass Glaubensfragen auch bei den Konfessionslosen (knapp 16 %)
eine nicht unerhebliche Rolle spielten.30

Abb. 13: Ich habe mich öfter als vorher mit dem Thema befasst ...
(nach Konfession, in %)

0
10
20
30
40
50
60 evangelisch
katholisch
ohne Konfession
Sinn
des
Lebens
eigener
Tod
Glaubensfragen
andere meine
Aufgabe
in der
Welt
30
Die statistische Überprüfung bestätigt – wie man auch erwarten dürfte – die Abhängigkeit
der Variable „Kontakt zu Kirche und Religion als Kind und Jugendlicher“
von der Religionszugehörigkeit der Befragten. Der dazugehörige Chi-
Quadrat-Test weist die Nullhypothese deutlich zurück (Chi-Square/Pearson: Value
100,601, df 3, Significance ,000 (!)). Wer in Kindheit und Jugend eine religiöse
Sozialisation erlebt hat, ist somit als Erwachsener mit hoher Wahrscheinlichkeit
konfessionell gebunden. Aus dieser Feststellung kann jedoch nicht geschlossen
werden, dass die Ergebnisse in allen Fällen deckungsgleich sind. So befassten
sich zwar 50 % derer, die in Kindheit und Jugend keinen Kontakt zu Kirchen hat-
ten, häufiger als zuvor mit dem Thema „eigener Tod“, während der entsprechende
Anteil bei den Konfessionslosen lediglich gut 37 % beträgt.


ev.
%
kath.
%
ohne K.
%
ev.
N
kath.
N
ohne K.
N
Sinn des Lebens 47,9 49,8 45,5 81 117 50
eigener Tod 40,8 45,5 37,3 69 107 41
Glaubensfragen 25,4 20,0 15,5 43 47 17
meine Aufgabe in
der Welt 37,3 40,9 30,0 63 96 33
andere 29,0 21,7 23,6 49 51 26

Im Hinblick auf das Lebensalter der Befragten lässt sich keine eindeutige
Tendenz bestimmen, wer sich häufiger als zuvor mit existentiellen
Themen auseinandersetzt. Bei „allgemeiner Sinn des Lebens“
liegen die Altergruppen dicht beieinander (ca. 50 %). Eine Ausnahme
bilden die 25-bis 35-Jährigen, bei denen dieser Anteil knapp 44 %
ausmacht.

Bei „meine Aufgabe in dieser Welt“ werden bei den Jüngsten und bei
den Ältesten die stärksten Anteile erreicht (gut 45 % bzw. knapp
46 %), während die 25- bis 35-Jährigen und die 36-bis 45-Jährigen
deutlich darunter liegen (gut 32 % bzw. knapp 37 %).

Das Thema „eigener Tod“ spielt hingegen bei den jüngsten Befragten
mit einem Anteil von gut 37 % die geringste und bei den 36- bis 45Jährigen
die größte Rolle (knapp 47 %).

Bei den Glaubensfragen lässt sich die Tendenz beobachten, dass sie
mit steigendem Alter an Bedeutung zunehmen. Bis zum Alter von
35 Jahren gaben nur ca. 18 % an, dass sie sich damit häufiger als zuvor
beschäftigt hätten. Bei den darüber liegenden Altersgruppen hingegen
ist dieser Anteil um ca. 9 Prozentpunkte höher.


Im Ost-West-Vergleich lässt sich ein unterschiedliches Antwortverhalten
lediglich bei dem Thema „meine Aufgabe in dieser Welt“ feststellen.
Die Befragten aus den alten Bundesländern geben zu knapp
39 % an, dass sie sich damit häufiger als zuvor befasst hätten, die Befragten
aus den neuen Bundesländern lediglich zu knapp 33 %.

Abb. 14: Ich habe mich öfter als vorher befasst mit den Themen ...
(nach regionaler Herkunft, in %)

0
10
20
30
40
50
60
nL aL
andere
des Tod fragen Aufgabe
Lebens in der
Welt

Glaubens-meine

Sinn eigener

nL % aL % nL N aL N
Sinn des Lebens 47,8 48,0 54 191
eigener Tod 41,6 42,2 47 168
Glaubensfragen 20,4 21,1 23 84
meine Aufgabe in der
Welt 32,7 38,9 37 155
andere 21,2 25,1 24 100


Die Gruppe der Befragten mit Hauptschulabschluss besitzt den
höchsten Anteil derer, die sich während des Einsatzes häufiger als
zuvor mit den Themen „allgemeiner Sinn des Lebens“ (knapp 55 %),
„eigener Tod“ (knapp 47 %) und „meine Aufgabe in dieser Welt“
(knapp 42 %) beschäftigt haben. Den geringsten Anteil weisen bei den
Themen „allgemeiner Sinn des Lebens“ und „eigener Tod“ die Abiturienten
mit knapp 37 % bzw. gut 35 % und bei „meine Aufgabe in
dieser Welt“ die Hochschulabsolventen mit knapp 29 % auf. Beim
Thema „Glaubensfragen“ liegen die Gruppen der Befragten mit
Hauptschul- und Realschulabschluss sowie die Abiturienten mit Anteilen
von jeweils ca. 20 % gleichauf. Bei den Befragten mit Studium
sind es jedoch knapp 25 %, für die Glaubensfragen während des Einsatzes
größere Bedeutung erlangt haben.

Betrachtet nach militärischen Dienstgraden ist es die Gruppe der
Stabsoffiziere (S), die bei den Themen „allgemeiner Sinn des Lebens“
(knapp 55 %), „Glaubensfragen“ (gut 30 %) und „meine Aufgabe in
dieser Welt“ (gut 45 %) die Spitzenplätze besetzt. Beim Item „eigener
Tod“ sind es die Unteroffiziere mit Portepee (UmP) (gut 48 %), für
die dieses Thema während des Einsatzes größere Bedeutung erlangte.
Die Gruppe der Offiziere (O) hingegen weist sowohl bei den Themen
„allgemeiner Sinn des Lebens“ (gut 36 %), „eigener Tod“ (gut 33 %)
und „meine Aufgabe in dieser Welt“ (knapp 31 %) die niedrigsten
Anteile auf. Für die befragten Unteroffiziere ohne Portepee (UoP)
haben „Glaubensfragen“ am wenigsten häufig eine wichtigere Rolle
gespielt als vor dem Einsatz (knapp 17 %).


Abb. 15: Ich habe mich öfter als vorher befasst mit den Themen ...
(nach Dienstgrad, in %)

60
50
40
30
20
10
0

M UoP UmP O S
Sinn des

eigener

Glaubens


meine

andere


Lebens Tod frage Aufgabe
in der
Welt

M
%
UoP
%
UmP
%
O
%
S
%
M
N
UoP
N
UmP
N
O
N
S
N
Sinn des
Lebens 48,6 45,8 50,5 36,4 54,7 53 38 108 24 29
eigener
Tod 36,7 41,0 48,1 33,3 35,8 40 34 103 22 19
Glaubensfragen
18,3 16,9 21,5 21,2 30,2 20 14 46 14 16
meine
Aufgabe
in der
Welt
37,6 43,4 35,0 31,8 45,3 41 36 75 21 24
andere 22,9 20,5 19,6 39,4 34,0 25 17 42 26 18


3.3 Was bedeutet Gott für die Soldaten?
Kapitel VII des Fragebogens widmet sich sowohl im Einsatz als auch
bei den Rückkehrern besonders der Militärseelsorge im Feldlager
Rajlovac und darüber hinaus der Frage, ob und gegebenenfalls welche
Rolle die religiöse Dimension für sie während ihres Einsatzes in Bosnien
gespielt hat.

Um einen Anhaltspunkt dafür zu bekommen, wie stark die innere religiöse
Bindung ausgeprägt ist und in welchen Lebenssituationen sie
zum Ausdruck kommt, wurde in VII/1 um Auskunft gebeten: „Falls
Sie während Ihres Aufenthalts in Bosnien schon einmal an Gott
gedacht haben (bzw. hatten), bitten wir Sie, uns mitzuteilen, in welchem
Zusammenhang.“

Die Chiffre „Gott“ steht an dieser Stelle für das Unverfügbare, für das,
was außerhalb menschlichen Einflussbereiches liegt. Sie zielt hier
nicht auf ein spezifisch christliches Gottesbild ab.

Mit Absicht ist die Formulierung „an Gott gedacht haben“ sehr weit
gefasst, um möglichst vielen Soldaten Gelegenheit zu bieten, sich
darin wiederzufinden. Die weitergehende religiöse Ausdrucksform
wäre das Gebet. Danach zu fragen, würde jedoch den Adressatenkreis
stark einengen. Dies ist nicht angebracht, da es hier nicht auf die Messung
der Intensität religiöser Bindung ankommt, sondern um Religion
als Mittel der Daseinsbewältigung.

Der für diesen Bereich der Untersuchung gewählte mehrdimensionale
religionssoziologische Methodenansatz von Charles Glock lässt es zu,
im Rahmen der Dimension religiös motivierten Verhaltens bzw. der
säkularen Effekte religiösen Glaubens (consequential dimension) verschiedene
Ebenen ethischer Relevanz zu differenzieren.


Für die Bearbeitung der Frage wurden folgende Aussagenvarianten
zur Verfügung gestellt, wobei Mehrfachantworten zulässig waren:

-im Zusammenhang mit Menschen, die mir wichtig sind,

-dass ich nicht zu Schaden komme,

-im Zusammenhang mit Elend und Zerstörung in Bosnien,

-dass meine persönlichen Beziehungen nicht in die Brüche gehen,

-dass mein Einsatz hier etwas Positives für das Land und die Menschen
bewirkt,

-dass meine Kameraden nicht zu Schaden kommen,

-im Zusammenhang mit dem Hass zwischen den Menschen in
Bosnien,

-dass in Bosnien Friede und Versöhnung einkehren,

-ich habe weder an Gott gedacht noch gebetet,

-sonstiges.

Das Item „dass ich nicht zu Schaden komme“ ist der individualethischen
Ebene zuzuordnen, die Aussagen „im Zusammenhang mit
Menschen, die mir wichtig sind“, „dass meine persönlichen Beziehungen
nicht in die Brüche gehen“ und „dass meine Kameraden nicht zu
Schaden kommen“ der personalethischen.

Die Formulierungen „im Zusammenhang mit Elend und Zerstörung in
Bosnien“, „dass mein Einsatz hier etwas Positives für das Land und
die Menschen bewirkt“, „im Zusammenhang mit dem Hass zwischen
den Menschen in Bosnien“ und „dass in Bosnien Friede und Versöhnung
einkehren“ beziehen sich sämtlich auf das Einsatzgebiet und
sprechen verschiedene Nuancen der sozial- bzw. politisch-ethischen
Ebene an. In Item 3 geht es um die persönliche Betroffenheit über die
katastrophalen äußeren Lebensbedingungen in Bosnien. Ihnen kann
mit materieller Hilfeleistung begegnet werden. Item 7 thematisiert das
innere Unheil der Region, den Hass zwischen den Menschen. Diesen


können die ausländischen Soldaten eindämmen, jedoch nicht aus den
Herzen der Menschen beseitigen. Item 8 nimmt mit den Stichworten
„Frieden“ und „Versöhnung“ den Auftrag auf, den die Soldaten
haben, nämlich den Friedensprozess im früheren Jugoslawien militärisch
abzusichern. Item 5 formuliert den militärischen Auftrag
bescheidener als persönlichen Wunsch, „etwas Positives“ für das Land
und die Menschen zu bewirken.

Bei der Konzeption des Fragebogens war die Befürchtung aufgetaucht,
dass die Fragestellung und insbesondere der Begriff „Gott“ bei
vielen eine Abwehrhaltung und Verweigerung erzeugen könnte. Dies
hat sich nicht bewahrheitet. Der weitaus größte Teil der Befragten hat
diese Frage bearbeitet.

Während aus den Antworten der Einsatzbefragung hervor geht, dass
immerhin ein Anteil von knapp 57 % der Befragten während ihres
Bosnienaufenthaltes an Gott gedacht hat, und die übrigen gut 43 %
angeben, dass dies nicht der Fall gewesen sei, kommt die Rückkehrerbefragung
zu einem noch deutlicheren Ergebnis. Hier sind es nur noch
knapp 32 % der Befragten, die ankreuzen, dass sie während ihres Einsatzes
in Bosnien weder an Gott gedacht noch gebetet hätten. Dies
bedeutet gegenüber der Einsatzbefragung einen Rückgang um knapp
27 % (12 Prozentpunkte). Hingegen benennen gut 68 % der Befragten,
dass und in welchem Zusammenhang sie in Bosnien an Gott gedacht
hatten.


Abb. 16: Ich habe in Bosnien an Gott gedacht
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %


0
20
40
60
80
an Gott gedacht nicht an Gott gedacht
EB RB
EB % RB % EB N RB N
an Gott gedacht 56,7 68,2 131 438
nicht an Gott gedacht 43,3 31,8 100 204

In beiden Befragungen entfielen jeweils die meisten Nennungen auf
das Item „im Zusammenhang mit Menschen, die mir wichtig sind“. In
der ersten Befragung waren dies gut 39 % der Befragten, in der Rückkehrerbefragung
kam es zu einem Anstieg um gut 12 % (knapp
5 Prozentpunkte) auf gut 44 %.

An zweiter Stelle folgte in der Einsatzbefragung mit erheblichem
Abstand von über 20 Prozentpunkten die Hoffnung, selbst nicht zu
Schaden zu kommen bzw. der Wunsch, dass in Bosnien Friede und
Versöhnung einkehrt mit jeweils 19 %. An zweiter Rangstufe in der
Rückkehrerbefragung gaben gut 30 % der Befragten an, sie hätten im
Zusammenhang mit dem Elend vor Ort in ihrem Bosnieneinsatz an
Gott gedacht. Das bedeutet für dieses Item gegenüber der Einsatzbe



fragung den erheblichen Zuwachs um 114 % (gut 16 Prozentpunkte).
Selbst nicht zu Schaden zu kommen und die Hoffnung auf Frieden in
Bosnien liegen in der Rückkehrerbefragung mit gut 25 % (Steigerung
um gut 6 Prozentpunkte, das sind gut 33 %) bzw. knapp 21 % (Steigerung
um knapp 2 Prozentpunkte, das sind gut 8 %) auf den Plätzen
3 bzw. 7.

In der Einsatzbefragung folgen die übrigen auf Bosnien bezogenen
Items „dass mein Einsatz hier etwas Positives für das Land und die
Menschen bewirkt“ mit knapp 17 % (Rückkehrerbefragung knapp
21 %; Steigerung um 4 Prozentpunkte, das sind knapp 24 %), „im
Zusammenhang mit dem Hass zwischen den Menschen in Bosnien“
mit knapp 16 % (Rückkehrerbefragung knapp 23 %; Steigerung um
knapp 7 Prozentpunkte, das sind gut 44 %) und „im Zusammenhang
mit Elend und Zerstörung in Bosnien“ mit gut 14 %. Das letztgenannte
Item nimmt – wie oben ausgeführt – aufgrund einer Steigerung
von über 16 Prozentpunkten in der Rückkehrerbefragung Rang zwei
ein.

Am Ende der Skala rangieren bei den Ergebnissen der Einsatzbefragung
„dass meine Kameraden nicht zu Schaden kommen“ mit 13 %
(Rückkehrerbefragung gut 22 %; hier Rang 5; Steigerung um gut
9 Prozentpunkte, das sind knapp 71 %) und mit knapp 11 % „dass
meine persönlichen Beziehungen nicht in die Brüche gehen“ (Rückkehrerbefragung
knapp 17 %; Steigerung um knapp 6 Prozentpunkte,
das sind knapp 53 %). Die Sorge um die persönlichen Beziehungen
wird in beiden Befragungen von der geringsten Zahl der Befragten als
Thema genannt, in dessen Zusammenhang sie im Einsatz an Gott gedacht
hätten.


Abb. 17: Ich habe in Bosnien an Gott gedacht im Zusammenhang ...
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %)

0 10 20 30 40 50


mir wichtigen Menschen
dass ich nicht zu Schaden
komme
Elend in Bosnien

persönliche Beziehungen

das Einsatz Positives bewirkt
Kameraden nicht zu Schaden
kommen
Hass in Bosnien

Friede in Bosnien

anderem

(nicht an Gott gedacht oder
gebetet)

EB
RB



EB % RB % EB N RB N
1 mir wichtigen Menschen 39,4 44,3 91 284
2 dass ich nicht zu Schaden
komme 19,0 25,3 44 162
3 Elend in Bosnien 14,3 30,6 33 196
4 persönliche Beziehungen 10,8 16,5 25 106
5 dass Einsatz Positives bewirkt
16,9 20,9 39 134
6 Kameraden nicht zu Schaden
kommen 13,0 22,2 30 142
7 Hass in Bosnien 15,6 22,5 36 144
8 Friede in Bosnien 19,0 20,6 44 132
10 anderem 2,2 6,4 5 41
9 (nicht an Gott gedacht oder
gebetet) 43,3 31,8 100 204

Beide Befragungen zeigen, dass die Befragten in besonders hohem
Maße im Zusammenhang mit ihnen wichtigen Menschen an Gott
gedacht haben. In der Rückkehrerbefragung erhielt dieses Item noch
einen Zuwachs von gut 12 %. Die Soldaten tun sich besonders schwer
damit, dass gerade der für sie besonders wichtige Personenkreis
momentan dem eigenen Einfluss entzogen ist. Hingegen spielen die
persönlichen Beziehungen im Zusammenhang mit dem Denken an
Gott oder dem Gebet im Einsatz lediglich eine untergeordnete Rolle.
Dies sagt jedoch nichts über Wichtigkeit dieses Items für die Befragten
aus, sondern hat seinen Grund darin, dass der zwischenmenschliche
Bereich nach deren Dafürhalten am wenigsten dem eigenen Einfluss
entzogen ist, sondern trotz des räumlichen Abstandes von ihnen
gestaltet werden kann.


Item 2 dient der Feststellung, in welchem Ausmaß der Gedanke an
Gott mit dem eigenen Wohlergehen in Verbindung gebracht wird. Der
vergleichsweise hohe Anteil von 19 % in der Einsatzbefragung und
der nochmalige Anstieg um gut 33 % in der Rückkehrerbefragung
spiegeln das Bewusstsein wider, auch im Hinblick auf die eigene Unversehrtheit
nicht Herr der Lage zu sein.

In der Einsatzbefragung wurde Item 8, in dem es um den Wunsch
nach Frieden und Versöhnung und Bosnien geht, ebenso häufig wie
Item 2 „dass ich nicht zu Schaden komme“ gewählt. In der Rückkehrerbefragung
haben sich diese Verhältnisse etwas verschoben. Hier
liegt Item 2 auf Rang 3 und Item 8 auf Rang 7, während das Anliegen
von Item 3 „im Zusammenhang mit Elend und Zerstörung in Bosnien“
auf Position zwei vorgerückt ist.

Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich bei den Befragten
nach ihrer Rückkehr aus dem Einsatz der Stellenwert und die Perspektiven
der auf Bosnien bezogenen Items 3, 5, 7 und 8 vorschoben
haben. Galten in der Einsatzbefragung gut 32% der abgegebenen
Antworten diesem Themenkreis, so stieg deren Anteil in der Rückkehrerbefragung
um fast 8 Prozentpunkte auf gut 39 % an. Den Befragten,
die den Gedanken an Gott im Zusammenhang mit diesem
Problemfeld sehen, liegt das Schicksal des Landes und seiner Menschen
und der gute Ausgang ihres eigenen Einsatzes am Herzen, doch
spüren sie auch, dass dieser Hoffnung noch die solide Grundlage fehlt.

In der ersten Befragung wurde die Vorstellung, dass Friede und Versöhnung
in Bosnien einkehrt (Item 8), am stärksten mit Gott in Verbindung
gebracht und am wenigsten der Gedanke an Elend und Zerstörung
in Bosnien (Item 3). In der Rückkehrerbefragung hat sich
dieses Verhältnis umgekehrt, Item 3 liegt an erster und Item 8 an
letzter Stelle der Nennungen. Das bedeutet, dass den Befragten während
des Einsatzes der Kampf gegen konkrete Übel wie Elend und


Zerstörung in Bosnien als für das menschliche Handeln zugänglicher
erschien und daher weniger stark mit dem Gedanken an Gott verbunden
wurde, als die Abschaffung des Hasses zwischen den Ethnien
oder gar die Einkehr von Friede und Versöhnung. Aus der Sicht der
Rückkehrer treten das Leiden der Menschen und die sichtbaren Zeichen
der Zerstörung wieder stärker ins Bewusstsein, die während des
Aufenthaltes im Einsatzland der gewöhnliche tägliche Anblick geworden
waren.

Dieses Ergebnis wirft ein bezeichnendes Licht auf die unter Frage I/8
der Einsatzbefragung getroffene Feststellung, dass sich der Aspekt
„sich für andere Länder verantwortlich fühlen“ für die Befragten an
unterster Stelle der wichtiger gewordenen Maßstäbe und an oberster
Position der unwichtiger gewordenen befindet. Das „wichtiger“ bzw.
„unwichtiger“ Werden von ethischen Maßstäben bekommt im Licht
von Frage VII/1 eine neue Dimension. Es handelt sich im konkreten
Fall nicht um einen resignativen Rückzug aus internationalem Verantwortungsbewusstsein
und um Desinteresse an dem Wohlergehen
anderer Völker. Sonst würde diese Thematik auch beim Denken an
Gott keine Rolle spielen. Von maßgeblicher Bedeutung ist offenbar
die Erkenntnis, dass das eigene Handeln und die Anstrengungen der
Staatengemeinschaft nur dann erfolgreich sein werden, wenn von außen
etwas hinzukommt, das mit der Chiffre „Gott“ belegt wird.

So wird es auch nachvollziehbar, dass die Antworten zu Item 6 „dass
meine Kameraden nicht zu Schaden kommen“ und zu Item 4 „dass
meine persönlichen Beziehungen nicht in die Brüche gehen“ in beiden
Befragungen lediglich Werte im unteren Bereich einnehmen, obwohl
in der Rückkehrerbefragung Steigerungen von knapp 71 % bzw.
knapp 53 % zu verzeichnen sind. Gerade Kameraden und Freunden
wird ansonsten in der Befragung eine hohe Bedeutung zugemessen.
Wenn dies im vorliegenden Zusammenhang nicht der Fall zu sein
scheint, hat das seinen Grund darin, dass der zwischenmenschliche


Bereich nach dem Dafürhalten der Befragten am wenigsten dem eigenen
Einfluss entzogen ist.

Vergleicht man die Ergebnisse von Einsatzbefragung und Rückkehrerbefragung
in Hinblick darauf, ob während des Bosnieneinsatzes
an Gott gedacht oder gebetet wurde, so zeigen sich erhebliche Veränderungen
innerhalb der betrachteten Gruppen.

Für die Einsatzbefragung lassen sich die Befragten, die während des
Bosnieneinsatzes am wenigsten an Gott gedacht oder gebetet haben,
folgendermaßen charakterisieren: Sie sind nicht religiös sozialisiert,
gehören keiner Religionsgemeinschaft an, stammen aus den neuen
Bundesländern, besitzen Realschulabschluss, sind unter 25 Jahre alt
und gehören zu den Mannschaftsdienstgraden.

Diejenigen hingegen, die während des Bosnieneinsatzes am häufigsten
an Gott gedacht oder gebetet haben, sind Stabsoffiziere, wurden in
Kindheit und Jugend religiös sozialisiert, gehören einer der großen
Kirchen an, sind über 35 Jahre alt, besitzen einen Hochschulabschluss
und stammen vornehmlich aus den alten Bundesländern.


Abb. 18: In Bosnien nicht an Gott gedacht oder gebetet
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %
)


0 20 40 60 80

Stabsoffz
> 45
kath.
36-45
evang.


EB

RB

aL
HS
Uni
Uffz m.P.
relig. sozialisiert
Offz
Abi
< 25
25-35
RS
Uffz o.P.
Msch
nL
nicht relig. sozialisiert
keine Rg.


Item
EB % RB %
PP Rückgang
Rückgang
%
Stabsoffz 20,8 11,5 9,3 44,7
> 45 22,2 13,2 9,0 40,5
kath. 35,4 19,3 16,1 45,5
36–45 36,4 20,9 15,5 42,6
evang. 40,3 24,1 16,2 40,2
aL 39,1 24,7 14,4 36,8
HS 40,3 25,0 15,3 38,0
Uni 30,0 25,3 4,7 15,7
Uffz m.P. 38,6 26,7 11,9 30,8
relig. sozialisiert 37,3 26,9 10,4 27,9
Offz 42,9 27,5 15,4 35,9
Abi 42,6 29,6 13,0 30,5
< 25 54,4 37,6 16,8 30,9
25–35 42,0 38,1 3,9 9,3
RS 54,7 38,8 15,9 29,1
Uffz o.P. 48,1 43,1 5,0 10,4
Msch 52,6 43,8 8,8 16,7
nL 61,9 55,5 6,4 10,3
nicht relig. sozialisiert 69,0 56,0 13,0 18,8
keine Rg. 68,0 67,1 0,9 1,3


Diese Profile sind in der Tendenz auch für die Rückkehrerbefragung
ähnlich zu beschreiben. Jedoch ergeben sich einige beachtenswerte
Verschiebungen. Bei denen, die während des Bosnieneinsatzes am
wenigsten an Gott gedacht oder gebetet haben, zeigen die Befragten,
die keiner Religionsgemeinschaft angehören, nahezu keine Veränderungen.
In der Einsatzbefragung gaben 68 % von ihnen an, weder an
Gott gedacht noch gebetet zu haben. In der Rückkehrerbefragung waren
es gut 67 %, das entspricht einem Rückgang um knapp 1 Prozentpunkt
bzw. um gut 1 %. Hingegen kam es bei denen, die keine religiöse
Sozialisation erfahren haben, in der zweiten Befragung zu einem
Rückgang um knapp 19 % (EB: 69 %; RB: 56 %; -13 Prozentpunkte).
In ähnlichem Umfang finden sich Veränderungen bei den Befragten
mit Mannschaftsdienstgraden. Hier ging der Anteil derer, die während
des Bosnieneinsatzes nicht an Gott gedacht oder gebetet haben um
knapp 17 % zurück (EB: knapp 53 %; RB: knapp 44 %; -9 Prozentpunkte).
Noch erheblicher ist der Rückgang bei der Gruppe der Realschulabsolventen
mit gut 29 % (EB: knapp 55 %; RB: knapp 39 %;
-16 Prozentpunkte) und bei den unter 25-Jährigen mit knapp 31 %
(EB: gut 54 %; RB: knapp 38 %; -17 Prozentpunkte). Bei den Befragten
aus den neuen Bundesländern kam es zu einem Rückgang von
gut 10 % (gut 6 Prozentpunkte).

Bei den Befragten, die während des Bosnieneinsatzes am häufigsten
an Gott gedacht oder gebetet haben, ist im Vergleich von Einsatz-und
Rückkehrerbefragung eine noch stärkere prozentuale Abnahme der
erhobenen Werte festzustellen. Um knapp 46 % sank der Anteil der
katholischen Befragten, die angaben, während des Bosnieneinsatzes
weder an Gott gedacht noch gebetet zu haben (EB: gut 35 %; RB: gut
19 %; -16 Prozentpunkte). Bei den Evangelischen verringerte sich die
Zahl um gut 40 % von gut 40 % in der Einsatzbefragung auf gut 24 %
in der Rückkehrerbefragung. Die Stabsoffiziere, die schon in der
Einsatzbefragung mit knapp 21 % den niedrigsten Wert der unter



suchten Teilgruppen lieferten, verringerten diesen in der Rückkehrerbefragung
um knapp 45 % auf knapp 12 %.

Auch in der Rückkehrerbefragung waren es die über 35 Jahre alten
Befragten, die am wenigsten von sich sagten, dass sie während des
Bosnieneinsatzes weder an Gott gedacht noch gebetet hätten. Bei den
über 45-Jährigen sank dieser Anteil von gut 22 % in der Einsatzbefragung
auf gut 13 % in der Rückkehrerbefragung. Dies entspricht einem
Rückgang um knapp 41 % bzw. 9 Prozentpunkte. Bei den 36-bis 45Jährigen
verringerte sich der entsprechende Wert um knapp 43 % von
gut 36 % auf knapp 21 %.

Während in der Einsatzbefragung gut 39 % der Befragten, die aus den
alten Bundesländern stammten, angaben, während des Bosnieneinsatzes
weder an Gott gedacht noch gebetet zu haben, waren es in der
Rückkehrerbefragung nur noch knapp 25 %. Dies ist eine Abnahme
um knapp 37 %.

Nach dem Gesichtspunkt des formalen Bildungsgrades waren es in
der Einsatzbefragung die Befragten mit Hochschulabschluss, die am
wenigsten geäußert hatten, dass sie während des Bosnieneinsatzes
weder an Gott gedacht noch gebetet hatten. In der Rückkehrerbefragung
sank dort der Anteil um knapp 16 % auf gut 25 %. Jedoch liegen
sie nunmehr gleichauf mit den Hauptschulabsolventen, deren Werte
von gut 40 % in der Einsatzbefragung auf 25 % in der Rückkehrerbefragung
zurückgingen (Verringerung um 38 %).

Die beschriebenen Profile und die Veränderung des Antwortverhaltens
zwischen Einsatzbefragung und Rückkehrerbefragung zeigen auf,
wie unterschiedlich im Hinblick auf Art und Weise und Umfang Soldaten
Religion als Lebensbewältigungsstrategie einsetzen.


Die Gruppe mit dem Profil „Stabsoffizier, religiös sozialisiert, Kirchenmitglied,
über 35 Jahre alt, Hochschulabschluss, aus den alten
Bundesländern“ neigt stärker dazu, Vorgänge des Lebens religiös zu
deuten und zu bewältigen. Sie hat von vornherein eine große Nähe zur
Arbeit der Militärpfarrer und gehört zu ihrem „Stammklientel“. Sie
erwartet von ihnen ein bestimmtes Spektrum von Angeboten wie
Gottesdienste, Gesprächskreise und soziale Aktionen und nimmt bereitwillig
daran teil. Gerade in dieser Gruppe sind bei der Rückkehrerbefragung
die höchsten Zuwächse bei der Frage zu verzeichnen, ob
während des Bosnienaufenthalts an Gott gedacht oder gebetet wurde.

Hingegen dürfte die Gruppe mit dem Profil „nicht religiös sozialisiert,
konfessionslos, aus den neuen Bundesländern, Realschulabschluss,
unter 25 Jahre alt, Mannschaftsdienstgrad“ zunächst nicht so leicht für
die traditionellen kirchlichen Angebote zu gewinnen sein. Die Ergebnisse
der Einsatzbefragung zeigten, dass bei diesen Soldaten die Affinität
zu Religion nur schwach ausgeprägt ist. Allerdings zeigt auch
hier die Rückkehrerbefragung, dass bei diesen Menschen durch den
Auslandseinsatz einiges in Bewegung gekommen ist und ihr Denken
bei existentiellen Fragen zum Teil deutlich an Gottesbezug zugenommen
hat. Dies trifft hauptsächlich für die Befragten mit unterem formalen
Bildungsabschluss, für die unter 25-Jährigen, für Mannschaftsdienstgrade,
für die nicht religiös Sozialisierten und für die Befragten
aus den neuen Ländern zu. Hingegen blieb der Wert bei den Konfessionslosen
konstant. Jedoch ist auch bei Offizieren und Unteroffiziere
mit Portepee, die zu keiner der beiden Profile gehören, erhebliches
Veränderungspotential vorhanden. Bei diesem Personenkreis muss
man davon ausgehen, dass er weniger als die erste Gruppe damit vertraut
ist, Lebensumständen einen Bezug zu Gott zu geben und in religiösen
Kategorien zu denken. Daraus erwächst für die Militärseelsorge
die Chance, sich diesen Menschen als Experten für die religiöse
Deutung von Lebensumständen zur Verfügung zu stellen.


3.4 Hat der Glaube Auswirkungen auf die Politik?
Frage VII/2 „Haben Ihrer Meinung nach die Zehn Gebote eine Bedeutung
für die Politik?“ zielt ebenfalls auf die Dimension religiös
motivierten Verhaltens bzw. der säkularen Effekte religiösen Glaubens.


Hinter Item 1 „Gottes Gebote und Politik haben nichts miteinander zu
tun“ steht die privatistische Auffassung, dass die Bereiche Religion
und Politik völlig auseinander zu halten sind. Religion sei Privatsache
und habe sich auf individuelle Frömmigkeit und religiösen Kultus zu
beschränken.

Item 2 „Gottes Gebote und die staatlichen Gesetze gehören zusammen“
geht von einem unmittelbaren Zusammenhang religiöser Weisungen
und weltlicher Regelungen aus (naturrechtlicher bzw. schöpfungsordnungstheologischer
Ansatz).

Item 3 „in der Politik würde vieles besser sein, wenn sie ihre Grundsätze
an den Zehn Geboten ausrichten würde“ behauptet zwar keinen
direkten Zusammenhang zwischen göttlichem und weltlichem Recht;
ein politisches Handeln aus christlicher Verantwortung soll jedoch zur
Verbesserung der irdischen Verhältnisse beitragen können.

Item 4 „wenn sich Politiker nach den Zehn Geboten richten, sind sie
im Nachteil gegenüber denen, die keine Skrupel haben“ spiegelt die
pessimistische Haltung wider, dass religiös motiviertes Handeln zwar
das (im engen Sinne) zwischenmenschliche Zusammenleben bestimmen
könne, jedoch auf den Bereich der Realpolitik nicht anwendbar
sei. Nach dieser Auffassung benötigen Politiker für ihre Tätigkeit
Freiraum, der ihnen auch eine gewisse Skrupellosigkeit ermöglicht.

Auch diese Frage wurde in beiden Befragungen von den meisten Teilnehmern
bearbeitet (EB N=229; RB N=655). Lediglich von jeweils

109


gut 4 % wurde sie übergangen. Dabei standen sich in der Einsatzbefragung
die Gruppen derer, die meinen, Religion und Politik hätten
nichts miteinander zu tun, und derer, die der Auffassung sind, Religion
habe Bedeutung für die Politik, mit einem Anteil von jeweils knapp
38 % gleich stark gegenüber. Viele (knapp 25 %) waren jedoch unentschieden.
In der Rückkehrerbefragung hat sich das Bild erheblich
verändert. Die Zahl derer, die der Auffassung waren, dass die Zehn
Gebote keine Bedeutung für die Politik hätten, ging um gut 21 %
(8 Prozentpunkte) auf knapp 30 % zurück. Hingegen wuchs der Anteil
der Befragten, die den Zehn Geboten eine Bedeutung für den politischen
Bereich zumaßen, um 17 % (gut 6 Prozentpunkte) auf 44 %.
Hingegen fand bei den Unentschlossenen („weiß nicht“) mit einem
Zuwachs von 6 % (1,5 Prozentpunkte) nur eine geringfügige Veränderung
statt.

Aufgrund der Möglichkeit von Mehrfachnennungen entfielen auf die
gesamte Frage VII/2 in der Einsatzbefragung 280 und in der Rückkehrerbefragung
812 Antworten. Davon erhielten die einzelnen Aussagen
folgende Anteile: „Gottes Gebote und Politik haben nichts miteinander
zu tun“ Einsatzbefragung: knapp 31 %; Rückkehrerbefragung:
knapp 23 %, „Gottes Gebote und die staatlichen Gesetze gehören
zusammen“ Einsatzbefragung: knapp 11 %; Rückkehrerbefragung:
ebenfalls knapp 11 %, „in der Politik würde vieles besser sein, wenn
sie ihre Grundsätze an den Zehn Geboten ausrichten würde“ Einsatzbefragung:
gut 19 %; Rückkehrerbefragung: knapp 23 %, „wenn sich
Politiker nach den Zehn Geboten richten, sind sie im Nachteil gegenüber
denen, die keine Skrupel haben“ Einsatzbefragung: knapp 14 %;
Rückkehrerbefragung: 17 %.

Bezogen auf die Gesamtzahl der Antworten haben in der Einsatzbefragung
gut 20 % und in der Rückkehrerbefragung gut 21 % mit „weiß
nicht“ votiert. In die offene Kategorie „anderes“ erfolgten in der


Einsatzbefragung von gut 5 % und in der Rückkehrerbefragung von
gut 6 % Eintragungen.

Abb. 19: Bedeutung der Zehn Gebote für die Politik
(nach Antworten, in %)

0
5
10
15
20
25
30
35
EB RB
keine
Bedeutung
beides
gehört zusammen
würde
Politik
verbessern
Nachteil
gegenüber
Skrupellosen
weiß
nicht
anderes
EB % RB % EB N RB N
keine Bedeutung 30,7 22,9 86 186
beides gehört zusammen 10,7 10,7 30 87
würde Politik verbessern 19,3 21,7 54 176
Nachteil gegenüber Skrupellosen 13,6 17,0 38 138
weiß nicht 20,4 21,3 57 173
anderes 5,4 6,4 15 52
N 100 100 280 812


In beiden Befragungen war der Anteil von Unentschiedenen dabei
überdurchschnittlich hoch bei den unter 25-Jährigen (EB: 42 %, RB:
gut 40 %) und folglich auch bei den Mannschaftsdienstgraden (EB:
knapp 44 %, RB: knapp 38 %), bei denen, die nicht oder nur schwach
kirchlich sozialisiert sind (EB: 40 %, RB: gut 42 %), keiner Kirche
angehören (EB: gut 35 %, RB: gut 36 %) und die aus den neuen Bundesländern
stammen (EB: gut 45 %, RB: knapp 42 %).

In der Einsatzbefragung wiesen Evangelische, Katholiken und auch
Befragte, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, mit Anteilen
von jeweils ca. 35 % kaum Unterschiede im Hinblick darauf auf, wie
häufig sie die Aussage bejahten, „Gottes Gebote und Politik haben
nichts miteinander zu tun“. Allerdings waren ca. 40 % der Kirchenmitglieder
und nur knapp 30 % der Konfessionslosen der Meinung,
dass die Zehn Gebote eine Bedeutung für die Politik hätten. Mehr als
ein Drittel der Konfessionslosen hatte mit „weiß nicht“ votiert, bei den
Evangelischen waren es gut 26 % und bei den Katholiken gut 21 %.

In der Rückkehrerbefragung haben sich die Anteile bei „weiß nicht“
bei den drei Gruppen kaum verändert. Jedoch nahm der Anteil derer,
die den Zehn Geboten Bedeutung für die Politik zumessen, bei den
Evangelischen um gut 21 % (gut 8 Prozentpunkte) auf knapp 48 %,
bei den Katholiken um ebenfalls gut 21 % (knapp 9 Prozentpunkte)
auf 50 % und bei den Konfessionslosen um gut 10 % (3 Prozentpunkte)
auf gut 32 % zu.


Tabelle 8: Bedeutung der Zehn Gebote für die Politik
(nach Konfession)

EB RB
e % k % o % e % k % o %
N N N N N N
ja 39,4 41,2 29,2 47,7 50,0 32,2
24 47 14 100 139 49
nein 34,4 37,7 35,4 25,2 29,1 31,6
21 43 17 53 81 48
w. n. 26,2 21,1 35,4 27,1 20,9 36,2
16 24 17 57 58 55
N 61 114 48 210 278 152

EB=Einsatzbefragung; RB=Rückkehrerbefragung; e=evangelisch; k=katholisch;
o=ohne Konfession (nach Fällen); w. n.= weiß nicht

Sowohl bei den Befragten, die in Kindheit und Jugend religiös geprägt
wurden wie auch diejenigen, die in dieser Zeit keinen Kontakt zu Kirche
und Religion hatten, trifft man in der Einsatzbefragung auf einen
Anteil von jeweils ca. 37 %, die nicht der Meinung sind, dass die Zehn
Gebote Bedeutung für die Politik hätten. Gut 43 % derjenigen mit
religiöser Sozialisation und knapp 23 % derjenigen ohne religiöse
Sozialisation sind der gegenteiligen Auffassung, dass nämlich die
Zehn Gebote von Bedeutung für die Politik seien. Bei der letztgenannten
Gruppe ist der Anteil von Unentschiedenen sehr hoch (40 %
„weiß nicht“), während er bei den Befragten mit religiöser Sozialisation
knapp 21 % beträgt.


In der Rückkehrerbefragung stieg der Anteil derer, die die Bedeutung
der Zehn Gebote für die Politik bejahen, bei den Personen mit religiöser
Sozialisation um gut 14 % (gut 6 Prozentpunkte) auf fast 50 % und
bei denen ohne religiöse Sozialisation um 28 % (gut 6 Prozentpunkte)
auf knapp 29 %.

Tabelle 9: Bedeutung der Zehn Gebote für die Politik (nach religiöser
Sozialisation)

EB RB
rs+ % rs%
rs+ % rs%
N N N N
ja 43,2 22,5 49,3 28,8
73 9 217 34
nein 36,1 37,5 28,0 28,8
61 15 123 34
w. n. 20,7 40,0 22,7 42,4
35 16 100 50
N 169 40 440 118

EB=Einsatzbefragung; RB=Rückkehrerbefragung; rs+=religiös sozialisiert;
rs-=nicht religiös sozialisiert (nach Fällen); w. n.=weiß nicht

In der Einsatzbefragung wiesen die Befragten aus den neuen Bundesländern
mit über 45 % einen sehr hohen Anteil an unentschiedenen
Stimmen „weiß nicht“ auf. Das hat zur Folge, dass sie sowohl bei der
Bejahung der Aussage, dass die Zehn Gebote Bedeutung für die Politik
hätten, als auch bei deren Verneinung niedrigere Anteile aufweisen
als ihre Kameraden aus den alten Bundesländern. Während knapp
41 % der Befragten aus den alten Ländern und 31% der aus den neuen
Ländern der Aussage zustimmen, wird sie von knapp 39 % der westdeutschen
und von knapp 24 % der ostdeutschen Befragten abgelehnt.


Das Ergebnis der Rückkehrerbefragung ist hingegen eindeutiger. Hier
sind knapp 50 % der Westdeutschen (Zuwachs um gut 21 % bzw.
knapp 9 Prozentpunkte) und knapp 30 % der Ostdeutschen (Rückgang
um knapp 4 % bzw. gut 1 Prozentpunkt) der Meinung, dass den Zehn
Geboten Bedeutung für die Politik zukäme. Der gegenteiligen Ansicht
sind knapp 29 % sowohl der Westdeutschen (Rückgang um knapp
26 % bzw. 10 Prozentpunkte) als auch der Ostdeutschen (Zuwachs um
gut 20 % bzw. knapp 5 Prozentpunkte). Der Anteil der Unentschiedenen
ist bei den Ostdeutschen um gut 8 % (knapp 4 Prozentpunkte) auf
knapp 42 % gesunken und hat bei den Westdeutschen um gut 6 % (gut
1 Prozentpunkt) auf knapp 22 % zugelegt.

Der sehr hohe Anteil an unentschiedenen Stimmen bei den Befragten
aus den neuen Bundesländern zeigt, dass diese wenig mit einer politischen
Relevanz der Zehn Gebote anfangen können. Im Vergleich der
beiden Befragungen war diese Gruppe bei der Einsatzbefragung etwas
zurückhaltender in der Beurteilung der Fragestellung, ob den Zehn
Geboten eine Bedeutung für die Politik zukommt. In der Rückkehrerbefragung
ist die ablehnende Tendenz hingegen ausgeprägter.


Tabelle 10: Bedeutung der Zehn Gebote für die Politik (nach regionaler
Herkunft)

EB RB
nL % aL % nL % aL %
N N N N
ja
31,0 40,9 29,9 49,6
13 72 44 243
nein
23,8 38,6 28,6 28,6
10 68 42 140
w. n.
45,2 20,5 41,5 21,8
19 36 61 107

EB=Einsatzbefragung; RB=Rückkehrerbefragung; nL=neue Länder; aL=alte
Länder (nach Fällen); w. n.=weiß nicht

Sowohl mit zunehmendem Alter als auch mit steigendem Schulabschluss
und mit höherem Dienstgrad nimmt in beiden Befragungen die
Einstellung, dass die Zehn Gebote für die Politik Relevanz haben, zu
und die unentschiedene Haltung ab. Die ablehnenden Voten hingegen
zeigen keine eindeutige Tendenz. Das hängt damit zusammen, dass
sich die nach Alter, höchstem Schulabschluss und Dienstgrad differenzierten
Gruppen in ihrer Zusammensetzung kaum unterscheiden.

In der Einsatzbefragung maßen knapp 30 % der Befragten mit Mannschaftsdienstgraden
den Zehn Geboten Bedeutung für die Politik zu,
bei den Unteroffizieren ohne Portepee waren es gut 33 %, bei den
Unteroffizieren mit Portepee knapp 38 %, bei den Offizieren knapp
53 % und bei den Stabsoffizieren knapp 61 %. In der Rückkehrerbefragung
blieb der Anteil bei den Mannschaften annähernd gleich, während
er bei den Unteroffizieren ohne Portepee um knapp 11 % (knapp
4 Prozentpunkte) auf knapp 30 % sank. Bei Unteroffizieren mit Porte-
pee, Offizieren und Stabsoffizieren ist hingegen ein z. T. kräftiger


Anstieg zu verzeichnen. Bei den Unteroffizieren mit Portepee und bei
den Stabsoffizieren wächst der Anteil um jeweils 28 % auf knapp
48 % bzw. knapp 78 %, bei den Offizieren um knapp 11 % auf gut
58 %.

Mit Ausnahme der Befragten mit Mannschaftsdienstgraden (Zuwachs
um 24 % von gut 26 % auf knapp 33 %) nahm die ablehnende Haltung
bei sämtlichen Untergruppen ab. Bei den Unteroffizieren ohne Porte-
pee sank sie um gut 19 % von gut 44 % auf knapp 36 %, bei den Unteroffizieren
mit Portepee um gut 38 % von knapp 45 % auf knapp
28%, bei den Offizieren um knapp 37 % von 40 % auf gut 25 % und
bei den Stabsoffizieren um 53 % von gut 30 % auf gut 14 %.

Die Anteile der Unentschlossenen sanken bei Mannschaften um knapp
14 % von knapp 44 % auf knapp 38 % sowie bei den Stabsoffizieren
um gut 9 % von knapp 9 % auf knapp 8 %. Hingegen stiegen die Voten
„weiß nicht“ bei den Unteroffizieren ohne Portepee um gut 54 %
von gut 22 % auf gut 34 %, bei den Unteroffizieren mit Portepee um
38 % von knapp 18 % auf knapp 25 % und bei den Offizieren um
120 % von knapp 8 % auf knapp 17 %.

Nach ihrem Auslandseinsatz in Bosnien neigen die Befragten, die
einen höheren Dienstgrad besitzen und somit größere Verantwortung
wahrzunehmen haben, dazu, die Bereiche Religion und Politik immer
weniger auseinander zu halten und eine Orientierung politischen Handelns
an Regeln zu befürworten, die nicht durch Menschen disponierbar
sind (göttliche Zehn Gebote).


Tabelle 11: Bedeutung der Zehn Gebote für die Politik (nach
Dienstgradgruppe)

EB RB
M
%
N
UoP
%
N
UmP
%
N
O
%
N
S
%
N
M
%
N
UoP
%
N
UmP
%
N
O
%
N
S
%
N
ja 29,9 33,4 37,5 52,5 60,9 29,7 29,9 47,8 58,2 77,8
24 9 21 21 14 41 35 122 46 49
nein 26,3 44,4 44,6 40,0 30,4 32,6 35,9 27,5 25,3 14,3
21 12 25 16 7 45 42 70 20 9
w. n. 43,8 22,2 17,9 7,5 8,7 37,7 34,2 24,7 16,5 7,9
35 6 10 3 2 52 40 63 13 5
N 80 27 56 40 23 138 117 255 79 63

EB=Einsatzbefragung; RB=Rückkehrerbefragung; M=Mannschaften;
UoP=Unteroffiziere ohne Portepee; UmP=Unteroffiziere mit Portepee;
O=Offiziere; S=Stabsoffiziere (nach Fällen); w. n.=weiß nicht

Nur etwa jeder Zehnte der Teilnehmer beider Befragungen, ist jedoch
der Meinung, dass sich aus der Bedeutung der Zehn Gebote für die
Politik ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen religiösen Weisungen
und weltlichen Regelungen zu ergeben habe. Dieser Auffassung
sind sowohl in der Einsatzbefragung als auch in der Rückkehrerbefragung
ca. 16 % der westdeutschen und ca. 5 % der ostdeutschen
Befragten. Evangelische und Katholiken liegen in der Rückkehrerbefragung
bei ca. 15 %, wobei erstere seit der Einsatzbefragung leicht
zugelegt und letztere leicht abgenommen hatten. Der Anteil der Konfessionslosen
von knapp 4 % in der Rückkehrerbefragung hatte sich
halbiert (EB: gut 8 %).

Abgesehen von den Teilnehmern mit Mannschaftsdienstgraden lässt
sich in beiden Befragungen die Tendenz beobachten, dass mit höhe



rem Dienstgrad die Meinung stärker vertreten wird, dass die Zehn
Gebote und Politik zusammengehören. In der Einsatzbefragung betrug
der Anteil bei den Mannschaften gut 11 %, bei den Unteroffizieren
ohne Portepee knapp 4 %, bei den Unteroffizieren mit Portepee knapp
13 %, bei den Offizieren knapp 18 % und bei den Stabsoffizieren gut
26 %. In der Rückkehrerbefragung erfuhr der Anteil der Stabsoffiziere
einen kräftigen Zuwachs von über 50 %, während die Anteile der übrigen
Dienstgradgruppen konstant blieben bzw. bei den Mannschaften
leicht abnahmen.

Tabelle 12:
Zehn Gebote und Politik gehören zusammen (nach
regionaler Herkunft, Konfession und Dienstgradgruppe)

EB RB
nL % aL % e % k % o % nL % aL % e % k % o %
N N N N N N N N N N
4,8 15,9 11,5 16,7 8,3 5,4 15,5 15,7 15,1 3,9
2 28 7 19 4 8 76 33 42 6

EB=Einsatzbefragung; RB=Rückkehrerbefragung; nL=neue Länder; aL= alte
Länder; e=evangelisch; k=katholisch; o=ohne Konfession

EB RB
M UoP Um P O S M UoP UmP O S
% % % % % % % % % %
N N N N N N N N N N
11,3 3,7 12,5 17,5 26,1 6,5 4,3 13,7 15,2 39,7
9 1 7 7 6 16 5 35 12 25

M=Mannschaftsdienstgrad; UoP=Unteroffiziere ohne Portepee; UmP=Unteroffiziere
mit Portepee; O=Offiziere; S=Stabsoffiziere (nach Fällen)

Dass in der Politik vieles besser sein würde, wenn sie ihre Grundsätze
an den Zehn Geboten ausrichten würde, meinten in der Einsatzbefragung
gut 19 % und in der Rückkehrerbefragung knapp 22 % der


Befragten. Das entspricht einer Steigerung von gut 12 %. Diese Auffassung
wird besonders häufig von Stabsoffizieren vertreten, die ihren
Anteil aus der Einsatzbefragung von knapp 44 % in der Rückkehrerbefragung
um gut 31 % auf 57 % steigerten. Offiziere und Unteroffizieren
mit Portepee liegen mit einem Anteil von jeweils ca. 35 % bei
der Rückkehrerbefragung gleichauf, wobei jedoch der Wert bei den
Offizieren konstant blieb und der der Unteroffiziere mit Portepee um
gut 63 % von gut 21 % in der Einsatzbefragung gestiegen war. Die
Zahlen aus der Einsatzbefragung bei den Mannschaften von gut 16 %
und den Unteroffizieren ohne Portepee von knapp 15 % sind in der
Rückkehrerbefragung hingegen auf knapp 12 % bzw. knapp 7 % gesunken.


In der Einsatzbefragung war im Hinblick auf die regionale Herkunft
der Teilnehmer kaum ein Unterschied hinsichtlich der Einstellung zu
der Aussage auszumachen, dass die Beachtung der Zehn Gebote die
Politik verbessern würde. Die Befragten aus den neuen Ländern
stimmten mit gut 21 % und die aus den alten Ländern mit knapp 24 %
zu. Bei der Rückkehrerbefragung gingen die Werte deutlich auseinander.
Sie sanken bei den Ostdeutschen um gut 20 % auf 17 % und stiegen
bei den Westdeutschen um gut 27 % auf gut 30 %.

In der Einsatzbefragung waren die evangelischen Befragten mit einem
Anteil von knapp 30 % deutlich optimistischer im Hinblick auf einen
positiven Einfluss der Zehn Gebote auf die Politik gewesen als die
katholischen (knapp 22 %) und die konfessionslosen (knapp 17 %).
Die Rückkehrerbefragung brachte einen leichten Anstieg um gut 3 %
bei den Evangelischen und ein kräftiges Plus um gut 40 % bei den
Katholiken, die nunmehr mit jeweils gut 30 % gleichzogen. Der Anteil
bei den Konfessionslosen sank um 21 % auf gut 13 %.


Tabelle 13: Zehn Gebote würden Politik verbessern (nach regionaler
Herkunft, Konfession und Dienstgradgruppe)


EB RB
nL % aL % e % k % o % nL % aL % e % k % o %
N N N N N N N N N N
21,4 23,9 29,5 22,8 16,7 17,0 30,4 30,5 32,0 13,2
9 42 18 26 8 20 149 64 89 20

EB=Einsatzbefragung; RB=Rückkehrerbefragung; nL=neue Länder; aL=
alter Länder; e=evangelisch; k=katholisch; o=ohne Konfession

EB RB
M UoP UmP O S M UoP UmP O S
% %% % % % % % % %
N N N N N N N N N N
16,3 14,8 21,4 35,0 43,5 11,6 6,8 34,9 34,2 57,2
13 4 12 14 10 16 8 89 27 36

M=Mannschaftsdienstgrad; UoP=Unteroffiziere ohne Portepee; UmP=Unteroffiziere
mit Portepee; O=Offiziere; S=Stabsoffiziere (nach Fällen)

Die pessimistische Haltung „Wenn sich Politiker nach den Zehn Geboten
richten, sind sie im Nachteil gegenüber denen, die keine Skrupel
haben.“ wurde in der Einsatzbefragung von knapp 14 % und in der
Rückkehrerbefragung von 17 % der Befragten bejaht. Diese Auffassung
wird überdurchschnittlich häufig von Teilnehmern vertreten, die
aus den alten Bundesländern stammen (EB: knapp 18 %; RB: gut
24 %) und zu einer der großen Kirchen gehören (EB: evangelisch
18 %, katholisch knapp 16 %; RB: evangelisch gut 21 %, katholisch
knapp 26 %). Die Anteile der Befragten aus den neuen Bundesländern
(EB: knapp 10 %; RB: knapp 11 %) und der Konfessionslosen (EB:
knapp 15 %; RB: gut 13 %) liegen deutlich darunter. Letztere sind
seltener bereit, Politikern für ihre Tätigkeit Freiraum zuzugestehen,
der ihnen auch eine gewisse Skrupellosigkeit ermöglicht und haben


weniger Zugang zu der Problematik, dass religiös motiviertes Handeln
bisweilen mit Realpolitik schwer in Einklang zu bringen ist.

Tabelle 14: Zehn Gebote bringen Nachteile für Politiker (nach regionaler
Herkunft, Konfession und Dienstgradgruppe)

EB RB
nL % aL % e % k % o % nL % aL % e % k % o %
N N N N N N N N N N
9,5 17,6 18,0 15,8 14,6 10,9 24,3 21,4 25,5 13,2
4 31 11 18 7 16 119 45 71 20

EB=Einsatzbefragung; RB=Rückkehrerbefragung; nL=neue Länder; aL=alte
Länder; e=evangelisch; K=katholisch; o=ohne Konfession

EB RB
M UoP UmP O S M UoP UmP O S
% % % % % % % % % %
N N N N N N N N N N
17,5 22,2 19,6 15,0 4,3 17,4 19,7 24,3 21,5 19,0
14 6 11 6 1 24 23 62 17 12

M=Mannschaftsdienstgrad; UoP=Unteroffiziere ohne Portepee; UmP=Unteroffiziere
mit Portepee; O=Offiziere; S=Stabsoffiziere (nach Fällen)

3.5
Haben die Soldaten religiöse Deutungsmuster für den Bosnienkonflikt?
Frage VII/3 „Der Konflikt in Bosnien (einschließlich Massenvergewaltigungen
und brutaler Vertreibungspolitik) wird von manchen
Menschen als Ausdruck des ‚Bösen‘ in der Welt verstanden. Was
halten Sie von den folgenden Gedanken?“ dient der Feststellung, ob
den Soldaten für das im Einsatzgebiet erlebte Irrationale neben immanenten
Erklärungsansätzen auch transzendentale Deutungszugänge zur
Verfügung stehen.
122


Item a) „ja, es gibt das Böse in der Welt, nur lässt es sich schwer erklären“
stellt das Versagen rationaler Deutung fest, ohne jedoch einen
darüber hinausgehenden Erklärungsversuch zu unternehmen.

Hingegen stehen die Items b) „das Böses ist in Wahrheit die Aggression,
die die Menschen zur Selbstbehauptung brauchen“ und c) „was
wir im Balkankonflikt als böse erleben, ist das Ergebnis unguter
geschichtlicher Entwicklungen“ für Versuche, das Irrationale zu
entmystifizieren und verstandesmäßig nachvollziehbar zu machen.
Dabei enthebt Item c) die geschehenen Greuel der konkreten personalen
Verantwortung und begründet sie abstrakt mit historischer Bedingtheit.
Item b) geht darüber sogar hinaus. Hier verliert das Böse
seine moralische Verwerflichkeit und wird zur anthropologischen
Konstante im „struggle of life“.

Die Items d) „das Böse in der Welt hat etwas mit Sünde oder Entfremdung
von Gott zu tun“ und e) „wenn jeder Mensch Gottes Gebote
befolgen würde, hätte das Böse keine Chance“ bieten theologische
Deutungen an, wobei Item d) nach der Glockschen Einteilung eher der
„ideologischen Dimension“ und Item e) der „konsequentialen Dimension“
zuzurechnen ist. Das Böse gilt nach dieser Vorstellung als Resultat
eines defizitären Gottesverhältnisses. Item d) hebt stärker den
Aspekt des mangelnden Glaubens hervor, während Item e) auf die
ethisch-moralische Lebensführung abstellt.

Item f) „ich bin erst hier in Bosnien auf diese Fragestellung gestoßen
und muß noch weiter darüber nachdenken“ wendet sich an diejenigen,
die den vielleicht ungewohnten Gedankenzusammenhang nicht von
sich weisen wollen, sich aber auch nicht einer der angebotenen Erklärungen
anschließen möchten.

Auch diese Frage wurde von der überwiegenden Mehrheit der Befragten
bearbeitet. Dies ist insofern erstaunlich, da hier am intensivsten mit theologischen Denkvorstellungen operiert wird. Die Zahl der
fehlenden Antworten bewegt sich in der Einsatzbefragung zwischen
10 und 15 %, bei der Rückkehrerbefragung lediglich zwischen 6 und
11 % und liegt damit unwesentlich höher als bei den vergleichbaren
Fragen mit religiösen Inhalten. Dass sich die Befragten trotzdem nicht
überfordert gefühlt haben zeigt die Reaktion auf die Antwortmöglichkeit
in der Einsatzbefragung „ich bin erst hier in Bosnien auf diese
Fragestellung gestoßen und muss noch weiter darüber nachdenken“.
Dieser stimmen knapp 16 % zu, knapp 58 % lehnen ab. 69 der Befragten
übergehen sie ganz.

Etwa 63 % stimmen in beiden Befragungen auf dem Hintergrund ihres
eigenen Erlebens des Bosnienkonflikts mit seinen unvorstellbaren
Grausamkeiten der Aussage zu, dass es das Böse in der Welt gibt, das
sich aber vernunftmäßig nicht nachvollziehen lässt (Item a). Knapp
20 % in der Einsatzbefragung und knapp 25 % in der Rückkehrerbefragung
sprechen sich dagegen aus. Gut 17 % in der Einsatzbefragung
und knapp 13 % in der Rückkehrerbefragung sind unentschieden.


Abb. 20: Ist der Bosnienkonflikt Ausdruck des Bösen in der Welt?
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %)

0 20 40 60 80 100


das Böse ist schwer zu erklären EB

RB

dient der Selbstbehauptung EB

RB

ungute Geschichte EB

RB

Sünde, Entfremdung von Gott EB

RB

Gottes Gebote befolgen EB

RB

muss darüber nachdenken EB


ja

nein


weiß nicht

ja % nein
%
weiß
nicht
%
ja
N
nein
N
weiß
nicht
N
a das Böse ist schwer
zu erklären EB 63,1 19,6 17,3 135 42 37
RB 62,3 24,8 12,9 385 153 80
b dient der Selbstbehauptung
EB 44,7 24,5 30,8 93 51 64
RB 50,0 37,9 12,1 307 233 74
c ungute Geschichte EB 64,7 14,0 21,4 139 30 46
RB 71,9 20,4 7,7 457 130 49
d Sünde, Entfremdung
von Gott EB 10,8 50,0 39,2 22 102 80
RB 20,7 57,0 22,3 107 294 115
e Gottes Gebote befolgen
EB 31,0 37,1 31,9 65 78 67
RB 40,9 39,7 19,4 219 213 104
f muss darüber nachdenken
EB 15,9 57,6 26,5 27 98 45

In beiden Befragungen sprechen sich die Teilnehmer, die in ihrer
Jugend Kontakt zur Kirche hatten, mit ca. 66 % deutlich häufiger zugunsten
dieser Aussage aus als diejenigen, die keine religiöse Sozialisation
erhalten haben (EB: gut 51 %; RB: gut 53 %).

Ein vergleichbares Ergebnis ergibt sich im Hinblick auf die Herkunft
aus den alten bzw. neuen Bundesländern. In der Einsatzbefragung
stimmten gut 68 % der Teilnehmer aus den alten Bundesländern und
in der Rückkehrerbefragung knapp 66 % Item a) zu, dass es das Böse
in der Welt gebe, es sich aber nur schwer erklären ließe. Aus den neuen
Ländern sind dies nur knapp 48 % in der ersten und knapp 52 % in
der zweiten Befragung.


In der Einsatzbefragung neigten die katholischen Befragten mit knapp
71 % deutlich stärker zu dieser Einstellung als die evangelischen mit
knapp 58 %. In der Rückkehrerbefragung haben sich die beiden Gruppen
einander genähert, indem die Evangelischen auf gut 64 % zulegten
und sich der Anteil bei den Katholiken auf gut 67 % verringerte.
Darunter liegen mit erheblichem Abstand die Konfessionslosen mit
gut 52 % in der ersten und 50 % in der zweiten Befragung.

Im Hinblick auf die Dienstgradgruppen lässt sich keine eindeutige
Tendenz bezüglich der Einstellung zu Item a) feststellen, das das Versagen
einer rationalen Deutung des Bösen in der Welt feststellt. Die
Stabsoffiziere stimmten in der Einsatzbefragung mit gut 76 % überdurchschnittlich
zu, Mannschaften, Unteroffizieren mit Portepee und
Offiziere lagen im Durchschnitt, während die Unteroffiziere ohne
Portepee mit gut 46 % unterdurchschnittlich bejahten. Demgegenüber
zogen in der Rückkehrerbefragung die Werte bei Mannschaften und
Unteroffizieren ohne Portepee zum Teil kräftig an (gut 68 % bzw.
knapp 59 %). Bei den übrigen Dienstgradgruppen stellte sich ein
Rückgang ein, der bei den Stabsoffizieren besonders hoch ausfiel (um
gut 19 Prozentpunkte auf knapp 57 %).


Abb. 21: Das Böse ist schwer zu erklären
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %
)


0 20 40 60 80 100


mit religiöser Sozialisation
ohne religiöse Sozialisation
evangelisch
katholisch
ohne Konfession
aus alten Ländern
aus neuen Ländern
Mannschaften
Uffz o.P.
Uffz m.P.
Offiziere
Stabsoffiziere


EB

RB


EB % RB % EB N RB N
mit religiöser Sozialisation 65,6 64,6 105 274
ohne religiöse Sozialisation 51,2 53,3 21 57
evangelisch 57,6 64,2 34 129
katholisch 70,9 67,4 73 176
ohne Konfession 52,2 50 24 70
aus alten Ländern 68,3 65,7 112 308
aus neuen Ländern 47,5 51,5 19 69
Mannschaften 63,2 68,2 48 90
Uffz o.P. 46,2 58,9 12 66
Uffz m.P. 66,0 63,6 33 154
Offiziere 63,2 57,5 24 42
Stabsoffiziere 76,2 56,9 16 33

Wenn es um die geistige Bewältigung der im Einsatzland geschehenen
Unfassbarkeiten geht, haben die Befragten mit religiöser Sozialisation
und insbesondere Katholiken eher die Möglichkeit, das Versagen rationaler
Erklärungsmöglichkeiten festzustellen und sich auf einen transzendentalen
Deutungszugang („das Böse in der Welt“) einzulassen als
diejenigen, die in ihrer Jugend keinen Kontakt zu einer Religionsgemeinschaft
hatten. Den Teilnehmern der Befragung, die aus den neuen
Bundesländern stammen, ist nichtrationales Denken besonders fremd.
Das dürfte damit zusammenhängen, dass sie unter der Voraussetzung
erzogen worden sind, dass eine „wissenschaftliche Welterklärung“
möglich ist. Der Zuwachs in der Rückkehrerbefragung zeigt, dass bei
dieser Gruppe die Erfahrungen des Einsatzes Wirkung zeigen.

Die Deutung, dass das scheinbar Böse so etwas wie eine naturgesetzliche
Notwendigkeit im Überlebenskampf darstellt (Item b), bevorzugten
in der Einsatzbefragung gut 45 % der Befragten. Knapp 25 %


lehnen sie ab. Knapp 31 % antworten mit „weiß nicht“. In der Rückkehrerbefragung
nahmen die unentschiedenen Stimmen erheblich um
knapp 61 % (knapp 19 Prozentpunkte) auf gut 12 % ab. Dafür stiegen
sowohl die befürwortenden Voten um knapp 12 % (gut 5 Prozentpunkte)
auf 50 % und die ablehnenden um knapp 55 % (gut 13 Prozentpunkte)
auf knapp 38 % an.


Abb. 22: Das Böse dient der Selbstbehauptung
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %


0 10 20 30 40 50 60
mit religiöser Sozialisation
ohne religiöse Sozialisation
evangelisch
katholisch
ohne Konfession
aus alten Ländern
aus neuen Ländern
Mannschaften
Uffz o.P.
Uffz m.P.
Offiziere
Stabsoffiziere
EB RB

EB % RB % EB N RB N
mit religiöser Sozialisation 43,2 49,4 67 206
ohne religiöse Sozialisation 46,3 54,1 19 59
evangelisch 39,7 52,3 23 103
katholisch 44,3 50,4 43 132
ohne Konfession 51,1 47,1 24 66
aus alten Ländern 42,4 49,6 67 230
aus neuen Ländern 52,5 51,1 21 69
Mannschaften 52,1 58,2 37 78
Uffz o.P. 56,0 51,3 14 58
Uffz m.P. 50,0 55,0 26 132
Offiziere 22,2 36,1 8 26
Stabsoffiziere 28,6 24,1 6 13

Mit Blick auf die religiöse Sozialisation der Befragten waren in der
Einsatzbefragung keine nennenswerte Unterschiede bei der Behandlung
dieses Items festzustellen. Die ablehnenden Stimmen der Befragten
mit religiöser Sozialisation stiegen jedoch deutlich um knapp
67 % von vorher knapp 24 % auf nunmehr knapp 40 % an und liegen
damit in der Rückkehrerbefragung um 7 Prozentpunkte höher als bei
den Teilnehmern ohne religiöse Sozialisation.

Die Befragten, die der evangelischen Kirche angehören, sprachen sich
in der Einsatzbefragung in geringerem Maße (knapp 40 %) für die
Aussage aus, dass das Böse in Wahrheit die Aggression sei, die die
Menschen zur Selbstbehauptung brauchen, als die Katholiken (gut
44 %) und als diejenigen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören
(gut 51 %). Das änderte sich in der Rückkehrerbefragung. Dadurch
dass die Zustimmung bei den Kirchenmitgliedern kräftig anzog
(Evangelische auf gut 52 %, Katholiken auf gut 50 %) und die Konfessionslosen
auf gut 47 % zurückfielen, liegen die drei betrachteten


Gruppen dichter beieinander und die Konfessionsgebundenen sogar
vor den Konfessionslosen.

Ein deutlicher Unterschied ergab sich in der Einsatzbefragung im
Hinblick auf die Herkunft der Befragten. Gut 42 % der Teilnehmer
aus den alten Bundesländern stimmten dieser Aussage zu. Aus den
neuen Ländern waren dies knapp 53 %. Diese Differenz nivellierte
sich in der Rückkehrerbefragung. Hier liegen Ost- und Westdeutsche
nahezu gleichauf bei ca. 50 %. Jedoch sind bei beiden Gruppen die
ablehnenden Voten kräftig gestiegen, bei den Ostdeutschen von 25 %
auf gut 36 % und bei den Westdeutschen von knapp 25 % auf knapp
39 %.

Im Hinblick auf den Dienstgrad lässt sich die Tendenz feststellen, dass
Mannschaften, Unteroffiziere ohne Portepee und Unteroffiziere mit
Portepee in beiden Befragungen eine hohe Zustimmungsquote von
jeweils über 50 % aufweisen, während Offiziere und Stabsoffiziere
erheblich darunter liegen. Der Anteil bei den Offizieren stieg von gut
22 % in der Einsatzbefragung auf gut 36 % in der Rückkehrerbefragung,
bei den Stabsoffizieren sank er von knapp 29 % auf gut 24 %.
Die beiden letztgenannten Gruppen weisen einen hohen Anteil ablehnender
Stimmen auf, die bei den Offizieren von knapp 39 % auf gut
51 % und bei den Stabsoffizieren von knapp 43 % auf knapp 65 %
zugenommen haben.

Die abgemilderte rationalistische Erklärung des Bösen als Resultat
unguter geschichtlicher Entwicklung (Item c) präferierten in der
Einsatzbefragung knapp 65 %, abgelehnt wurde sie von 14 %, gut
21 % waren unschlüssig. In der Rückkehrerbefragung stimmten sogar
knapp 72 % zu, gut 20 % lehnten ab, und nur knapp 8 % antworteten
mit „weiß nicht“. Dieser Deutungsansatz findet somit innerhalb des
Fragenkomplexes die größte Akzeptanz und den geringsten Widerspruch.



Abb. 23: Das Böse ist Ergebnis einer unguten Entwicklung
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %)

0 15 30 45 60 75 90
mit religiöser Sozialisation
ohne religiöse Sozialisation
evangelisch
katholisch
ohne Konfession
aus alten Ländern
aus neuen Ländern
Mannschaften
Uffz o.P.
Uffz m.P.
Offiziere
Stabsoffiziere
EB RB

EB % RB % EB N RB N
mit religiöser Sozialisation 65,6 70,9 105 304
ohne religiöse Sozialisation 56,1 71,7 23 81
evangelisch 67,2 72,9 41 148
katholisch 68,6 71,7 70 193
ohne Konfession 52,2 71,8 24 107
aus alten Ländern 66,5 70,4 109 337
aus neuen Ländern 58,5 76,4 24 107
Mannschaften 56,2 56,1 41 92
Uffz o.P. 56,0 67,0 14 77
Uffz m.P. 69,8 72,6 37 180
Offiziere 73,7 72,0 28 54
Stabsoffiziere 69,6 83,9 16 52

Die Befragten, die in ihrer Jugend Kontakt zur Kirche hatten, sprachen
sich in der Einsatzbefragung deutlich häufiger (knapp 66 %) zugunsten
dieser Aussage aus als diejenigen, die keine religiöse Sozialisation
erhalten haben (gut 56 %). In der Rückkehrerbefragung zogen beide
Gruppen mit jeweils ca. 71 % gleich.

Die Befragten, die der evangelischen und der katholischen Kirche
angehören, sind in beiden Befragungen nahezu gleich häufig (Einsatzbefragung
ca. 68 %, Rückkehrerbefragung ca. 72 %) der Auffassung,
dass das in Bosnien zutage getretene Böse Ergebnis einer unheilvollen
Geschichte sei. Diejenigen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören,
waren in der ersten Befragung nur zu gut 52 % dieser Meinung.
In der Rückkehrerbefragung erreichen sie den gleichen Wert wie die
Kirchenangehörigen.


Knapp 67 % der Teilnehmer aus den alten Bundesländern stimmten in
der Einsatzbefragung Item c) zu. Aus den neuen Ländern waren dies
knapp 59 %. In der Rückkehrerbefragung wächst der Anteil bei den
Westdeutschen um knapp 6 % (knapp 4 Prozentpunkte) auf knapp
70 %, bei den Ostdeutschen jedoch sogar um knapp 31 % (knapp
18 Prozentpunkte) auf gut 76 %.

Im Hinblick auf die Dienstgradgruppe der Befragten lässt sich die
Tendenz feststellen, dass mit steigendem Dienstgrad die Zustimmung
zu Item c) wächst. Am geringsten ist diese bei den Mannschaften ausgeprägt
(beide Befragungen gut 56%), am stärksten bei den Stabsoffizieren,
deren Anteil von knapp 70 % in der Einsatzbefragung auf
knapp 84 % in der Rückkehrerbefragung ansteigt.

Die beiden angebotenen rationalen Deutungsansätze des Bösen als
naturgesetzliches Phänomen und als Resultat historischer Entwicklung
haben – wenn auch in unterschiedlicher Intensität – gemeinsam, dass
sie den Menschen von einer Verantwortung für das Weltgeschehen
dispensieren. Das Irrationale wird auf diese Weise zwar immanent
erklärt, aber gleichsam ethisch transzendiert, indem es den Charakter
einer unbeeinflussbaren Eigengesetzlichkeit erhält.

Die Befragten entscheiden sich in allen betrachteten Gruppierungen
für ein Verständnis des Bösen als naturgesetzliche Größe, die einem
dagegen gerichteten menschlichen Handeln keine Aussicht auf Erfolg
verspricht. War diese Haltung in der Erstbefragung noch bei denen,
die der evangelischen Kirche angehören, die aus den alten Bundesländern
stammen, bei den Mannschaften und Unteroffizieren ohne
Portepee, am schwächsten ausgeprägt, so liegt sie in der Rückkehrerbefragung
fast durchgehend bei ca. 70 %. Ausnahmen bilden lediglich
die Mannschaftsdienstgrade, die mit gut 56 % erheblich nach unten
abweichen, und die Stabsoffiziere, die ihr Ergebnis auf knapp 84 %
steigern.


Das Böse in der Welt als ungute geschichtliche Entwicklung zu erklären,
entlastet von der Verantwortung für die Vergangenheit. In Gegenwart
und Zukunft kann sie als Appell verstanden werden, in das
Weltgeschehen regulierend einzugreifen.

Nur knapp 11 % der gültigen Antworten in der Einsatzbefragung
wollten das Böse in der Welt mit den theologischen Chiffren „Sünde“
und „Entfremdung von Gott“ belegt sehen (Item d). 50 % lehnten
einen solchen Zusammenhang ab. Gut 39 % antworteten mit „weiß
nicht“. In der Rückkehrerbefragung verringerte sich der Anteil der
Unentschiedenen erheblich um gut 43 % auf gut 22 %. Dagegen verdoppelte
sich der Anteil der zustimmenden Voten nahezu auf knapp
21 % und die Ablehnungen stiegen auf 57 % an.


Abb. 24: Das Böse ist Sünde
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %
)


0 15 30 45
mit religiöser
Sozialisation
ohne religiöse
Sozialisation
evangelisch
katholisch
ohne Konfession
aus alten
Ländern
aus neuen
Ländern
Mannschaften
Uffz o.P.
Uffz m.P.
Offiziere
Stabsoffiziere
EB RB

EB % RB % EB N RB N
mit religiöser Sozialisation 12,5 22,5 19 81
ohne religiöse Sozialisation 0 12,3 0 10
evangelisch 8,8 25,1 5 42
katholisch 14,6 25,8 14 58
ohne Konfession 2,2 3,6 1 4
aus alten Ländern 12,9 23,6 20 94
aus neuen Ländern 2,5 12,7 1 12
Mannschaften 2,9 12,7 2 14
Uffz o.P. 20,0 15,4 5 14
Uffz m.P. 10,4 21,0 5 43
Offiziere 19,4 25,4 7 15
Stabsoffiziere 9,1 42,0 2 21

Die Befragten, die in ihrer Jugend Kontakt zur Kirche hatten, sprachen
sich in der Einsatzbefragung mit knapp 13 % zugunsten dieser Aussage
aus. Von denjenigen, die keine religiöse Sozialisation erhalten
haben, gab es keinerlei Zustimmung. Dies änderte sich in der Rückkehrerbefragung.
Die letztgenannte Gruppe kommt hier immerhin auf
gut 12 %, die Teilnehmer mit religiöser Sozialisation auf knapp 23 %.

Von den befragten Katholiken bejahten in der Einsatzbefragung knapp
15 % die Deutung des Bösen als „Sünde“ und „Entfremdung von
Gott“, bei den Protestanten waren dies knapp 9 % und bei den Konfessionslosen
nur gut 2 %. In der Rückkehrerbefragung steigen die
Anteile bei Evangelischen und Katholiken auf das gleiche Niveau von
ca. 25 % und auch die Konfessionslosen legen knapp 64 % zu und
erreichen knapp 4 %.


In der Einsatzbefragung stimmten knapp 13 % der Teilnehmer aus den
alten Bundesländern Item d) zu, aus den neuen Ländern nur knapp
3 %. In der zweiten Befragung verdoppelte sich der Anteil bei den
Westdeutschen fast auf knapp 24 %, der der Ostdeutschen vervierfachte
sich auf gut 11 %.

Die Einsatzbefragung ließ im Hinblick auf die Dienstgradgruppen
keine eindeutige Tendenz bezüglich der Einstellung zu Item d) erkennen.
Die Anteile betrugen bei den Mannschaften knapp 3 %, bei den
Unteroffizieren ohne Portepee 20 %, bei den Unteroffizieren mit Portepee
gut 10 %, bei den Offizieren knapp 20 % und bei den Stabsoffizieren
gut 9 %. Für die Rückkehrerbefragung hingegen kann ein
Trend dahingehend beschrieben werden, dass mit höherem Dienstgrad
die Zustimmung zu der Aussage „Das Böse in der Welt hat etwas mit
Sünde oder Entfremdung von Gott zu tun.“ zunimmt. Der zustimmende
Wert bei den Mannschaften stieg beträchtlich auf knapp 13 %, bei
den Unteroffizieren ohne Portepee sank er leicht auf knapp 16 %, bei
den Unteroffizieren mit Portepee verdoppelte er sich auf 21%, bei den
Offizieren stieg er auf gut 25 % und bei den Stabsoffizieren beträgt er
mit 42 % mehr als das Vierfache des Wertes der Einsatzbefragung. In
allen Fällen gehen die Steigerungen zu Lasten des Anteils von „weiß
nicht“, der Anteil bleibt in der Rückkehrerbefragung auf hohem
Niveau zwischen 50 und 60 % und sinkt lediglich bei den Unteroffizieren
ohne Portepee und bei den Stabsoffizieren.

Konnten in der Einsatzbefragung nur wenige der Befragten die explizit
theologische Deutung des Bösen durch die Begriffe „Sünde“ und
„Entfremdung von Gott“ nachvollziehen, so gelingt dies in der Rückkehrerbefragung
wesentlich mehr Soldaten und sogar einem nicht
unerheblichen Teil der Befragten ohne religiöse Sozialisation, der
Konfessionslosen und der Teilnehmer aus den neuen Bundesländern.
Der deutlichste Zuwachs ist bei den Evangelischen, den Ostdeutschen,
den Mannschaften und den Stabsoffizieren zu verzeichnen.


Während die Deutung des Bösen als „Sünde“ und „Entfremdung von
Gott“ nur bei einer Minderheit der Befragten (Einsatzbefragung
ca. 10 %, Rückkehrerbefragung ca.20 %) auf positive Resonanz stieß,
findet die Umsetzung des gleichen Sachverhalts durch ethische Kategorien
größeren Anklang.

Immerhin bejahten 31 % der gültigen Antworten der Einsatzbefragung
den Zusammenhang, dass durch das Befolgen von Gottes Geboten das
Böse zurückgedrängt würde (Item e). Gut 37% sind nicht dieser Auffassung.
Knapp 32 % sind unentschieden. In der Rückkehrerbefragung
nahm die Zustimmung erheblich zu, sie betrug knapp 41 %. Auch die
ablehnenden Stimmen stiegen auf knapp 40 % leicht an. „Weiß nicht“
sank kräftig auf gut 19 %.


Abb. 25: Das Böse hätte keine Chance, wenn Gottes Gebote befolgt
würden
Vergleich Befragung im Einsatz und der Rückkehrer (in %)

0 15 30 45 60


mit religiöser

Sozialisation
ohne religiöse
Sozialisation


evangelisch
katholisch
ohne Konfession
aus alten Ländern

aus neuen
Ländern
Mannschaften
EB

 

RB

Uffz o.P.
Uffz m.P.
Offiziere


Stabsoffiziere


EB % RB % EB N RB N
mit religiöser Sozialisation 36,1 45,1 57 171
ohne religiöse Sozialisation 15,0 22,0 6 18
evangelisch 34,5 46,7 20 77
katholisch 30,0 46,4 30 111
ohne Konfession 23,9 19,5 11 23
aus alten Ländern 31,9 45,5 51 188
aus neuen Ländern 27,5 25,0 11 28
Mannschaften 20,5 28,2 15 31
Uffz o.P. 19,2 26,3 5 25
Uffz m.P. 34,7 47,9 17 101
Offiziere 37,8 46,2 14 30
Stabsoffiziere 50,0 59,3 11 32

Die Befragten, die in ihrer Jugend Kontakt zur Kirche hatten, sprechen
sich deutlich häufiger (EB: gut 36 %; RB gut 45 %) zugunsten dieser
Aussage aus als diejenigen, die keine religiöse Sozialisation erhalten
haben (EB: 15 %, RB: 22 %). Bei letzteren war der Anteil der Unentschiedenen
in der ersten Befragung mit 45 % überdurchschnittlich
hoch. Dieser sank in der zweiten Befragung erheblich auf knapp 32 %.
Der Rückgang um ca. 13 Prozentpunkte speist jeweils etwa zur Hälfte
den Zuwachs bei den positiven wie bei den negativen Voten.

Diejenigen, die der evangelischen Kirche angehören, stimmten in der
Einsatzbefragung mit knapp 35 % zu, Katholiken mit 30 %, Konfessionslose
immerhin mit knapp 24 %. In der Rückkehrerbefragung nahmen
die Stimmen der konfessionsgebundenen Befragten erheblich zu,
so dass sie nunmehr jeweils bei ca. 46 % liegen. Die Teilnehmer, die
keiner Religionsgemeinschaft angehören, verringerten ihren Anteil auf
knapp 20 %.


In der ersten Befragung war der Anteil an Ablehnungen bei den Protestanten
mit knapp 33 % geringer als der der Zustimmungen. Hingegen
überwog bei Katholiken und Konfessionslosen mit 39 % bzw. gut
41 % die ablehnende Haltung. Bei den Rückkehrern änderte sich dieses
Bild. Die negierenden Stimmen der Katholiken sinken auf knapp
38 %, während die der Konfessionslosen auf 50 % ansteigen.

Im Hinblick auf die Herkunft aus den alten bzw. neuen Bundesländern
war in der Einsatzbefragung das Ergebnis uneindeutig. Knapp 32 %
der Teilnehmer aus den alten Bundesländern stimmten Item e) zu,
dass das Böse in der Welt durch Befolgen von Gottes Geboten zurückgedrängt
werden könne. Knapp 37 % verneinten diese Aussage.
Die Teilnehmer aus den neuen Ländern bejahten mit einem Anteil von
immerhin knapp 28 %. Die ablehnenden Voten waren hier mit gut
35 % etwas geringer als bei den westdeutschen Befragten. Die Zahl
der Unentschiedenen lag mit 40 % sehr hoch.

Die Rückkehrerbefragung sorgt wieder für klarere Verhältnisse. Die
Zustimmung durch die Westdeutschen steigt kräftig auf knapp 46 %,
während die der Ostdeutschen leicht auf 25 % sinkt. Dafür steigen bei
letzteren die ablehnenden Stimmen um über 10 Prozentpunkte auf
knapp 46 %, bei den Befragten aus den alten Bundesländern nur geringfügig
um knapp 1 Prozentpunkt.

Im Hinblick auf die Dienstgradgruppe lässt sich in beiden Befragungen
eine deutliche Tendenz bezüglich der Einstellung zu Item e) feststellen.
Mit steigendem Dienstgrad nimmt die positive Haltung zu der
Aussage, dass durch das Befolgen von Gottes Geboten das Böse zurückgedrängt
würde, zu. Bei Mannschaften und Unteroffizieren ohne
Portepee liegt die zustimmende Haltung unter dem Durchschnitt (EB:
ca. 20 %, RB: ca. 27 %), bei Unteroffizieren mit Portepee, Offizieren
und Stabsoffizieren deutlich darüber. Die Zustimmung bei Unteroffizieren
mit Portepee steigt von knapp 35 % in der Einsatzbefragung auf


knapp 48 % in der Rückkehrerbefragung, die der Offiziere von knapp
38 % auf gut 46 % und die der Stabsoffiziere von 50 % auf gut 59 %.

Keine eindeutige Tendenz zeigt diese Gruppe hingegen bezüglich der
ablehnenden Voten. Diese sanken bei Unteroffizieren ohne Portepee
von 50 % auf gut 41 % und bei den Unteroffizieren mit Portepee von
knapp 37 % auf knapp 36 %. Sie stiegen bei den Mannschaften leicht
von knapp 43 % auf knapp 46 %, bei den Offizieren deutlicher von
gut 32 % auf knapp 47 % und verdoppelten sich bei den Stabsoffizieren
nahezu von gut 18 % auf gut 35 %.

In der Einsatzbefragung fiel auf, dass die Aussage, durch das Befolgen
von Gottes Geboten würde das Böse zurückgedrängt, von den eher
Religionsfernen nicht vehementer abgelehnt wurde. Diese Feststellung
traf auf die Gruppen der Befragten zu, die religiös nicht sozialisiert
sind, keiner Kirche angehören und aus den neuen Bundesländern
stammen. Neben einem starken Anteil an Unentschiedenheit kam auch
ein beachtlicher Anteil an positiver Beurteilung zum Tragen.

Für die Rückkehrerbefragung gilt diese Aussage nicht. Die Religionsfernen
neigen hier stärker dazu, deutlich Position zu beziehen, während
sie in der Einsatzbefragung eher unschlüssig waren. Das zeigt der
erhebliche Rückgang an unentschiedenen Stimmen („weiß nicht“).
Einen kräftigen Zuwachs erhielt dadurch die ablehnende Haltung,
während die Zustimmung bei dieser Gruppe leicht zurück ging.

In der Einsatzbefragung waren die katholischen Befragten recht pessimistisch
im Hinblick darauf, dass sich mit Hilfe der Gebote Gottes
etwas gegen das Böse ausrichten lässt. Bei den Protestanten überwog
an dieser Stelle die positive Sichtweise. Diese haben in der Rückkehrerbefragung
auch die Katholiken übernommen und in ihren
Ergebnisse – sowohl hinsichtlich Zustimmung, Ablehnung und Unentschiedenheit
– mit denen der Protestanten gleichgezogen.


So ergibt sich in der Rückkehrerbefragung die klare Tendenz, dass die
Frage, ob das Böse keine Chance hätte, wenn Gottes Gebote befolgt
würden, am ehesten von den Befragten positiv beantwortet wird, die
aus den alten Bundesländern stammen, in ihrer Jugend eine religiöse
Sozialisation erfahren haben, einer der beiden Volkskirchen angehören
und einen höheren Dienstgrad besitzen.

Zusammenfassung

Für ihre seelsorgliche Aufgabe hatten die beiden Militärpfarrer im
Lager Rajlovac sehr gute Bedingungen vorgefunden, denn etwa 80 %
der von ihnen zu betreuenden Soldaten gehörten einer Kirche an. Bei
einem noch größeren Anteil konnten die Geistlichen darauf aufbauen,
dass die Soldaten in ihrer Jugend einen Grundstock religiöser Prägung
vermittelt bekommen hatten: fast 90 % waren getauft und über 80 %
konfirmiert bzw. gefirmt.

Die Hypothese, dass die Einstellung der Soldaten im Feldlager Rajlovac
zur dortigen Militär- bzw. Soldatenseelsorge positiver ausfällt als
die der Befragten mit direktem Kontakt zur Bundeswehr in der Bevölkerungsumfrage
des SOWI von 1997, wurde bestätigt. Während in der
Bevölkerung gut 80 % die Militärseelsorge positiv beurteilten, sprachen
sich 96 % der Teilnehmer der Einsatzbefragung für die Anwesenheit
von Pfarrern im Lager unter der Prämisse aus, dass die Bejahung
nicht deren tatsächliche Inanspruchnahme impliziert.

Zwar nicht wie vermutet wesentlich, jedoch etwas höher als bei evangelischen
fällt die Zustimmung zur Militär-/Soldatenseelsorge bei
römisch-katholischen Befragten aus. Auch die Hypothese, dass bei
denjenigen, die einer anderen oder keiner Religionsgemeinschaft
angehören, die Sympathie für Militärseelsorge erheblich geringer ist
als bei Kirchenmitgliedern, wurde bestätigt. Jedoch zeigen auch


letztere gegenüber der Militärseelsorge vor Ort wohlwollende Offenheit.
Nur verschwindend wenige (knapp 4 %) lehnen sie ab, während
88 % die Anwesenheit der Pfarrer begrüßen.

Auch die Vermutung, dass ostdeutsche Befragte die Militär-/Soldatenseelsorge
deutlich negativer sehen als westdeutsche, trifft zu. Allerdings
liegt die Befürwortung bei beiden Gruppen auf sehr hohem
Niveau. 97 % der Westdeutschen und 91 % der Ostdeutschen finden
es gut, dass ein Militärseelsorgedienst vorhanden ist.

Hinsichtlich der Dienstgradgruppen war angenommen worden, dass
mit höherem Dienstgrad die Zustimmung zur Militär-/Soldatenseelsorge
im Feldlager Rajlovac gleich bleibt oder leicht ansteigt. Diese
Vermutung beruhte darauf, dass hier mehrere Einflussfaktoren wie
Alter, Bildungsniveau und Nutzen durch die Militärseelsorge zu berücksichtigen
sind, die einander teilweise aufheben. Anders als angenommen
zeigt sich jedoch die deutliche Tendenz, dass mit höherem
Dienstgrad die Zustimmung zur Militär-/Soldatenseelsorge im Feldlager
Rajlovac wächst. 92 % der Mannschaften und Unteroffiziere
heißen sie gut, über 95 % der Unteroffiziere mit Portepee, 98 % der
Offiziere und alle Stabsoffiziere. Etwas aus dem Rahmen fallen die
Unteroffiziere ohne Portepee, die wie die Stabsoffiziere einhellig die
Anwesenheit von Pfarrern im Lager begrüßen.

Keinerlei Rückhalt hat bei den Soldaten die Vorstellung, dass die
Pfarrer sich nur um die Mitglieder der eigenen Konfession kümmern
sollten oder dass die konfessionellen Unterschiede deutlicher zutage
treten müssten. Dies wird nur von jeweils 3 % der Befragten in der
Einsatzbefragung vertreten.

In der Rückkehrerbefragung gaben lediglich 12 % an, dass sie die
Pfarrer nicht wahrgenommen hätten. Die meisten Soldaten hingegen
kennen die Militärpfarrer und sind ihnen während ihres Aufenthaltes


in Bosnien begegnet. Die Begegnung mit den Pfarrern geschah in über
40 % der Fälle unbeabsichtigt, bei Gottesdiensten (33 %) oder bei
Veranstaltung der Militärseelsorge (über 20 %). 28 % gaben in der
Rückkehrerbefragung an, mit den Pfarrern persönliche Gespräche
geführt zu haben. Die Öffentlichkeitsarbeit in den „Massenmedien“
Lagerpresse und -rundfunk, in die die Pfarrer regelmäßig erheblich
viel Zeit und Kraft investierten, wurde in der Einsatzbefragung nur
von jedem Zehnten als wahrgenommene Aktivität der Militärseelsorge
genannt. In der Rückkehrerbefragung findet sie immerhin bei jedem
Fünften Erwähnung. Die sozialen Aktivitäten der Militär-/Soldatenseelsorge
im Feldlager Rajlovac nehmen die meisten Soldaten entweder
überhaupt nicht, oder zumindest nicht als Sache, die maßgeblich
auf die Initiative der Militärpfarrer zurückgeht, wahr.

Die verschiedenen Tätigkeiten der Militärpfarrer im Einsatz werden in
beiden Befragungen sehr positiv bewertet. Die höchste Zustimmung
gilt dem persönlichen Gespräch mit den Pfarrern (90 %), ihrer guten
Ansprechbarkeit (88 %), den religiösen Veranstaltung (ca. 85 %),
sozialen Aufgaben (8 %) und der Betreuungseinrichtung „Oase“ (ca.
83 %). Die Teilnahme der Militärpfarrer an dienstlichen Gesprächsrunden,
ihre Beteiligung an besonderen militärischen Einsätzen und
auch die Öffentlichkeitsarbeit der Militärseelsorge werden hingegen
nicht in diesem hohen Ausmaß geschätzt.

Die ganz überwiegende Zahl der Befragten (88 %) ist der Auffassung,
dass die vorhandenen zwei Pfarrer ausreichend seien. Das Fehlen von
Pfarrhelfern wird hingegen von gut 30 % in der Einsatzbefragung und
von über 40 % in der Rückkehrerbefragung bedauert. 80 % der
Befragten sind der Meinung, dass Militärseelsorge nicht nur auf die
Mitglieder der großen Kirchen beschränkt sein sollte, sondern befürworten,
dass es auch für die, die einer anderen oder keiner Religion
angehören, vergleichbare Angebote geben sollte.


Eine erhebliche Zahl der Soldaten (44 %) hat den Wunsch, sich selber
stärker in die Arbeit der Militärseelsorge einzubringen. Dabei äußerte
jeder Dritte der kirchenfernen Befragten Interesse an einer Mitarbeit
bei der Militärseelsorge.

Ein Drittel der Teilnehmer der Einsatzbefragung und sogar jeder
Zweite der Rückkehrerbefragung gaben an, dass sie psychisch belastende
Situationen während ihres Einsatzes erlebt hätten. Ihre Behandlung
bei diesen Gelegenheiten bezeichnen nur wenige als einfühlsam
(13 %), nahezu jeder Dritte hält sie für unangemessen.

Auf diesem Hintergrund ist es von Bedeutung, wem sich die Soldaten
in Krisensituationen anvertrauen. Die bevorzugten Ansprechpartner
sind Kameraden (Einsatzbefragung: 55 %) sowie Frau/Freundin bzw.
Mann/Freund (Einsatzbefragung: 46 %). Die Rückkehrerbefragung
brachte hier Veränderungen in der Hinsicht, dass die Kameraden häufiger
(64 %) und die Partner seltener (35 %) genannt werden. Dieses
Ergebnis deckt sich mit Aussagen von Soldaten, dass ihre Berichte aus
dem Einsatz daheim immer mehr auf Desinteresse gestoßen seien und
sie daher darauf verzichtet hätten, die Partner mit diesem Thema zu
behelligen. Nach der Rückkehr aus dem Auslandseinsatz änderte sich
dieses Verhältnis jedoch wieder zugunsten der Partner.

Nicht so häufig werden in diesem Zusammenhang Vorgesetzte genannt.
So gut wie keine Rolle als Gesprächspartner in persönlichen
Krisensituationen spielen „professionelle Helfer“ wie Truppenpsychologen
und Ärzte, aber auch die Militärpfarrer. Dies steht im
Gegensatz dazu, dass gerade dem persönlichen Gespräch mit dem
Militärpfarrer von den meisten Soldaten ein hoher Stellenwert zugemessen
wird und dass eine erhebliche Zahl angibt, solche Gespräche
geführt zu haben. Für dieses Paradoxon wurde im weiteren Verlauf
der Untersuchung eine Erklärung gefunden.


Ein besonderes Augenmerk der gesamten Studie und insbesondere
ihres militärseelsorglich-theologischen Anteils galt der Frage, ob und
in welcher Weise sich der Auslandseinsatz auf die persönliche Haltung
und das Wertgefüge der Soldaten auswirkt.

Aus den Antworten der befragten Soldaten geht hervor, dass sich am
Repertoire der inneren Maßstäbe erhebliche Veränderungen vollzogen
haben. Ganz besonders lernten die Befragten die Fähigkeit zu schätzen,
unter den sehr eingeschränkten äußeren Bedingungen des Einsatzes
Lebensfreude zu entfalten und im dienstlichen Alltag Offenheit
für die sich ständig verändernden Verhältnisse zu bekommen.

An der Spitze der unwichtig gewordenen Maßstäbe steht zum einen
der Gesichtspunkt, mit dem Bosnieneinsatz internationale Verantwortung
wahrzunehmen und zum anderen der Wunsch nach Arbeitszufriedenheit.
Hier dürfte die Enttäuschung darüber eine Rolle spielen,
dass der militärische Einsatz zwar die Kämpfe beendet hat, es aber zu
keiner Annäherung der Konfliktparteien gekommen ist.

Aus den Antworten auf die Frage, mit welchen Themen sich die Soldaten
öfter als vorher auseinandergesetzt hätten, geht hervor, dass der
Auslandseinsatz die Soldaten in erheblichem Umfang mit existentiellen
Problemen konfrontiert hat. Die wichtigste Rolle spielt dabei die
Frage nach dem Sinn des Lebens, die in jedem zweiten Fall gewählt
wurde. Es folgen die Themen „eigener Tod“ und „meine Aufgabe in
der Welt“ mit etwa 40 %. „Glaubensfragen“ wurden in über 20 % der
Fälle genannt, wobei für die Arbeit der Militärpfarrer von Bedeutung
ist, dass dieser Bereich sogar bei 16 % der Konfessionslosen eine
Rolle spielt.

Um einschätzen zu können, welches Bild von Religion die Militärseelsorge
bei den Soldaten vorfindet, wurde an die gängige Vorstellung,
der Balkankonflikt sei zumindest teilweise auch ein Religions



krieg, angeknüpft. Dabei kam zum Ausdruck, dass den Religionen
eher eine negative Rolle zugesprochen wird, indem sie als Ursache
von Intoleranz gesehen werden. Bestenfalls billigte man ihnen zu,
dass sie selbst für fremde Ziele instrumentalisiert werden.

Auch dieses Ergebnis steht in deutlichem Gegensatz zu der Hochschätzung
des Vorhandenseins von Militärpfarrern und ihrer Tätigkeit
vor Ort im Feldlager Rajlovac. Die Haltung der Soldaten zur Religion
und zu ihren Ausdrucksformen ist offenbar ambivalent und bisweilen
widersprüchlich. Eine nähere Betrachtung der inneren religiösen Bin-
dung sollte nähere Aufschlüsse geben.

In der Einsatzbefragung hatten mehr als die Hälfte der Befragten angegeben,
dass sie während ihres Einsatzes an Gott gedacht oder gebetet
hätten. In der Rückkehrerbefragung fiel dieses Ergebnis noch deutlicher
aus. Hier sagten fast 70 % aus, dass und in welchen Zusammenhängen
sie in Bosnien an Gott gedacht oder gebetet hatten.

Dabei wird deutlich, dass ein Anliegen um so stärker mit dem Gedanken
an Gott in Zusammenhang gebracht wird, je weniger zugänglich
es dem eigenen oder insgesamt dem menschlichen Handeln ist. Am
häufigsten geschah dies in Verbindung mit ihnen wichtigen Menschen
und den Problemen der Bosnienmission der Bundeswehr und des
Einsatzlandes.

In der Einsatzbefragung galt jede dritte der abgegebenen Antworten
dem Themenkreis Bosnien. In der Rückkehrerbefragung stieg dieser
Anteil auf fast 40 % an. Den Befragten, die den Gedanken an Gott im
Zusammenhang mit diesem Problemfeld sehen, lag das Schicksal des
Landes und seiner Menschen und der gute Ausgang ihres eigenen
Einsatzes am Herzen, doch spürten sie auch, dass dieser Hoffnung
noch die solide Grundlage fehlt.


Während in der ersten Befragung die Vorstellung, dass Friede und
Versöhnung in Bosnien einkehrt, am stärksten mit Gott in Verbindung
gebracht wurde und am wenigsten der Gedanke an Elend und Zerstörung
in Bosnien, hat sich in der Rückkehrerbefragung dieses Verhältnis
umgekehrt. Das bedeutet, dass den Befragten während des Einsatzes
der Kampf gegen konkrete Übel wie Elend und Zerstörung in
Bosnien als für das menschliche Handeln zugänglicher erschien und
daher weniger stark mit dem Gedanken an Gott verbunden wurde als
die Abschaffung des Hasses zwischen den Ethnien oder gar die Einkehr
von Friede und Versöhnung. Aus der Sicht der Rückkehrer traten
das Leiden der Menschen und die sichtbaren Zeichen der Zerstörung,
die während des Aufenthaltes im Einsatzland der gewöhnliche tägliche
Anblick geworden waren, wieder stärker ins Bewusstsein.

Seltener stand bei den Befragten das Denken an Gott im Kontext mit
der Hoffnung, dass man selbst keinen Schaden erleiden, dass die
Kameraden unversehrt bleiben und dass die persönlichen Beziehungen
nicht in die Brüche gehen mögen. Daraus kann man den Schluss
ziehen, dass die Soldaten sich zutrauen, diese Lebensbereiche selbst in
den Griff zu bekommen.

Gleiches dürfte auch für das oben bezeichnete Paradoxon gelten, dass
den Militärpfarrern zwar ein hoher Wert als Gesprächspartner zugemessen
wird, man diese Hilfe aber in bestimmten konkreten Fällen
nicht in Anspruch nimmt. Denn bei den Fragen, mit wem die Soldaten
über ihre persönlichen Ängste und Gefühle sprechen und ob sie während
des Einsatzes familiäre Probleme hatten, geht es um Bereiche,
auf die sie – wie es an anderer Stelle deutlich wird – nach eigener
Einschätzung selbst genügend Einfluss besitzen. Daher treten diese
Aspekte weder im Zusammenhang mit dem Gedanken an Gott noch
bei der Inanspruchnahme von dessen Repräsentanten vor Ort wesentlich
in Erscheinung.


Die Gruppen derer, die meinten, der Glaube hätte Auswirkungen auf
die Politik und derer, die der Auffassung sind, Religion und Politik
hätten nichts miteinander zu tun, standen sich in der Einsatzbefragung
genau gleich stark gegenüber (jeweils 38 %). Hier ergab sich in der
Rückkehrerbefragung eine erhebliche Veränderung. Nun waren einige
mehr der Ansicht (44 %), dass die Zehn Geboten eine Bedeutung für
den politischen Bereich besitzen. Während in der Einsatzbefragung
fast jeder Dritte der Aussage zustimmte, dass Gottes Gebote und Politik
nichts miteinander zu tun hätten, waren es in der Rückkehrerbefragung
weniger als ein Viertel. Ebenso viele waren hier jedoch der
Meinung, dass in der Politik vieles besser sein würde, wenn sie ihre
Grundsätze an den Zehn Geboten ausrichten würde.

Es überrascht dabei wenig, dass diejenigen, die mit religiösen
Kontakten aufgewachsen sind, eher den Aussagen zustimmten, dass
Gottes Gebote und staatliche Gesetze zusammen gehören und dass
Politik, die an den Zehn Geboten ausgerichtet ist, zu einer Verbesserung
der Lebensverhältnisse beitragen würde, als die Soldaten, denen
die Kirchen fremd sind.

Die Untersuchung zeigt, dass die Einsatzerfahrung dazu beigetragen
hat, einem Teil der Soldaten religiöse Deutungsmuster für den Bosnienkonflikt
nahe zu bringen. Zwar wird in beiden Befragungen die
abgemilderte rationalistische Erklärung des Bösen als Resultat unguter
geschichtlicher Entwicklung am stärksten präferiert, doch finden sich
auch in erheblichem Umfang Stimmen, die das Versagen vernunftmäßiger
Begründung feststellen. Die steilste Ausdrucksform theologischtranszendentaler
Definition des Bösen als Ausdruck von Sünde und
Entfremdung von Gott fand in der Einsatzbefragung nur wenig
Befürwortung (ca. 10 %) und stieß bei 40 % auf Unverständnis. In der
Rückkehrerbefragung verdoppelte sich der Anteil derer, die dieser
Formulierung zustimmten und die Zahl der Unentschiedenen reduzierte
sich auf etwa 20 %.


Leichter zu vermitteln war der transzendentale Gedanke in Form einer
ethischen Aussage: das Böse werde durch das Befolgen von Gottes
Gebot zurückgedrängt. Diese Formulierung wurde in der Einsatzbefragung
von über 30 % und in der Rückkehrerbefragung von über
40 % geteilt. Sogar jeder Fünfte von den Befragten, die nicht religiös
sozialisiert sind und keiner Konfession angehören, stimmte dieser
Aussage zu.

Die Hypothesen bezüglich der Bedeutung von Religion als Lebensbewältigungsstrategie
haben sich zumeist als integer erwiesen. Die Befragten,
die einer Religionsgemeinschaft angehören, nahmen religiöse
Vorstellungen für die Lösung existentieller Probleme stärker in
Anspruch als Konfessionslose. Jedoch gaben letztere an, sich gerade
mit Glaubensfragen stärker befasst zu haben als zuvor. Ebenso ist ein
vergleichsweise hoher Anteil – nämlich jeder dritte Konfessionslose –
der Meinung, dass der Glaube Auswirkungen auf die politische
Gestaltung der Wirklichkeit habe. Bei den Kirchenmitgliedern ist etwa
jeder Zweite dieser Auffassung.

Auch wurde die Annahme bestätigt, dass bei den Teilnehmern aus den
alten Bundesländern die Inanspruchnahme religiöser Problemlösungen
bei existentiellen Fragen deutlich ausgeprägter ist als bei ihren ostdeutschen
Kameraden. Die Befragten aus den neuen Ländern haben
erwartungsgemäß während des Bosnieneinsatzes weniger an Gott
gedacht oder gebetet. Jedoch zeigt die Rückkehrerbefragung, dass
auch bei dieser Gruppe durch den Einsatz bedingte Einstellungsänderungen
eingetreten sind. Fast jeder zweite Befragte aus den neuen
Ländern gab Situationen an, in denen er während des Einsatzes an
Gott gedacht oder gebetet hat. Jeder Dritte von ihnen meinte, dass der
Glaube für die Politik relevant sei, und mehr als jeder Vierte dieser
Gruppe bejaht das religiöse Deutungsmuster, dass das Böse keine
Chance hätte, wenn Gottes Gebote befolgt würden.


Zum militärspezifischen Differenzierungskriterium Dienstgradgruppe
war die Hypothese aufgestellt worden, dass keine tendenziellen Unterschiede
hinsichtlich der Rolle von Religion als Hilfe zur Lebensbewältigung
festgestellt werden würden. Diese Annahme kann nicht aufrechterhalten
werden. Bei den existentiellen Themen, mit denen sich
die Teilnehmer aufgrund des Auslandseinsatzes öfter als vorher befasst
haben, ist die Tendenz festzustellen, dass diese Fragen mit steigendem
Dienstgrad für den Einzelnen wichtiger werden. Eine entsprechende
Ausrichtung ist ebenfalls bei den Angaben zu der Aufforderung
„Falls Sie während Ihres Aufenthalts in Bosnien schon einmal an
Gott gedacht haben (bzw. hatten), bitten wir Sie, uns mitzuteilen, in
welchem Zusammenhang.“ und bei den Fragen zu den Auswirkungen
des Glaubens auf die Politik und zu den theologischen Deutungen des
Bosnienkonflikts mit Hilfe des Begriffs „das Böse“ vorhanden. Die
Neigung, Vorgänge des Lebens religiös zu deuten und zu bewältigen,
nimmt anders als angenommen mit steigendem Dienstgrad deutlich
zu. Der entscheidende Grund für diese Änderung dürfte sein, dass die
Erhebungen nicht lediglich in einem theoretischen Rahmen stattfanden,
sondern in der konkreten Einsatzsituation, die gerade Menschen
mit höherem Bildungsgrad die Begrenztheit rationaler und immanenter
Deutung von Wirklichkeit vor Augen führte.

Die hervorstechendsten Ergebnisse der Untersuchung sind zum einen
die sehr positive Resonanz der Soldaten auf die Militär-/Soldatenseelsorge
im Feldlager Rajlovac und zum anderen der Umstand, dass der
Auslandseinsatz bei einem großen Teil der Soldaten zu mehr Nachdenklichkeit
und Sensibilität in den Bereichen Wertmaßstäbe und
Religiosität geführt hat. Für die Militär-/Soldatenseelsorge bedeutet
dies eine Bestätigung ihrer Arbeit, aber auch eine Herausforderung.
Denn unter den Bedingungen des Auslandseinsatzes nimmt bei den
Soldaten die Offenheit für religiöse Themen zu und es sind dafür Personengruppen
zugänglich, von denen man dies gemeinhin nicht
erwarten würde.


Anregungen für die Arbeit der Militärseelsorge

Aus den Ergebnissen der Untersuchung lassen sich einige Anregungen
für die Arbeit der Militärseelsorge im Auslandseinsatz formulieren:

1.
Die Militärseelsorge im Feldlager Rajlovac wird von den Soldaten
in erstaunlich hohem Maße begrüßt. Dabei handelt es sich weder
um Vorschusslorbeeren, noch um den Ausfluss einer grundsätzlich
kirchenfreundlichen Haltung. Denn zum einen gründet die
positive Bewertung der Militärseelsorge vor Ort in sehr vielen
Fällen auf eigenen Begegnungen mit den Pfarrern und der Inanspruchnahme
ihrer Angebote. Zum anderen trifft die Soldatenseelsorge
auch bei Kirchenfernen auf überwiegendes Wohlwollen.
Des Weiteren wurde bei vielen Befragten eine grundsätzlich religionskritische
Haltung festgestellt. Somit ist es nicht zuletzt auf
die Tätigkeit der beiden Militärpfarrer Barthmann und Moegelin
und auf ihre persönliche Ausstrahlung zurückzuführen, dass die
Militärseelsorge große Zustimmung bei den Soldaten genießt.
2.
In ganz besonderer Weise wird von den Soldaten geschätzt, dass
die Pfarrer im Feldlager in hohem Maße präsent und ansprechbar
sind und die Begegnung mit den Soldaten suchen. Dies sollte beibehalten
und nach Möglichkeit noch verstärkt werden. Hingegen
dürfen die Pfarrer ihre Wirksamkeit durch die Nutzung der vorhandenen
Massenmedien Presse und Rundfunk nicht überschätzen
und dort unnötigen Aufwand an Zeit und Kraft investieren.
3.
Die Militärseelsorge hat zu akzeptieren, dass sie in den Augen der
Soldaten in doppeltem Sinne für alle da zu sein hat. Zum einen hat
sie sich an alle Soldaten zu wenden ungeachtet derer Konfession
und Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft. Versuche konfessioneller
Profilierung werden von den Soldaten nicht geschätzt
und sollten daher unterbleiben. Zum anderen sollte die Militär

seelsorge sich noch mehr in der Weise öffnen, dass sie Soldaten
und insbesondere auch den kirchenfernen unter ihnen die Möglichkeit
zur Mitarbeit ermöglicht. An diesem Punkt fehlt es jedoch
an Konzepten, den von etlichen geäußerten Wunsch in die konkrete
Arbeit umzusetzen.

4.
Der Wunsch von vielen Soldaten, dass auch Pfarrhelfer im Auslandseinsatz
dabei sein mögen, sollte ernst genommen werden.
Denn Pfarrhelfer haben zu Soldaten einen eigenen und besonderen
Zugang, der das Spektrum derer, die durch die Militärseelsorge
angesprochen werden, noch vergrößern würde. Zudem könnten
die Pfarrer dringend die administrative Unterstützung durch Pfarrhelfer
gebrauchen, um für ihre eigentlichen Aufgaben entlastet zu
werden.
5.
Das als Militärpfarrerparadoxon beschriebene Problem, dass sehr
viele Soldaten die Anwesenheit der Pfarrer im Lager und besonders
ihre Gesprächsangebote schätzen, aber letztere in eigenen
Krisensituationen nicht in Anspruch nehmen, mag kränkend für
die Seelsorger sein. Die Militär-/Soldatenseelsorge hat jedoch zu
akzeptieren, wenn ihr die Soldaten keine Allzuständigkeit für ihre
Sorgen und Probleme zugestehen und sich ihre Unterstützung dort
suchen, wo sie es für richtig halten. Wie die Untersuchung zeigt,
gewinnt im Auslandseinsatz der religiöse Bezug an Bedeutung für
bestimmte Ausschnitte der Lebenswirklichkeit. Das sind die Bereiche,
die die Soldaten in Zusammenhang mit dem Gedanken an
Gott bringen. Dieser Hinweis sollte auch von dem Personal, das
für die Sache Gottes bei den Soldaten zuständig ist, aufgenommen
und umgesetzt werden.
6.
Aus der Untersuchung wurde deutlich, dass aus nicht vorhandener
oder schwacher religiöser Sozialisation oder fehlender Kirchenmitgliedschaft
nicht zwangsläufig auf eine verhärtete Distanz der

Betroffenen zu Fragen des Glaubens und zur Militärseelsorge vor
Ort zu schließen ist. Im Gegenteil wurden die Fragen mit theologischen
Inhalten von nahezu allen Soldaten mit Ernsthaftigkeit
bearbeitet. Nicht wenige der Kirchenfernen äußern sogar den
Wunsch, sich an der Arbeit der Militärseelsorge aktiv zu beteiligen.
Gerade bei den Soldaten, die aus den neuen Ländern stammen
und keiner Kirche angehören, trifft man in dieser Hinsicht
auf große Offenheit. Sie können zwar mit manchen kirchlichen
und religiösen Anliegen wenig anfangen. Doch reagieren sie darauf
weniger mit Ablehnung, sondern entscheiden sich häufiger für
die Antwortalternative „weiß nicht“. Die Militärseelsorge sollte
hierin eine Herausforderung sehen und mit besonderen Angeboten
auf dieses Klientel eingehen.

7.
Mit der Chiffre „Gott“ wurden vornehmlich die Ausschnitte aus
der Lebenswirklichkeit verbunden, die dem eigenen Einfluss entzogen
sind. Die Militärpfarrer haben zunächst zu akzeptieren, dass
dieses Gottesbild bei den Soldaten überwiegt, und haben sich damit
abzufinden, dass sie als Repräsentanten dieses Gottes nicht für
Dinge in Anspruch genommen werden, die der Einzelne selbst
oder mit Hilfe ihm nahestehender Menschen regeln kann. Das betrifft
zum einen die Feststellung, dass die Pfarrer bei bestimmten
Problemen der Soldaten als Gesprächspartner nicht gefragt sind.
Auf der anderen Seite wurde festgestellt, dass die Soldaten ein
ambivalentes Verhältnis zum Einsatz und zum Einsatzland entwickelt
haben. Es ist eine Desillusionierung dahingehend eingetreten,
dass nicht mehr ohne weiteres erwartet wird, mit den zur
Verfügung stehenden Mitteln die irrationale Situation in den Griff
zu bekommen. Die Häufigkeit, mit der diese Fragen mit „Gott“ in
Zusammenhang gebracht werden, zeigt jedoch, dass ein erfolgreicher
Ausgang des Einsatzes und insbesondere die konkrete Verbesserung
der Verhältnisse im Einsatzland für viele eine „Herzensangelegenheit“
geblieben ist.

Die Militärpfarrer sollten sich daher auch der Ebene des religiösen
Erlebens, in der es um das Bedürfnis nach Sinnsuche, Bewältigung
von Irrationalität und um das Empfinden von Zuversicht,
Vertrauen und Geborgenheit gegenüber einer göttlichen Macht
angesichts von Krisen und Konflikten geht, verstärkt annehmen.
Denn es gilt zu verhindern, dass bei den Soldaten Desillusionierung
und Perspektivlosigkeit in Frustration und Zynismus umschlagen.


8.
Mit dem vorhergehenden Punkt hängt eng die aus der Untersuchung
gewonnene Erkenntnis zusammen, dass zwar viele der Befragten
angeben, dass sie einerseits im Hinblick auf den Bosnienkonflikt
immanent-rationalistische Deutungsansätze als unzureichend
erleben, sie aber andererseits wenig Zugang zu Aussagen
haben, die die Realität theologisch transzendieren. Das hängt damit
zusammen, dass ein großer Teil der Soldaten einerseits wenig
damit vertraut ist, Lebensumständen einen Bezug zu Gott zu geben
und in religiösen Kategorien zu denken. Andererseits sind
aber nicht wenige in der Situation des Einsatzes in diese Richtung
in Bewegung geraten und haben ein entsprechendes Bedürfnis
entwickelt. Daraus erwächst für die Militärseelsorger die Aufgabe
und die Chance, sich diesen Menschen als Experten für die religiöse
Deutung von Lebensumständen zur Verfügung zu stellen.
Beispielsweise könnten Bibelarbeiten und Glaubensseminare, die
auf die jeweiligen Voraussetzungen der in der Untersuchung beschriebenen
unterschiedlichen Personengruppen (Profile) abgestimmt
sind, dazu beitragen, dass die religiöse Dimension bei der
geistigen Reflexion des Einsatzes stärker Berücksichtigung findet.

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Der Autor

Martin Bock, Dr. theol. (geb. 1950), Studium der Theologie und der Wirtschafts-und Sozialwissenschaften an den Universitäten Göttingen und Zürich. Promotion zum Dr. theol. an der Universität Göttingen mit einer Dissertation zum Thema „‘Politia Christi’. Ethik des Politischen bei Ernst Wolf zwischen Zwei-Reiche-Dualismus und Christokratie“. Pfarrer der Ev.-luth. Landeskirche Hannover. Militärpfarrer im Nebenamt. Von 1990 bis 2001 Militärgeistlicher und Wissenschaftlicher Direktor am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr in München und Strausberg.