Wie lange noch? Was die Garnisonkirche Potsdam mit Rechtsradikalismus zu tun hat

Aus "ZEITZEICHEN - Evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft", April 2020, Seite 54, Autor Prof. Dr. Philipp Oswalt.

Als neulich der AfD-Politiker Björn Höcke dem unglücklich agierenden Thomas Kemmerich zur Wahl zum Ministerpräsidenten gratulierte, erinnerte die Geste des Handschlags viele an den Tag von Potsdam. Möglich war  dieser nur, weil FDP und CDU eine klare Abgrenzung nach rechts vermissen ließen.

250 Kilometer nordöstlich von Erfurt wird in Potsdam seit 2017 der Kirchturm der Garnisonkirche wieder aufgebaut, also genau jener Ort, wo im März 1933 der „Tag von Potsdam“ gefeiert wurde. Hier muss sich die evangelische Kirche fragen lassen, ob sie es nicht auch an einer klaren Abgrenzung nach rechts vermissen lässt. Inzwischen ist zwar ab und zu mal an der Baustelle ein Banner „gegen alte und neue Nazis“ zu sehen und wird in der Nagelkreuzkapelle Frieden und Versöhnung beschworen. Aber warum hält dies weder AfD noch rechtsgerichtete Kreise in den Social Media davon ab, das Projekt zu unterstützen?

Anders, als es die Stiftung Garnisonkirche gerne darstellt, wurde die Kirche am „Tag von Potsdam“ nicht missbraucht, im Gegenteil. Generalsuperintendent Otto Dibelius selbst befürwortete die symbolische Inthronisierung von Hitler. Die Wahl des Ortes war kein Zufall, denn die Kirche diente schon jahrzehntelang den militaristischen, antidemokratischen und rassistischen Kreisen als wichtiger nationaler Symbolort. In der Kaiserzeit wurden hier die Kolonialkriege einschließlich des Völkermordes an den Hereros und Nama gefeiert, in der Weimarer Zeit versammelten sich hier die rechtsradikalen Gruppen vom Stahlhelm über den Kyffhäuserbund bis zu NSDAP. In einem Flyer der heutigen Stiftung Garnisonkirche aber heißt es, diese Kirche stände „für christliches verantwortetes Handeln für die Gemeinschaft, für die Verbindung von christlichem Glauben und ‚preußischen Tugenden‘“.

Die Idee für den Wiederaufbau dieser Kirche, deren Silhouette in der Nazi-Zeit 75 Millionen mal gemeinsam mit Hakenkreuzen in Münzgeld eingeprägt wurde und Glockenspiel als Pausenzeichen in Goebbels Reichsrundfunk diente, brachte der westdeutsche Bundeswehroffizier Max Klaar 1984 auf. In kurzer Zeit gelang es ihm, Spenden für den Nachbau des Glockenspiels zu sammeln, das er nach dem Mauerfall der Stadt Potsdam schenkte.

Der Potsdamer Pfarrer Dittmer warnte vergeblich vor dem rechtsradikalen Hintergrund des Spenders. Als die in den Glocken eingegossenen Widmungen für ein Deutschland in den Grenzen von 1937 auffielen, ließ die Stadt diese stillschweigend entfernen. 28 Jahre war das Glockenspiel in Betrieb. Erst im Spätsommer 2019 verfügte der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert dessen Stilllegung. Eine Reihe prominenter Wissenschaftler und Künstler hatten angesichts der verbliebenen rechtsradikalen Inschriften den Abriss des Glockenspiels gefordert. Dieses huldigt nach wie vor dem Verband deutscher Soldaten, dem Kyffhäuserbund und sechs Wehrmachtsverbänden, die nicht zuletzt für die Belagerung von Leningrad und einen Massenmord an Zivilisten in Italien verantwortlich waren.

Doch die Probleme begrenzen sich nicht auf das Glockenspiel. Das von der Stiftung Garnisonkirche bis heute vermittelte Geschichtsbild, die Kirche sei Opfer von NS-Regime, Bombenkrieg und DDR-Diktatur gewesen, baut genau auf dem geschichtsverfälschenden Narrativ auf, welches Max Klaar seit den 1990er-Jahren verbreitet hatte. Ein einstiger Mitstreiter Max Klaars war langjähriger Vorsitzender des Fördervereins zum Wiederaufbau der Garnisonkirche. Auch als in der breiten Öffentlichkeit das rechtsradikale Gedankengut von Max Klaar längst bekannt war, gab es für ihn und seine Unterstützer Gottesdienste wie etwa in der Potsdamer St.-Nikolai-Kirche am 4.9.2010.

Es hat in der Kirche nicht an Stimmen gefehlt, die einen klaren Bruch mit Traditionen der Potsdamer Garnisonkirche gefordert haben, der auch von außen sichtbar ist. Einiges hierzu wurde auch in kirchlichen Beschlüssen festgehalten. Umgesetzt wurde davon aber so gut wie nichts. Nicht zuletzt wollte man rechte Spender nicht vergraulen. Selbst einen originalgetreuen Wiederaufbau des Kirchenschiffs schließt die Stiftung in der aktuellen Debatte nicht aus, obwohl sie sich 2016 noch vor der Landessynode verpflichtet hatte, auf einen solchen zu verzichten. Wie lange noch will die Landeskirche dies stillschweigend hinnehmen?

Philipp Oswalt, geboren 1964 in Frankfurt am Main, ist Architekt und Professor für Architekturtheorie und Entwerfen an der Universität Kassel. Im Dezember 2016 trat Oswalt aus Protest gegen den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche aus der evangelischen Kirche aus. In einem Brief an die Berliner Superintendentin warf er der Kirche vor, sie sei zu eng mit dem Staat verbunden. Es gebe zudem falsche Aussagen über die eigene Kirchengeschichte. Oswalt schrieb: „Die Idee von Frieden und Versöhnung wird nicht nur instrumentalisiert, sie wird auch konterkariert.“



Warum sollte diese gotteslästerliche Bude auferstehen?

Ausschnitte aus der Predigt am 19.03.2017, in der französisch-reformierten Kirche in Berlin. Prediger: Christoph Diekmann (DIE ZEIT Kommentator)

"Anfangs war ich gegen den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche. Deren Ruine sollte Mahnmal bleiben, gegen Militarismus und Krieg. In der Nacht zum 14. Februar 1995 stand ich inmitten von vielen hundert Dresdnern, die sich, Kerzen in den Händen, um die Trümmer scharten und "Dona nobis pacem" sangen. Dann sah ich den Neubau wachsen und spürte unverhoffte Freude. Der 30. Oktober 2005 war schieres Glück. An diesem Tag der Weihe verbrachte ich sieben Stunden in der wiedererstandenen Steinernen Glocke. Ihr gilt mein erster Blick, wenn ich nach Dresden komme und der Zug die Marienbrücke überquert.

Was ich nicht wollte: eine Show- und Touristenkirche, einen Tempel protestantischer Selbstdarstellung, ein Institut zur religiösen Veredelung der Staatsideologie und einer Außenpolitik, die sich immer weiter militarisiert. Am 30. April 2013 luden die Bundeswehr, das sächsisches Innenministerium und die Stiftung Frauenkirche zur Kirchenschändung. In der Kirche musizierte "das Wehrbereichsmusikkorps III der Bundeswehr unter Leitung von Oberstleutnant Roland Dieter Kahle". Die evangelische Kirche garnierte die Propaganda mit Gebet, auf dass Gott seine Beförderung zum Wehrbeauftragten gefalle. Der Protestantismus hat eine lange Geschichte opportunistischer Feigheit und staatsideologischen Missbrauchs. Wo, wenn nicht an diesem Ort, müsste sie enden? Christlicher Glaube ist wesenhaft pazifistisch; Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. In seinem Haus ist jeder Mensch willkommen, auch jeder Soldat. Doch er möge einzeln kommen, nicht als Armee. Und entwaffnet, ohne Pauken und Trompeten.

Das Beispiel Frauenkirche wird im Streit um die Potsdamer Garnisonkirche immer wieder, wie man so treffend sagt, ins Feld geführt. Der Vergleich erhellt; er zeigt den Unterschied. Die Frauenkirche entstand als Gotteshaus der protestantischen Bürgergemeinde, die Garnisonkirche als Walhalla des preußischen Absolutismus. Sie wurde erbaut zwecks gläubiger Rüstung des Militärs zur maximalen Gotteslästerung, dem Krieg. Der Turm ragte 88 Meter auf. Sein Glockenspiel läutete "Üb immer Treu und Redlichkeit/ bis an dein kühles Grab/ Und weiche keinen Fingerbreit/ Von Gottes Wegen ab". Ungezählte führte dieser Weg ins Grab. Der "Soldatenkönig" züchtete Preußens Armee. Sein Sprössling Friedrich II. ließ sie von der Kette, verheerte Europa und produzierte Leichenberge, weshalb er auch "der Große" heißt. Die Garnisonkirche wurde zum Trophäenschrein, ihre Krypta zur Grablege für Vater und Sohn und am 4. November 1803 zur weltgeschichtlichen Bühne. Nacht war's, als "bey der Asche dieses Unsterblichen" Preußens friedsinniger König Friedrich Wilhelm III., Gattin Louise und Rußlands Zar Alexander einander Beistand gegen das Korsenmonster Napoleon gelobten. Preußen fiel, Alexander lief über. Der unsterbliche Altfritz bekam am 25. Oktober 1806 abermals Besuch, nun von Napoleon, welcher in Latein sprach "So vergeht der Ruhm der Welt" und, auf Französisch: "Wenn du noch lebtest, stünde ich nicht hier".

Ein ebenso fataler Imitator nahte sich am 21. März 1933. Dieses Garnisonkirch-Datum heißt bis heute "Tag von Potsdam". Hier wurde der neue Reichstag eröffnet, mit Glockengeläut, paradierender SA, Heil!-Gebrüll und unüberschaubaren Massen jauchzenden Volks. Ein Foto zeigt, was vor der Kirche geschah. Reichskanzler Adolf Hitler, zivil befrackt, schüttelt die Hand des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Der "Tag von Potsdam" verschmolz das bürgerlich-konservative Deutschland mit Hitlers "nationaler Erhebung" und entmächtigte die Demokratie, wobei der greise Reichspräsident demonstrieren wollte, dass die Zentralgewalt bei ihm verbliebe. Doch Hindenburg starb 1934, der Kanzler wurde endgültig zum "Führer".

Eine Militärkirche gehört nicht zur Versöhnungsgeschichte des Evangeliums. Sie zählt zur Missbrauchsgeschichte, durch Sakralisierung von Nation und Krieg. Warum sollte diese gotteslästerliche Bude auferstehen?

Zur Stadtgesundung, sagen Potsdams Klassizisten und schwärmen vom Dreikirchenblick: dem Langen Kerl der Garnisonkirche, dem Campanile der Friedenskirche, der Kuppel von St. Nikolai. Finger weg!, rufen die Widersacher. Erstehen soll der Kriegstempel der Hohenzollern, zwecks neomilitaristischer Erneuerung Preußens. Dessen altböser Geist würde unweigerlich auch in die neue Hülle fahren.

Kirchlicherseits lautet das Aufbau-Motiv: Friede und Versöhnung. Es wirkt gesucht und mühelos gefunden. Versöhnung ist prima. Aber mit wem? Und womit niemals, gemäß der Friedensbotschaft Jesu Christi, auch wenn der wehrmächtige, rüstungstolerante Zeitgeist frommende Worte findet? Und wenn "Ein feste Burg ist unser Gott" zum Großen Zapfenstreich erschallt?

Alle Argumente sämtlicher Parteiungen sind wohl jedem Potsdamer bekannt. Ich bin keiner und möchte auch nicht eifern. Das Muschebubu zwischen Protestantismus und altfritzlicher Restauration ist mir fatal. Der Untergang der Garnisonkirche geschah allerdings in zwei Epochen. Der Bau verging ja nicht gänzlich im Bombenfeuer des 14. April 1945. Der Turmstumpf stand noch, zwei Etagen hoch. Er verschwand durch die gewaltige Tat des Großen Städtebauers Walter Ulbricht. Am 23. Juni 1968, einem Sonntag, ließ Ulbricht sprengen, zur Gottesdienstzeit. Das zerstörte kein totes Rudiment, sondern den Versammlungsort der Kreuzgemeinde. In Leipzig vernichtete der Gottverächter Ulbricht die intakte Universitätskirche und rammte einen sozialistischen Zeigefinger ins Zentrum der Stadt. Jena und Neubrandenburg erhielten gleichfalls Ulbricht-Minarette. Auch in Potsdam ragt solch vertikale Hinterlassenschaft und bezeugt Geschichte.

In Berlin überlebte nach dem Untergang der DDR die Methode Ulbricht und führte zur Vernichtung des Palasts der Republik. Nun entsteht dort eine Stadtschloss-Fiktion; möge sie gelingen. Neubauten sind selten Gefäße wahrhaftiger Erinnerung. In Potsdams jüngst erstandenem Palais Barberini wird der Besucher froh, umleuchtet von Impressionisten. Töricht wirken Pläne zur "Rückgewinnung" eines friderizianischen Disneylands, inklusive der Schleifung platzhaltender Bauten anderer Zeiten. Unvergesslich bleibt mir, wie der Chef der Garnisonkirch-Fördergesellschaft, ein freundlicher Bundeswehr-Obrist, das DDR-gebaute Potsdam nannte: sibiriakisches Nirwana. Da flog mich, aber aus westlicher Richtung, eine sibirische Kälte an.

Liebe Gemeinde, auch der Prediger ist hörbar Partei. Unwürdig und geschichtsvergessen schiene mir eine Kopie der Garnisonkirche aus der Backform des preußischen Militärstaats. Was immer sich hier künftig türmt - es handelt sich um Menschenwerk, um Eigenverortung der Kirche. Hier signalisiert sie sich selbst. Gott verlangt das nicht. Ideologie in eins zu setzen mit Gott, das ist der Turmbau zu Babel, die Ursünde - auch der Religion. Ihren Fanatismus haben wir Europäer fürchten gelernt. Gott allein entscheidet, in welchen Häusern er wohnt. Herabnötigen lässt er sich nicht. Er kennt uns. Steine können sich ändern, aber Menschen?"

Christoph Dieckmann lebt in Berlin. Die  hatte ihn eingeladen, am Sonntag die Predigt zu halten. Dieckmann wurde 1956 in Rathenow als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte von 1975 bis 1981 in der DDR Theologie. Seit 1991 ist er Autor und Kolumnist der Wochenzeitung "Die Zeit". Man kennt ihn als Experten für Phänomene der DDR-Kultur und des DDR-Fußballs. Zuvor hat er für DDR-Kirchenzeitungen gearbeitet und für den "Sonntag".


Christ/innen und andere Bürger/innen sind mehrheitlich gegen den Wiederaufbau der Garnisonskirche (unselige NS-Militärkirche) in Potsdam

  1. Unterschriften: Viele Christen haben gegen den Wiederaufbau der Garnisonskirche unterschrieben: Christen brauchen keine Garnisonskirche! kontakt@christen-brauchen-keine-garnisonkirche.de, Sprecher: Uta Brux und Dr. Hans Misselwitz, Tel. 0331 - 281 290 04
  2. Bürgerinitiative "für ein Potsdam ohne Garnisonskirche"
  3. hier auch auf facebook

Foto: Der Handschlag Hitler - Hindenburg am 21.03.1933 vor der Garnisonskirche in Potsdam. Diese Kirche diente als zentrale Propaganda-Stätte zuerst Preußens und dann der NSDAP. Die wiederaufgebaute Garnisonskirche würde bald der Bundeswehr und der Regierung zur Selbstinszenierung dienen.


Potsdam Garnisonskirche

Auszug aus dem Interview mit Altbischof Wolfgang Huber "Aufbau der Potsdamer Garnisonkirche hat nationalen Rang" vom 22.12.2012, von Thorsten Metzner, TAGESSPIEGEL-online

Die evangelische Militärseelsorge der Bundeswehr ist Mitstifter des Wiederaufbaus. Passt das wirklich?
Ja, denn Pazifismus bedeutet im Wortsinn, Frieden herstellen, Frieden machen. Es gibt Menschen, die davon überzeugt sind, dass im äußersten Notfall Frieden nur durch die Drohung der Gewalt gesichert werden kann. Alle, die den Aufbau der Garnisonkirche vorantreiben, sind von der Überzeugung durchdrungen, dass Gewaltlosigkeit vorrangig sein muss. Der Streit geht darum, ob unsere Welt allein mit Gewaltlosigkeit gestaltet werden kann, ob es immer möglich ist, das Recht ohne Gewalt durchzusetzen.

Was der evangelische Christ Wolfgang Huber bezweifelt?
Jeder Pazifist muss sich eins klarmachen: Wenn Recht nur gewaltfrei durchgesetzt werden darf, dann müsste das nicht allein beim Militär, sondern auch bei der Polizei oder bei der Frage nach der Legitimation von Gewalt im Widerstand gelten. Genau diese Diskussionen wollen wir in der Garnisonkirche führen.

Deshalb soll die Bundeswehr dabei sein?
Ich halte nichts davon, ausgerechnet den Berufsstand auszusperren, der in die Fragen von Frieden und Gewalt intensiver einbezogen ist als andere. Wir würden hinter den Konsens in unserer Gesellschaft zurückfallen, wenn wir Soldaten nicht mehr als Bürger in Uniform anerkennen. Aber ich sage das auf der Grundlage, dass dies ein Ort der Verantwortung für den Frieden sein soll, was die vorrangige Option für die Gewaltfreiheit einschließt. Die Debatte, was das konkret bedeutet, muss mit allen geführt werden – unter Einschluss der Bundeswehr. Ganz klar: Die Garnisonkirche ist offen für Soldaten, aber es wird nie wieder eine Soldatenkirche sein.

Mit Gedenkgottesdiensten für Soldaten, die bei Auslandseinsätzen getötet wurden?
Angehörige von gefallenen, von ums Leben gekommenen Bundeswehrsoldaten finden in der Garnisonkirche hoffentlich einen Ort, an dem sie verarbeiten können, was ihnen widerfahren ist. Es wird hier aber kein Denkmal für Bundeswehrangehörige geben, die bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen sind. Diese Gedenkstätten gibt es anderswo.


Potsdamer Neueste Nachrichten, 09.07.2012, von Guido Berg

Großspende für die Garnisonkirche

Die Evangelische Militärseelsorge stiftete bereits vor zwei Jahren 250 000 Euro für den Wiederaufbau der Garnisonkirche. In der Kirche soll es keine Zeremonien für tote Bundeswehrsoldaten geben.

Innenstadt - Die Evangelische Militärseelsorge verteidigt eine 250 000-Euro- Spende zugunsten des Wiederaufbaus der Garnisonkirche. Gleichsam verneint sie Absichten, die Potsdamer Barockkirche als Ort staatlicher Trauerzeremonien für im Auslandseinsatz gefallene Bundeswehrsoldaten nutzen zu wollen. „Wir planen keinen zentralen Trauerort“, erklärte der Sprecher der evangelischen Militärseelsorge, Walter Linkmann, auf PNN- Anfrage. Mit Blick auf den zentralen Militärfriedhof der USA sagte Linkmann: „Wir planen kein kirchliches Arlington.“

Gemäß des Leitbildes „Bürger in Uniform“ solle Militär in Deutschland „so zivil wie möglich“ sein, so der Sprecher. Daher brauche die evangelische Militärseelsorge „keine eigene Militärkirche“, versicherte Linkmann. Das wäre „nicht sinnvoll“. Trauerzeremonien für im Einsatz getötete Bundeswehrsoldaten fänden in den Kirchen der Heimatorte der Soldaten statt. Die Türen dieser Kirchen stünden der Militärseelsorge stets offen. „Vor Ort lässt man uns rein“, sagte Linkmann. Das sei nach 1968 noch anders gewesen sein. Heute werde aber vieles nicht mehr nur in Schwarz und Weiß gemalt. Linkmann: Der vormalige Militärbischof Peter Krug habe sogar selbst den Wehrdienst verweigert. Der Sprecher erklärte, bei der Viertelmillion Euro handele es sich nicht um Geld der Bundeswehr, sondern der Evangelischen Kirche: „Das ist eine andere Kasse.“

Die Zustiftung von 250 000 Euro für die Stiftung Garnisonkirche Potsdam war durch einen offenen Brief der Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ an Bischof a.D. Wolfgang Huber, Vorsitzender des Kuratoriums der Garnisonkirche, bekannt geworden. Die Zeitung „Junge Welt“ hatte daraufhin gemutmaßt, die Garnisonkirche solle „zu einem zentralen Ort des kirchlich-militärischen Komplexes“ gemacht werden. Der Evangelische Militärbischof Martin Dutzmann, Mitglied im Garnisonkirchen-Kuratorium, reagierte in einer öffentlichen Mitteilung auf den Vorwurf. Dieser „entbehrt jeder Grundlage“, schreibt Dutzmann. Er unterstütze den Stiftungszweck, der „insbesondere durch Friedens- und Versöhnungsarbeit und deren Förderung verwirklicht“ werde. Darüber hinaus „soll für die Stiftung die Zusammenarbeit der Evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr mit der Nagelkreuzgemeinschaft im Hinblick auf die internationale Versöhnungsarbeit fruchtbar gemacht werden“.

Zu den konkreten Folgen des Engagements der evangelischen Militärseelsorge für das Aufbauprojekt notierte Dutzmann: „Die Evangelische Militärseelsorge hält es für möglich, die Räumlichkeiten der Garnisonkirche Potsdam für lebenskundliche Unterrichtseinheiten mit Soldatinnen und Soldaten zu nutzen, die von der Evangelischen Militärseelsorge verantwortet werden.“ Der „lebenskundliche Unterricht“ reflektiere „Lebensfragen sowie Einsatzerfahrungen und habe als berufsethische Qualifizierungsmaßnahme verpflichtenden Charakter“. Er werde „überwiegend von evangelischen und katholischen Militärgeistlichen durchgeführt“, so der Militärbischof.

Die 250 000-Euro-Spende, eine Zustiftung zum Stiftungskapital, liege „mindestens zwei Jahre zurück“, erklärte Peter Leinemann, Geschäftsführer der Stiftung Garnisonkirche. Dies sei kein Anlass, Zweifel an der künftigen Friedensarbeit in der Garnisonkirche zu haben. „Es wird keine Militärkirche“, so Leinemann. Die bereits vor vier Jahren vollzogene Abkehr vom Begriff einer Garnisonkirche als „internationales Versöhnungszentrum“ bedeute lediglich „ein Stück Ehrlichkeit“ hinsichtlich der eigenen Möglichkeiten. Leinemann: „Wir können diesen Anspruch organisatorisch und finanziell nicht stemmen.“ Ein solches Zentrum würde eine wissenschaftliche Abteilung und die Finanzierung von Tagungen und Reisen bedeuten. Richtig sei aber weiterhin, dass die Garnisonkirche „ein Nagelkreuzzentrum und ein Ort der Versöhnung“ sein werde. Konkret bedeute das, am Ort der einstigen Militärkirche der Garnisonstadt Potsdam und des „Tages von Potsdam“ – die Machtübergabe durch Reichspräsident Paul von Hindenburg an Adolf Hitler am 21. März 1933 in der Garnisonkirche – „aus der Geschichte zu lernen mit Blick auf heutige Konflikte, um einen Beitrag zu deren Beilegung zu leisten“, sagte Leinemann.

Ziel der Stiftung ist der Wiederaufbau zunächst des Turmes der 1945 schwer beschädigten und 1968 auf SED-Geheiß gesprengten Kirche bis 2017, dem 500. Jahrestages des Thesenschlages Martin Luthers. Im kommenden Jahr sollen Leinemann zufolge die Fundamente gelegt werden. Erst kürzlich hatte eine der Familie Siemens nahestehende Stiftung eine Million Euro für denWiederaufbau gespendet. Allein der Turm wird nach Leinemanns Angaben knapp 40 Millionen Euro kosten, das später folgende Kirchenschiff weitere 60 Millionen Euro.


epd, 09.05.2014

Potsdams Garnisonkirche - Gabriel ruft zu Spenden für Wiederaufbau auf 

Neben einer Glocke hat die Potsdamer Garnisonkirche jetzt auch noch eine neue Wetterfahne. Das Problemist nur: Die Kirche dazu fehlt. Damit sich das ändert, rief der Vize-Kanzler die Bürger zu Spenden auf. Noch aber fehlen zig Millionen Euro.

Potsdam - In Potsdam ist am Freitag die rund acht Meter hohe vergoldete Wetterfahne für den Wiederaufbau der Garnisonkirche aufgestellt worden. Die Metallkonstruktion mit zur Sonne strebendem Adler, Krone und den Initialen Friedrich Wilhelms I. ist drei Tonnen schwer und kostet mehr als 200.000 Euro. Sie wurde am historischen Ort neben dem Baugrundstück aufgestellt. Vize-Bundeskanzler Sigmar Gabriel (SPD) rief bereits am Vorabend zu Spenden für den Wiederaufbau auf.

Die Wetterfahne sei auch Ausdruck der Hoffnung, dass der Kirchturm möglichst bald stehen werde, sagte der Kuratoriumsvorsitzende der Garnisonkirchenstiftung, der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Berliner Altbischof Wolfgang Huber bei der Präsentation. Daran nahmen auch Altbundespräsident Richard von Weizsäcker und Brandenburgs früherer Innenminister Jörg Schönbohm (beide CDU) teil.

Sonne und Adler der Wetterfahne seien für ihn Symbole des Glaubens, betonte Huber: Der Adler stehe für einen Aufstieg "beflügelt vom Glauben an Gott". In der Vergangenheit waren die Symbole auch als preußische Machtdemonstration gegen Frankreich interpretiert worden. Der Adler galt als Symbol für Preußen, die Sonne als Symbol für Frankreich.

Die Bürgerinitiative "Potsdam ohne Garnisonkirche" kritisierte die Errichtung der Wetterfahne als Versuch, "mit aller Gewalt Fakten zu schaffen", obwohl das laufende Bürgerbegehren gegen den Wiederaufbau großen Zuspruch finde. Dass die Wetterfahne einen Teil eines denkmalgeschützten DDR-Mosaiks verdecke, zeige, dass die Stiftung "Kunst und Kultur der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit keinerlei Wert" beimesse.

Das Vorhaben sei "mehr als nur ein nostalgisches Projekt", sagte Gabriel bei einem Empfang des baden-württembergischen Unternehmens Würth am Donnerstagabend in Berlin. Die Bürgerinitiative "Potsdam ohne Garnisonkirche" protestierte auch vor der Unternehmensrepräsentanz im Grunewald gegen den Wiederaufbau.

Die Wiedererrichtung der im Zweiten Weltkrieg zerstörten und in der DDR abgerissenen evangelischen Barockkirche als Zentrum für Friedens- und Versöhnungsarbeit könne zum Symbol dafür werden, "dass sich am Ende die Feinde der Freiheit nicht durchsetzen", betonte Gabriel: "Solche Orte braucht eine lebendige Demokratie."

Der Grundstein für den Wiederaufbau der Garnisonkirche wurde bereits 2005 gelegt. Die eigentlichen Bauarbeiten haben jedoch noch nicht begonnen, weil die Finanzierung weiter offen ist. Zunächst soll der rund 40 Millionen Euro teure Kirchturm errichtet werden.

Über den Wiederaufbau der Garnisonkirche wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Das Projekt ist unter anderem umstritten, weil die evangelische Kirche 1933 von den Nazis zur Inszenierung der Reichstagseröffnung genutzt wurde. Die Befürworter argumentieren unter anderem mit der städtebaulichen Bedeutung der Kirche. (epd)


Hier die dazu gehörende Website der Initiative gegen den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonskirche.